christo 2Zum Tod des Künstlers Christo (1935 - 2020) Teil 2

Hanswerner Kruse

New York / Berlin (Weltexpresso) - Im Berliner Palais Populaire begann die Ausstellung der von Christo & Jeanne-Claude realisierten „Projekte 1963 - 2020“. Die Schau gibt mit Skizzen und Collagen einen umfassenden Überblick zum Gesamtwerk des Künstlerduos.

Nach dem Reichstagsprojekt erklärten Christo & Jeanne-Claude, sie wollten zukünftig nichts mehr verhüllen. Das hielten sie zwar nicht durch, denn sie planten, noch vor dem Tod Jeanne-Claudes 2009 gemeinsam die Verhüllung des L’Arc de Triomphe in Paris. Aber die kümmerliche Reduzierung der beiden als „Verpackungskünstler“ ist unsinnig, weil sie die von ihnen ausgewählten Objekte - seien es nun Bauwerke, Felsküsten oder Bäume - nicht verhüllten um sie unsichtbar zu machen, sondern um dadurch zeitweilige Riesen-Skulpturen zu erschaffen.
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Zugleich verwirklichten die beiden auch andere beeindruckende Großprojekte durch Eingriffe in die Natur ohne sie zu verpacken. Etwa die Installation eines riesigen Vorhangs in einer amerikanischen Landschaft („Valley Curtain 1970/72“), die Umrandung einer Insel bei Florida („Surrounded Islands 1980/83“) oder das Projekt von über 4400 zeitgleich aufgestellten Schirmen in Japan und Kalifornien („The Umbrellas 1984/91“)
                                                         siehe Fotos rechts
 Bei diesen Gestaltungen der Landschaften gingen Natur und Kunst regelmäßig eine vorübergehende Liaison ein.

cb7476d904db524acc73c66252db8a32Die Berliner Ausstellung zeigt Arbeiten aus den frühen 1960er-Jahren, in denen die beiden bereits Zeitungen oder kleine Alltagsgegenstände verpackten. Hier wird deutlich, dass diese ganz oder teilweise verborgenen Objekte, von ihnen in autonome Skulpturen verwandelt wurden. Ähnlich wie später eine ganze Felsküste in Australien („Wrapped Coast 1968/69), die Brücke „Pont Neuf“ in Paris (1975/85) oder eben der Berliner Reichstag (1971/95). Alle diese extrem aufwendigen Installationen waren gigantische aber vergängliche Skulpturen. Die Interpretation, sie wollten die Aufmerksamkeit auf das unsichtbar gewordene lenken und der gewohnten Wahrnehmung zu entreißen ist läppisch.

wpo christo01Von sämtlichen Projekten werden in der Berliner Schau Entwürfe und große Collagen präsentiert. Diese grafischen Fantasien waren zwar immer Teil der jeweiligen Gesamtkunstwerke, jedoch vor und nach der Verwirklichung zugleich auch eigenständige Artefakte. Christo & Jeanne-Claude finanzierten mit diesen bildnerischen Arbeiten ihre großen Werke. Die in Berlin gezeigten Stücke gehören dem Sammlerpaar Ingrid & Thomas Jochheim, das auch durch ihre Ankäufe die beiden unterstützte.



Fotos:
(c) Christo & Jeanne-Claude, Fotos Wolfgang Volz
Mitte "Valley Curtain", Mitte "Surrounded Islands", Unten "Wrapped Appliqués"

Info:
Ausstellung im PalaisPopulaire  „Christo und Jeanne-Claude. Projects 1963-2020“
Berlin, Unter den Linden 5, Täglich außer Dienstag 11-18 Uhr, Donnerstag bis 21 Uhr Katalog 28 Euro

Siehe auch Teil 1
https://weltexpresso.de/index.php/kunst/19297-viel-viel-mehr-als-ein-verpackungskuenstler