DÜRER. Kunst – Künstler- Kontext im Frankfurter STÄDEL, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Daß diese Ausstellung den „ganzen Dürer“ zeigt, soll heißen, daß zum einen der 'junge' genauso wie der 'mittlere' und auch der 'späte' in die Werkauswahl einfließen, noch stärker allerdings nimmt der Besucher wahr, wie umfassend dieses Werk hinsichtlich der angewandten Techniken ist, von denen die Gemälde schon gewürdigt, die Druckgraphik noch hervorzuheben ist.
Außerdem ist auch der Kontext der Dürerausstellung im Rahmen der Städelausstellungen wichtig. Deshalb betonte Städeldirektor Max Hollein: „Mit seinen reichen Beständen spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kunst gehört das Städel Museum zu den weltweit herausragenden Sammlungen in diesem Bereich. Einen besonderen Schwerpunkt in unserem Ausstellungsprogramm haben wir in den letzten Jahren auf Altmeisterausstellungen gelegt, darunter 'Kultbild' (2006), 'Hans Baldung Grien' (2007), 'Cranach der Ältere' (2007/8), 'Der Meister von Flemalle und Rogier van der Weyden (2008/09) oder 'Botticelli' (2009/10).
Daß dies vorwiegend mit der Tätigkeit des Stellvertretenden Direktors und Kurators Jochen Sander am Städel zu tun hat, fügen wir gerne hinzu, wie auch, daß Sie versuchen sollten, bei dem reichhaltigen Begleitprogramm Vorträge, vor allem aber Führungen durch Jochen Sander mitzumachen, denn auch wenn man selbst viel weiß und dort sieht, sieht man auf einmal noch mehr. Es läge nahe, die auch heute als Buch oder Mappe in großem Format erwerbbare APOKALYPSE, Dürers Holzschnitt der Version des Johannes zu besprechen, dennoch lassen wir diese fast kommentarlos an den Wänden der Ausstellung hängen, wo die APOKALYPSE auf jeden Besucher von alleine wirkt.
Es war eine europaweite Sensation, als diese 1498 erschienen. Das hatte inhaltlich auch damit zu tun, daß für 1500 von vielen der Weltuntergang erwartet wurde.Formal geht es darum, daß wir hier den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit erkennen können. Im Zweispaltensatz erkennen wir noch die Herkunft von der Buchmalerei, was also traditionell ist. Aber mit den dramatisch gestalteten Bildern legte Dürer eine völlig neue bildliche Erzählweise zu den Texten vor. Er benutzte den Holzstich in einer Art, die nicht mehr linear Konturen wiedergibt, was Holzstichen oft etwas Schematisches gibt, sondern konnte die Fläche geradezu plastisch gestalten und eine Lebendigkeit erreichen, was zuvor höchstens im Kupferstich möglich war. Deshalb sagte Erasmus von Rotterdam 1528 – dem Todesjahr Dürers - „Was aber drückt Dürer...nicht alles in einfarbigen Darstellungen, also mit schwarzen Strichen aus?“ War es zuvor üblich, Holzschnitte zu kolorieren, unterblieb das nun, weil die schwarzweiße Aussage nur verlieren konnte.
Wir bleiben beim Holzschnitt, da in Frankfurt die Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. zu sehen ist, die er 1517/18 schuf und die als Riesenholzschnitt mit seinen 36 Papierbögen und ca. 3,50 x 3,00 Metern gefertigt von 195 Druckstöcken, zum größten jemals hergestellten Holzschnitt wurde. Auflage übrigens 700 Stück im Entstehungsjahr. Dieses Exemplar stammt aus Braunschweig und ist koloriert, man kennt dergleichen sonst höchstens aus der Albertina in Wien. Kaiser Maximilian hatte das Vorhaben schon 1506 begonnen und den Architekturrahmen der Ehrenpforte als ikonografisches Programm festgelegt. 1512 beauftragte Maximilian den von ihm höchst geschätzten Dürer – es gibt zahlreiche Porträts des Kaisers von Dürers Hand, die unser Bildgedächtnis bestimmen – mit der Ausfertigung der Ehrenpforte, wobei Dürer von Beginn an mit Albrecht Altdorfer zusammenarbeitete und zwei seiner Mitarbeiter mitbeschäftigte, selbst eigentlich künstlerisch einen kleinen Anteil hatte. Aber dennoch ist es die Ehrenpforte von Dürer. Deshalb muß man abschließend noch einmal auf seinen Geschäftssinn zu sprechen kommen. Vorab jedoch die Klärung, was diese Ehrenpforte soll, wobei es sinnvoll ist, sich die Abbildung zu betrachten.
