Serie: Rembrandt.Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum in Frankfurt am Main, Teil 3/3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main /Weltexpresso) – Natürlich ist die gesamte Schau damit noch nicht erfaßt, die alleine von der Themenvielfalt der Sujets her beeindruckt. Wichtig bleibt, daß man Rembrandts Druckgraphiken in sein Gesamtwerk einordnen kann. Zweimal legt er den Schwerpunkt auf diese Technik. Das ist in den Jahren zwischen 1640 und 1645, nachdem er sein repräsentatives Haus in Amsterdam erworben hatte und von dort aus, erst recht nachdem die geliebte Frau Saskia gestorben war, weite Spaziergänge unternahm, die ihm auch die Natur nahebrachten.
Das ist ein zweites Mal in den Jahren von 1648 bis 1652. Dabei zeichnete Rembrandt in der Natur nicht detailliert, sondern machte Skizzen, die er als Grundlage seiner Konzeption für die Radierung nutzte. Das ist wichtig zu betonen, denn wenn man auch heute die meisten Orte seiner Landschaftsradierungen lokalisieren kann, so sind die Blätter nicht eine topographisch genaue Wiedergabe des Natur. Das unmittelbare Naturstudium ist ihm nur Ausgangspunkt für die ästhetisch neu kalkulierte Komposition, die für uns 'natürlich' wie die Natur selber wirkt. Vorrangig sind es holländische Natursujets, aber er zitiert darüberhinaus nicht nur aus der Kunstgeschichte, sondern experimentiert bei den Radierungen auch mit den Phänomenen wie Licht und seine Wirkung auf den Raum. Wie detailliert er Pflanzenformen wiedergibt oder Bäume als allesverschlingende Natur in Szene setzt, immer weitet er unseren Blick über die Naturerfahrung hinaus in eine Suggestion von Weite und Tiefe der ganzen Welt.
Tatsächlich sehen wir auf den Landschaftsradierungen eigentlich Ausschnitte der wirklichen Natur. Rembrandt vermag aber, den Ausschnitt für das Ganze zu setzen und damit auf die Schöpfung insgesamt zu verweisen. Die Einladungskarten zur Eröffnung der Ausstellung am heutigen Abend ziert die Radierung „Drei Bäume“ aus dem Jahr 1643. Das querliegende Blatt zeigt mit dem Schwerpunkt nach links drei Bäume, die so richtig knorrig und naturwüchsig in der Landschaft stehen. Im Blättergewirr sieht man zum einen den Windzug, zum anderen das durchscheinende Sonnenlicht.
Der Boden suggeriert durch sich überlagernde Schraffuren, durch Linienmuster, freie Flächen und Verdunkelungen einen dichtbewachsenen Boden. Im Hintergrund – nur als Umrißskizze – zieht ein Pferd nach rechts einen Leiterwagen, auf dem Leute sitzen, weshalb wir dort den Weg vermuten. Ob der dahinterstehende/gehende Mann mit dem langen Stecken am Wegrand beschäftigt ist oder die Nachhut sein soll, dazu fehlt uns der bäuerliche Sachverstand. Sowieso ist hier der Mensch nicht als Herr der Natur dargestellt, sondern als auf der Erde unter anderem vorkommende Erscheinung.
Die Anhöhe auf der Rechten, die wir uns ebenfalls durch die dunkle Gestaltung als sehr bewachsen vorstellen, hat an der Spitze eine freie Stelle. Was wir beim Betrachten erst für eine etwas verunglückte Windmühle hielten – einfach, weil das so schön nach Holland paßt -, zeigt einen Sitzenden mit Hut, der ins Sonnenlicht, auf jeden Fall nach rechts aus dem Bild heraus blickt. Ist es der Künstler selbst, der hier skizziert – allerdings mit dem Rücken zu diesem Blatt, den Bäumen, die hinter ihm stehen? Ist es ein anderer, der die Natur aufnimmt? Man wünscht sich – wie oft – in Ausstellungen von Zeichnungen und Druckgraphik die Lupe, die man wieder mitzunehmen vergaß. Diese kleine Figur können wir dann aber noch einmal ganz groß betrachten. Beim Weggehen über den Holbeinsteg hängt sie als Ausschnitt und sehr kräftig vergrößert als Werbeplakat über unseren Köpfen und sagt uns: Ja, ich bin der Zeichner und Radierer, ich bin Herr Rembrandt Harmensz. Van Rijin, der 1669 verstorben ist, aber durch sein Werk lebendig bleibt. Wenigstens imaginieren wir das und unsere Wahrheit kann uns keiner widerlegen.
Bleibt noch, über die Druckgraphik zu räsonieren. Anders als bei vielen Platten berühmter Künstler, sind die Rembrandtschen mit seinem Tode verschollen. Das bedeutet, daß man keine posthumen Drucke herstellen konnte. Das engt zwar – positiv - die vorhandenen auf seine Lebenszeit und damit auch auf seine persönliche Arbeit mit dem Drucken ein, macht aber gleichzeitig um so deutlicher, wie wertvoll der Bestand an Radierungen Rembrandts ist. Daß man diese Blätter nicht nur in Ausstellungen über die Jahre bewundern kann, dazu machte Martin Sonnabend Mut. Denn natürlich sind sie zwar ihrer Lichtempfindlichkeit wegen normalerweise in Dunkelheit aufbewahrt, aber man kann in der Graphischen Sammlung des Städel im Lesesaal sich Blätter – nicht nur von Rembrandt! - bestellen und sie in Ruhe auch zwischen Ausstellungen anschauen, studieren und goutieren.
P.S. Leider war unsere besprochene und als Werbung genutzte Radierung der drei Bäume nicht auf der Foto-CD; deshalb bringen wir hier die Windmühle von 1641, die bei uns nicht vorkommt, aber die wir als typisch Holländisch empfinden.
Bis 24. November
Leider kein Katalog.
www.staedelmuseum.de