Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ja, auch wenn man schon ein Buch hat, bzw. viele Bücher und Kunstkataloge über diesen sagenhaften Großmaler Peter Paul Rubens, geht einem doch das Herz auf, wenn man beim Aufschlagen des Katalogs dem edlen Herrn in seinem fabelhaften Selbstbildnis - das Paulus Pontius in Kupfer stach - tief in die Augen blickt und dann auf der nächsten Doppelseite eine Beweinung Christi ansieht, in der all der Schmerz zum Ausdruck kommt, den die Kunst auch den Nichtgläubigen fühlen läßt, weil eben bildliche Darstellungen unabhängig von Wissen oder auch Glauben eine Unmittelbarkeit des Ausdrucks, der Erfahrung vermitteln, die jeden Menschen erreicht - so er die Augen aufmacht und schaut.
DIE BEWEINUNG CHRISTI ist eines der großen Themen religiöser Malerei, die auch im Barock noch immer hohe Zeiten hatte, vergleicht man dies mit heute. Ach und es juckt einen geradezu, diese Beweinung mit anderen zu vergleichen, wobei man wissen muß, daß dieses Motiv zu den wichtigsten christlichen Kunst gehörte, als es mit dieser so richtig losging, weil die Trauer der Nächsten über den Tod Christi und für jeden Angehörigen, der stirbt, stellvertretend stand und steht für alle diejenigen, die mitweinen. Und da muß man unabhängig vom Bild doch kurz innehalten und sich verwundert fragen, wo gibt es das denn sonst noch, daß ein Glaube sich über einen Tod definiert, daß dieser Tod, der für die Menschheit geschah, nicht das Ende, sondern den Anfang markiert. Wir können das hier nicht vertiefen, aber es bleibt ein Rätsel, ein Faszinosum, weil es dem Diesseitsgefühl, dem Lebenwollen widerspricht, aber gleichzeitig eben für Gläubige die Hoffnung, daß es nach dem Tod weiterginge, eben zum Ewigen Leben, diese Hoffnung überhaupt erst konstituiert.
Zurück zu unserer Beweinung, die ein Produkt, ja eine Erfindung der individuellen Frömmigkeit des Mittelalters ist, die barockne Ausgestaltung erfährt. Denn in der biblischen Passionsgeschichte kommt die Beweinung überhaupt nicht vor. Da folgt schlicht auf die Kreuzigung die Grablegung.„Alle seine Bekannten aber standen in einiger Entfernung (vom Kreuz), auch die Frauen, die ihm seit der Zeit in Galiläa nachgefolgt waren und die alles mit ansahen.“ (Lk 23,49 EU) ist dann die einzige Stelle, die mit Biegen und Brechen als BEWEINUNG zum Bildmotiv wurde und wo auch in der Tat auf den Bildern mehr Frauen zu sehen sind, denn bei anderen Bildern der Passionsgeschichte.
Es war das Mittelalter, wo die Passionsspiele, die ja aufgeführt wurden, die Stationen zwischen Kreuzigung und Grablegung ausgekleideten. Es gibt noch mehr potentielle Stationen, aber die BEWEINUNG ist eine der prominentesten und sie ist zum Mitfühlen, ein Anspruch der mittelalterlichen Frömmigkeit, auch gut geeignet, weshalb Beweinungen zu den Hauptmotiven mittelalterlicher und der Renaissance Kunst wurdenn - übrigens interessant, zu vergleichen, zu welchen Zeiten welche Bildmotive 'modern', also besonders gebräuchlich waren. Und das bringt uns als Nebengedanke darauf, daß beispielsweise im deutschen Raum die Kreuzigungen mit viel Volk das beliebteste Motiv christlicher Kunst wurde. Warum die Kreuzigung und warum das viele Volk? Aber zurück zu Rubens, was eigentlich ein Vorwärts ist, denn der Antwerpener Peter Paul Rubens (1577-1640) gilt als Stern des flämischen Hochbarock und auch als einer, der wie Rembrandt (1606-1669) danach oder Dürer (1471 - 1528), erst recht die Cranachs (d.Ä. 1472 - 1553; d.J.1515 -1586) davor mit einer großen Werkstatt die Kunst mit dem Kommerz gut vereinbaren konnte, was wir hochschätzen, damit das nicht falsch verstanden wird.
