Serie: Tutanchamun in Frankfurt am Main, Teil 1/5

 

von Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Tutanchamun in Frankfurt? Und ob! Aber nicht nur da! Und wie es zu der wunderbaren Vermehrung des altägyptischen Pharaos, des vielleicht bekanntesten der Welt und mit 19 Jahren verstorbenen, gekommen ist, erzählen wir später. Erst einmal gilt es die auf 4 000 Quadratmetern größte und perfekteste TUTANCHAMUN-Ausstellung zu würdigen. Nachteil: Kein einziges Ausstellungsstück ist ein Original. Vorteil: Nie haben Sie von den Pharaonen, von Alt-Ägypten und den Ausgrabungen so viel mitbekommen können, wie hier, im Detail so gut gucken können und dabei alles lernen, was Sie schon immer wissen wollten.

 

In der Tat gehören Vorteil und Nachteil bei diesem Konzept, das aus einer privaten Gesellschaft hervorging, und für das in Frankfurt am Güterbahnhof eine eigene gewaltige Ausstellungshalle eingerichtet wurde, unabdingbar zusammen. Das ist, haben wir uns gesagt, wie beim Zuschauen von Fußballspielen. Nie sieht man etwas so gut und kann die Tore exakt verfolgen wie im Fernsehen, sprich Ausstellungshalle, aber das Ambiente, Stimmung und Rausch, das fühlt man im Stadion, sprich Museum mit Originalen, aber am dichtesten wäre man dran, würde man selber mitspielen oder in Ägypten weilen, wenn schon nicht in der Pharaonenzeit.

 

Uns auf jeden Fall hat das Konzept der TUTANCHAMUN-Ausstellung überzeugt, zumal es korrespondierend in Frankfurt im Archäologischen Museum gegenwärtig eine wunderbare Ausstellung – Originale! - zum Totenkult Alt Ägyptens gibt, mit dessen Wissen man zudem TUTANCHAMUN ganz anders anschaut. Wie man sicher andersherum froh ist, nach dem Goldglanz der Superausstellung auch angeschlagene, Gebrauch und Vergänglichkeit atmende altägyptische Schätze zu sehen. Jetzt aber der Goldglanz von all den Grabfunden, die dem legendären Howard Carter am 4. November 1922, also gerade vor 89 Jahren, mit der Entdeckung des lange gesuchten Grabes Tutanchamuns gelangen.

 

In der Ausstellung können Sie nachverfolgen, wie der Mittellose als allerletzten Versuch seinen großzügigen Förderer Lord Carnarvon noch einmal nach Luxor lockte und die Gelder für die allerletzte Grabung erhielt, von dessen Erfolg er sich zwar überzeugt zeigte, die aber dann alle Annahmen weit übertraf, denn nur im Vorraum hatten vor Jahrtausenden/Jahrhunderten Grabräuber schon einmal zugeschlagen, die eigentlichen Grabkammern und vor allem die Sarkophage und Särge waren unberührt.

 

Sie erleben also die Inszenierung dieser Geschichte und die der Alt Ägyptens über mehrere Kanäle und Mittel. Einmal werden Sie zurückversetzt durch historische Filmaufnahmen, die  die Entdeckung Carters dokumentieren, die Bedeutung der Pyramiden erklären – „älteste Bauwerke der Welt“, was nicht stimmt, denn die Megalithkultur auf Malta und die dortigen Tempel stammen aus 4.100 Jahre vor Chr.  -, die virtuelle Reise geht durch die Zeit mit guter Aufbereitung des historischen Hintergrunds dieser 18. Dynastie um 1330 vor Chr., wo Echnaton und Gemahlin Nofretete „die schönste Frau der Welt“ als Eltern gelten, Sohn Tutanchamun aber die Armanazeit mit dem erstmaligen Monotheismus zurückdreht und die alten Götter wieder einführt. Mit Anschauungsstücken wird Ihnen dann das räumliche Gefühl vermittelt, das den Ausgräber Carter in der Vorkammer überkam, wo auseinandergerissene Wagen und fehlendes Gold zeigen: hier war schon einmal jemand, wenn auch vor langer Zeit.

 

Das ist schon ein spannender Auftakt, den sie mit dem Stöpsel im Ohr nachvollziehen, denn die technisch hochgerüstete Ausstellung ist so konzipiert, daß jeder einen Kopfhörer trägt, der sich beim Näherkommen an die Exponate von selbst einschaltet und mit den Erklärungen beginnt. Daß diese Ausführungen tatsächlich gewinnbringend und unabdingbar für einen erfolgreichen Besuch sind, liegt zum einen an der wissenschaftlich aufbereitenden Analyse des Materials, die aber sprachlich in Verbindung mit den Ausstellungsstücken keine Überforderung darstellt. Zudem können Sie vor oder nach dem Hören sich alles noch einmal anschauen, es zwingt sie keiner, nur hörend zu wandeln. Aber Sie haben eben viel davon.

