grenzgang 1535Grenzgänge im Kunstverein Fulda

Hannah Wölfel

Fulda (weltexpresso) - Im Kunstverein Fulda stellen Marlies Pufahl, Gerlinde Kielburger und Wolf Bach ihre Arbeiten zum Thema „Grenzgang“ aus. Die Kunstschaffenden präsentieren eine spannende kontrastreiche Ausstellung, die „zwischen Realität und Fiktion“ changiert, so der Untertitel.


In den Galerieräumen beeindrucken den Besucher gleich auf den ersten Blick die lebensgroßen roten Skulpturen Pufahls. Es sind weiblich wirkende Figuren, die von ihr aus groben, unterschiedlich geformten Keramikplatten zusammengesetzt und schwarz verfugt wurden. Diese Wesen selbst sind erkennbare und doch unbestimmte, zerbrechliche und zugleich kraftvolle Grenzgängerinnen - sie vereinigen in sich diese Gegensätze. Zu ihnen gesellt sich eine reduzierte, gerade noch menschlich wirkende grau-weiße Gestalt. Sie sieht wie ein aus Steinen geschichtetes Objekt aus, das zu zwei Bildern Bachs hinter ihr zu gehören scheint. Darauf sind von ihm getürmte graue Findlinge mit menschlichen Zügen dargestellt, welche er mit „Die Schöne und das Tier“ betitelt.

Als nächstes Objekt irritiert ein Gemälde des Künstlers, das von weitem wie eine mit Felsen umsäumte Meerlandschaft aussieht. Doch in deren Mitte bewegt sich etwas brausend Blau-Weißes. Erst beim Näherkommen erkennt man einen, in das Werk collagierten digitalen Schirm der fließendes Wasser zeigt. Fasziniert geht man vor und zurück, um den Moment des Erkennens zu wiederholen. Auch die weiteren Arbeiten des Künstlers sind Grenzgänge zwischen Abbildern und Collagen, in denen er Malereien rauer Landschaften mit Alltagsmaterialien wie Karton, Sand, Holzstückchen oder Wachs verbindet.

grenzgang 1384Im Kaminsalon staunt man über die rot glühenden Gemälde Gerlinde Kielburgers, die den Betrachter als bedrohliche Wiedergabe der Vulkanausbrüche auf La Palma anmuten. Berge sollen es sein die sie ausstellt, doch die Bilder drücken eigentlich bewusst ihre Gefühle aus. Neben den Gebirgsmassiven könnten auch rasende Fluten oder heftige Stürme die Künstlerin bewegt haben. Ihre Emotionen, etwa Erhabenheit oder Überwältigung, lassen sich beim Betrachten nachempfinden, weil sie die farbkräftigen Gestaltungen oft auf reine Kraft, Bewegung und Dynamik reduziert. Neuerdings experimentiert sie mit Materialien wie Asche, Kaffee oder Eisenspänen, die sie den Acrylfarben untermischt.
Dadurch werden die Oberflächen ihrer Arbeiten leicht reliefartig, was die expressive Anmutung noch verstärkt.

grenzgang 1387Auch Bach hat eine Serie kleinerer Collagen geschaffen, die im weitesten Sinn Landschaften darstellen. Kritisch setzt er sich in den, manchmal abstrahierten Materialcollagen, mit Monokulturen und anderen Umweltsünden auseinander. „Meine Urlaubsbilder“, meint er spöttisch zu den Grenzgängen zwischen Mahnung und Ästhetik. Neben dieser Serie oder den Gebirgen Kielburgers findet man in der Galerie auch kleinere weibliche Figuren Pufahls. Sie sind ebenfalls grob montiert, jedoch unterschiedlich eingefärbt und zeigen im Körperausdruck deutlichere Haltungen. Ohne detailliert ausgearbeitete Gesichter wirken sie erschrocken, mutig oder trotzig.

Kunstschaffende unternehmen per se Grenzgänge, leisten Gratwanderungen zwischen figurativer und abstrakter Gestaltung, Erkenntnis und Vergnügen, Realität und Traum, Kunst und Leben! Sie sind zwar von wirtschaftlichen, politischen und anderen gesellschaftlichen Vorgängen beeinflusst, denn niemand lebt in einer Blase. Doch sie beschreiben (meist) nicht nur die herrschenden Zustände mit künstlerischen Mitteln, sondern setzen dabei unserer gewohnten Welt traumhafte, erfundene oder verstörende Realitäten entgegen. Die Arbeiten aller drei lösen Vertrautes auf und reizen zu freien Assoziationen, dadurch fordern sie auch das Publikum zum Grenzgang heraus.

Info:
„Grenzgang“ noch bis zum 19. Dezember 2021 geöffnet. Do. bis So. 15 - 18 Uhr
www.kunstverein-Fulda.de

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Fotos:
Oben: Lebensgroße Figuren Marlies Pufahls
Mitte: Malerei von Gerlinde Kielburger
Unten: Collage von Wolf Bach
Ganz unten: Blick in die Ausstellung
(c) Hanswerner Kruse