Hanswerner Kruse
Düsseldorf/Kleinsassen-Rhön (Weltexpresso) - Zum kommenden 80. Geburtstag des Düsseldorfer Malers Conrad Sevens präsentierte die Kleinsassener Kunststation (bei Fulda) eine große Werkschau. Als „Ersehnte Landschaften“ wurden bis Mitte Juli ältere und neue Arbeiten des Künstlers gezeigt. „Landschaft“ und „Abstrakt“ gelten als seine zwei unterschiedlichen Stilrichtungen.
Monochrome Bilder suggerieren durch abgestufte, ineinanderfließende blau-violette Farben vage Landschaften. Berge, gelegentlich Flüsse oder Bäume sind im grauen Nebel eben noch erkennbar. Innerhalb dieser Werkgruppe „Landschaft“ verwendet Sevens auch gelbe und rote Farben, durch die man sanfte Phänomene wie die Morgenröte nur ahnt. Statt realer Landschaften gestaltet der Künstler traumartige, unerreichbar wirkende Sehnsuchtsorte, welche seine Stimmung in „verdichteter Emotionalität“ (Sevens) wiedergeben. Daher der Titel dieser Ausstellung „Ersehnte Landschaften“.
Ruhig und harmonisch wirken diese Kompositionen, die uns Betrachter berühren, entschleunigen und der Natur nahe bringen können. Doch in manchen dieser Werke scheint die Natur lediglich zu schlafen, in ihnen spürt man auch ihre unbändige Kraft.
In der zweiten Werkgruppe des Malers, „Abstrakt“, scheint diese Naturgewalt außer Rand und Band geraten zu sein. Schlägt sie zurück? Die Gemälde stellen nichts mehr dar, Farben explodieren, reißen andere auf, grobe Oberflächen bilden Farbreliefs. Die dramatischen Arrangements wirken apokalyptisch, schrecken den Betrachter auf, provozieren widersprüchliche Gefühle - und faszinieren dennoch durch ihre formale Ausgewogenheit.
Der Künstler malt seine Landschaften auf Leinwand mit Ölfarbe, die er immer wieder aufträgt, trocknen lässt, teilweise verwischt und erneut übermalt. Wie ein Tänzer demonstrierte er in der Kunststation vor seinen Gemälden die Verwischungen. Durch diese Lasurtechnik bekommen die Bilder ihre einmalige Tiefe und Leuchtkraft. Für seine krassen Arbeiten der Werkgruppe „Abstrakt“ lässt er dagegen pastös aufgetragene Ölfarben auf Holzplatten leicht antrocknen und traktiert sie dann mit Spachteln. Dadurch entstehen die reliefartigen Oberflächen, in denen, „allein die Farbe die räumliche Tiefe diktiert“, so Sevens, bei denen aber auch „der Zufall eine entscheidende Rolle spielt.“
Zunächst scheint es, als habe er wild drauflosgespachtelt, doch bestimmen seine jahrzehntelangen gestalterischen Erfahrungen die Strukturen dieser Arbeiten. So weit auseinander liegen seine beiden Werkgruppen vielleicht gar nicht: Technik und Bildwirkung sind extrem unterschiedlich. Doch bereits seine Landschaften abstrahierte der Künstler auf das ihm Wesentliche, auf die reine Natur und seine jeweiligen Empfindungen. Dagegen lösen sich die neueren Arbeiten („Abstrakt“) völlig vom Gegenständlichen, mit der Farbe schöpft er neue Wirklichkeiten.
Landschaftsmalerei im weitesten Sinne ist nie völlig aus der modernen Kunst verschwunden. Doch seit sich die Künstler um 1900 herum „auf das Meer des nie Geahnten wagten“ (Adorno), haben sich ihre Absichten und Techniken grundlegend verändert. Deshalb ist die Spannweite des Genres riesig geworden: Aktuell reicht sie von Conrad Sevens immer noch überzeugenden, altmeisterlichen Arbeiten (mit ihren Wurzeln in der Landschaftsmalerei der Romantik) bis zu Anselm Kiefers märkische Landschaften oder Christo & Jeanne-Claudes zeitweilige Eingriffe in die Natur.
Sevens schafft keine gefälligen Landschafts- und abstrakte Gemälde, sondern moderne offene Kunstwerke, die vom Betrachter eine aktive Auseinandersetzung verlangen. Einen Dialog. Seine malerischen Angebote fordern „eine innere Auseinandersetzung mit sich selbst“, meint er. Doch bleibt immer noch das Unbestimmte, der unwägbare Rest in diesen Bildern, der sich, wie bei jedem guten Kunstwerk, nicht völlig rational erfassen lässt. Sonst müsste man nicht malen, tanzen oder komponieren: „Man kann nicht alles in Worten ausdrücken!“ (Sevens).
Gleich nach der Vernissage musste die Werkschau wegen Corona schließen, doch durch wundersame Zufälle konnte sie nach dem Lockdown um zwei Monate verlängert werden. Den Künstler beschäftigte die Pandemie zunächst gar nicht so sehr, denn er hat er einen streng abgeschiedenen Arbeitsalltag: „Seit 20, 30 Jahren konzentriere ich mich nur noch auf die Malerei, ich sehe nur Bilder. Bilder, Bilder, Bilder.“ Dennoch beteiligte er sich an einem Film seiner Heidelberger Galeristin, die darin ihre internationalen Kunstschaffenden virtuell zusammenführte.
Sein Leben lang war Sevens auf zahlreichen Reisen und in seinen Werken immerzu auf der Suche. Derzeit experimentiert er mit kleinformatigen farbintensiven Gemälden, die er als „Mosaike“ zusammenstellt, aber bisher noch nicht zeigte. „Sie sind „wirklich ein Novum“, erklärt er. „Ich bin stolz und freue mich darüber, dass ich auch noch mit 80 Jahren neue Ideen habe und sie auch umsetzen kann.“
Conrad Sevens wurde am 22.08.1940 in Düsseldorf geboren. Als Meisterschüler von Professor Ferdinand Macketanz studierte er Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie und an der Académie des Beaux-Arts in Paris. Heute lebt und arbeitet der Künstler in Düsseldorf.
Foto:
Alle Bilder (c) Sevens
Porträt des Malers vor seinen Bildern © Hanswerner Kruse
Info:
Die nächste Ausstellung zum 80. Geburtstag findet ab dem 25. 10. 2020 in der Galerie Heidefeld in Krefeld statt
Siehe auch Sevens in Weltexpresso