 

So erleben Sie Grabkammer nach Grabkammer, Schrein nach Schrein, Grab nach Grab, denn die mumifizierte Leiche wurde mehrfach geschützt und beim Bergen mußte man die vergoldeten Särge mit Flaschenzügen herausholen. Der dritte Sarg besteht aus massivem Gold, in dem auch vertrocknete Blumen von vor 3000 Jahren gefunden wurden. Sie erhalten per Film auch das notwendige Wissen über die Mumifizierung und das Weiterleben nach dem Tode, das Grabbeigaben erforderte, die auch bei Tutanchamun gefunden wurden.

 

In den Kanopen waren die wichtigsten Organe aufbewahrt und in der Ausstellung werden auch die Uschebtis vorgestellt, die als Statuetten den Toten als Diener beigegeben wurden, um für deren Wohl im Tode zu sorgen, was Nahrung und sonstiges angeht. Denn das Leben ging für die Ägypter im Tode weiter, nur anderswo und anders, bis sie bei genügendem Seelengewicht die Ewigkeit erreichten. Das alles ist zur Welterklärung und zur Ausweitung des eigenen Horizonts  spannend genug.

 

Aber die Ausstellung hat natürlich auch den Anspruch, den Schönheitssinn zufriedenzustellen, so nicht sogar ihn zu begeistern. Das haben die Ausstellungsmacher nun im Verbund mit ägyptischen Kunsthandwerkern erreicht. Wenn richtig ist, daß kein Stück ein Original ist, so ist auch richtig, daß der normale Besucher das nicht selbst erkennen könnte, außer, er verläßt sich auf sein Gefühl, daß nicht alles Gold ist, was so stark glänzt und total neu daherkommt.

 

Aber auch dann muß man rückhaltlos anerkennen, wie technisch hochwertig diese Stücke nachgearbeitet wurden, mit echter Vergoldung und einer Kunstfertigkeit, die insbesondere an der Maske des Tutanchamun zu bestaunen ist, die im Sarg das menschliche Gesicht bedeckte und das Königskopftuch trägt und die Uräusschlange. Stolz zeigen die Ausstellungsmacher auf das Loch auf der linken Seite, das auch das Original aufweist. Das Original hat Augen aus hellem Quarz – hier Glaspaste – und Obsidian für die Pupillen. An dem gestreiften Kopftuch sitzen in Stirnhöhe der Geierkopf der oberägyptischen und der Schlangenleib der unterägyptischen Wappengöttin.

 

Es ist alles vorhanden, was am Original bezaubert. Dieses übrigens darf Ägypten nicht mehr verlassen. Die letzte Gelegenheit war wohl die große Tutanchamun Ausstellung in London. Deshalb war die Entscheidung, wenn schon Replik, dann gleich mehrere durchaus nachvollziehbar. Derzeit ziehen also drei gleiche Ausstellungen rund um die Welt, um den Ruhm der altägyptischen Kunst, aber auch das Wissen um ihre Bedeutung in unsere Köpfe zu tragen. Man muß nur hingehen, zuhören, schauen und sich selbst ein Bild machen. Fortsetzung, auch etwas zur gegenwärtigen Situation der Archäologie im neuen Ägypten, folgt.

 

Bis zum Sommer 2012

HÖRZU WISSEN FORUM

Mainzer Landstraße 124/Güterplatz

 

Info:

Jeden ersten Freitag im Monat ist die Ausstellung von 19 Uhr bis Mitternacht geöffnet und es finden sowohl wissenschaftliche Vorträge wie auch Kurzvorträge und Führungen sowie Galeriegespräche rund um Tutanchamun und das Alte Ägypten statt. Am 2. Dezember kommt der Ägyptologe Wilfried Seipel, bekannt als Ex-Direktor des Kunsthistorischen Museum Wiens (KHM).

Es gibt darüberhinaus ein Festival der ägyptischen Kultur in Frankfurt, auf dem Autoren, Filmemacher, Musiker und zeitgenössische Kunst aus Frankfurts Partnerstadt seit 1979: Kairo zu Gast in Frankfurt sind und über das die Oberbürgermeisterin Petra Roth Schirmherrin ist.Das gesamte Festivalprogramm, zu dem Ausstellungen, Lesungen, Vorträge. Ägyptisches Kino im „Cinema“ u.a. gehören,  findet man unter

www.tut-ausstellung.com/frankfurt/veranstaltungskalender.html

 

Der Zufall oder die Vorsehung will es, daß Frankfurt und rundherum in den nächsten Monaten tatsächlich Frankfurt am Nil heißen kann, denn es gibt verschiedene Aktivitäten, vor allem aber zwei herausragende Ausstellungen, die beide Italien zu verdanken sind.

Bis zum 26. Februar 2012 findet  im Archäologischen Museum in Frankfurt die „Reise in die Unsterblichkeit. Ägyptische Mumien und das ewige Leben statt. Eine wunderbare Ausstellung der florentiner Funde, über die wir berichtet hatten:

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/199-der-tod-als-lebensversicherung

 

Das Historische Museum Speyer zeigt MEISTERWERKIE AUS DEM ÄGYPTISCHEN MUSEUM TURIN vom 11.3. bis 2.9. 2012, wobei die Pfälzer wieder einer Kinder- und Jugendausstellung hinzugeben ÄGYPTENS SCHÄTZE ENTDECKEN zum selben Zeitpunkt. Wir werden darüber berichten.