Es zeichnet große Künstler aus, daß sie insbesondere bei bewährten Motiven wie der Beweinung in ihren Werken nicht nur eine individuelle Malweise, den eigenen Strich zeigen, sondern auch das Motiv selbst verändern, bzw. neue Bildideen hineinmalen. Die Schräglage des Körpers, die diesen verkürzt, ist, seit zuerst Andrea Mantegna ihn in extremer perspektivischen Verkürzung vertikal vor unsere Augen brachte, dann seit Hugo van der Goes 1480 das Neueste (allerdings beim Marientod) und auch Rubens lagert den bleichen, fast marmorweißen und überhaupt wie eine Skulptur wirkenden Körper in perspektivischer Verkürzungvon links oben nach rechts unten im Bild , so daß Christi linker Fuß - im Gemälde ganz rechts - mit den Nägelspuren genauso groß ist wie der Kopf, den Joseph von Arimathia oder Nikodemus wie den ganzen Leib unter der Armbeuge stützen - beide sind dabei und helfen. Neu ist die Haltung, ja die Funktion der Gottesmutter Maria. Die ist sonst gramgebeugt und weinend dabei, aber Rubens gibt ihr über die passive Trauer hinaus auch ein Handeln im Bild. Ihre geröteten Augen blicken auf den brechenden Blick des Sohnes, mit ihrer Linken schließt sie ihm die Augen und mit ihrer Rechten zieht sie einen dicken Stachel aus der Stirn, der wohl noch von der Dornenkrone übrige geblieben ist, denkt sich der Beschauer.
Auch die anderen Personen zeigen individualisierte Trauer. Vom Bild her überzeugend, wie auf der Linken die beiden Alten den Leichnam stützen, während auf der Rechten neben Maria vier Weitere, zwei alte Frauen und zwei Mädchen verschiedene Ausdrücke von Trauer zeigen, verdrehte Augen, Tränen, Versteinerung...und die farblich herausstechende Gestalt in rotem Gewand, das muß Johannes der Evangelist sein, der tiefernst und ergriffen dem Geschehen folgt und wie Jesus befahl an der Seite der Maria bleiben wird. Dies ist ein eindrucksvolles Bild, das die Kunst Rubens, Emotionen zu wecken und zu steuern, Ziel jeglicher barocker Kunst, aufzeigt.
Und das war gerademal ein Gemälde, das erste im Katalog, bei dem wir gleich hängenblieben, was natürlich dazu führen muß, daß im nächsten Kapitel mehr vom Katalog die Rede ist.
FORTSETZUNG FOLGT
Foto:
© Veranstalter
Info:
www.dioezesanmuseum-paderborn.de
Ausstellungskatalog
Peter Paul RUBENS und der Barock im Norden, hrsg. von Christoph Stiegemann,
Michael Imhof Verlag, 2020
ISBN978-3-7319-0956-9
Auch die anderen Personen zeigen individualisierte Trauer. Vom Bild her überzeugend, wie auf der Linken die beiden Alten den Leichnam stützen, während auf der Rechten neben Maria vier Weitere, zwei alte Frauen und zwei Mädchen verschiedene Ausdrücke von Trauer zeigen, verdrehte Augen, Tränen, Versteinerung...und die farblich herausstechende Gestalt in rotem Gewand, das muß Johannes der Evangelist sein, der tiefernst und ergriffen dem Geschehen folgt und wie Jesus befahl an der Seite der Maria bleiben wird. Dies ist ein eindrucksvolles Bild, das die Kunst Rubens, Emotionen zu wecken und zu steuern, Ziel jeglicher barocker Kunst, aufzeigt.
Und das war gerademal ein Gemälde, das erste im Katalog, bei dem wir gleich hängenblieben, was natürlich dazu führen muß, daß im nächsten Kapitel mehr vom Katalog die Rede ist.
FORTSETZUNG FOLGT
Foto:
© Veranstalter
Info:
www.dioezesanmuseum-paderborn.de
Ausstellungskatalog
Peter Paul RUBENS und der Barock im Norden, hrsg. von Christoph Stiegemann,
Michael Imhof Verlag, 2020
ISBN978-3-7319-0956-9