Der ganze Turmbau auf Papier und an die Wand zu hängen, dient der Erhebung des Hauses Habsburg und seines Vertreters Maximilian I., vergleichbar der Wurzel Jesse, also des Stammbaums Christi. Damit ist eigentlich alles zur Legitimierung des Herrschaftsanspruches gesagt. Doch die beiden Seitentürmen versammeln weitere Herrscherreihen, zum einen antike Kaiser, zum anderen europäische Potentaten als Vorläufer des jetzigen Kaisers. Die Vielzahl der Ereignisse kann nicht geschildert werden, aber neben den Personen geht es auch um Schlachten und andere wichtige Ereignisse. Das wichtigste die Doppelhochzeit von 1515. Dabei geht es um die doppelte Verbindung Österreichs mit Ungarn, weil dessen Ludwig II. Maximilians Enkelin Maria heiratete, und sein Enkel Ferdinand, der Bruder des späteren Karl V., die ungarisch-böhmische Herrschertochter Anna, was dann Österreich-Ungarn begründete.
Schon seit der APOKALYPSE war Dürers Monogramm sein Markenzeichen, vergleichbar einem Copyright. Gemälde herzustellen und sie so fein auszuführen, wie Dürers Qualitätsmaßstab, sein Hang zur Perfektion, es für ihn nötig machte, war kaum mehr von den Auftraggebern zu bezahlen. Holzschnitte aber und Kupferstiche konnten in ganz Europa verbreitet werden und waren von daher ökonomisch besonders sinnvoll, einmal ganz abgesehen davon, daß man sie gut transportieren konnte. Eine Werkstatt zu unterhalten, in denen Dürer Entwürfe anlegte, andere diese ausführten, war ein praktizierbares Verfahren, das zu Beginn der Neuzeit neue Geschäftsmodelle brachte.
Es wäre aber einseitig pekuniär gedacht, wenn man mit dem Drucken der Dürerwerke für die Massen – na ja, erst einmal für die gehobenen Leute – nicht auch den Aspekt für das entstehende Bürgertum positiv würdigte, daß dies sozusagen ein 'demokratisches' Verteilermodell in den Kunstbetrieb brachte und neue Schichten Kunst kauften, was das 19. Jahrhundert dann bezogen auf berühmte Drucke wie die BETENDEN HÄNDE oder DER HASE dann auch in die Kleinbürgerwohnungen brachte. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte namens Dürer, die man sich als Ausstellung im Frankfurter Städel nicht entgehen lassen sollte.
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Bis 2.Februar 2014
Katalog:
Dürer. Kunst-Künstler-Kontext, , hrsg. von Jochen Sander, Prestel Verlag 2013
Eine fulminante Ausstellung braucht auch einen fulminanten Katalog. Den hat Jochen Sander im Verbund mit vielen Mitstreitern – darunter auch vom ehemaligen Städelmitarbeiter Stephan Kemperdick, jetzt Kustos in der Berliner Gemäldegalerie – geleistet. Und zwar in einer für den Ausstellungsbesucher und Leser besonders günstigen Form. Oft wird in Katalogen in erhofften tiefgehenden Analysen in seitenlangen Essays die Kunstgeschichte befragt und fortgeschrieben und im Katalogteil dann die Werke der Ausstellung nur abgebildet. Das ist hier anders.
Nach einer Einführung von Jochen Sander DÜRER IN FRANKFURT, erfolgen an Dürers Werkbiographie entlang in 17 Kapiteln die Hintergründe und Interpretationen der ausgestellten Arbeiten, die mit fortlaufenden Katalognummern versehen, dann auch direkt im Bild zu sehen sind. Dadurch verbinden sich Text und Abbildung glücklich. Gleich im ersten Kapitel von Karoline Feulner ZU TRADITION UND INNOVATION: DÜRERS GOLDSCHMIEDELEHRE ALS GRUNDLAGE FÜR SEINE DRUCKGRAPHIK, erfreut einen einfach auf den Seiten 29 und 30, wenn rechts die Federzeichnungen eines Heiligen Georg und Heiligen Christophorus zu sehen sind, und man links im farbigen Porträt einer in ihrem Stundenbuch lesenden Frau von Ambrosius Benson Dürers Schmuckvorlage als gewaltigen Anhänger auf der Brust der jungen Dame sehen kann. Für Kunsthistoriker eine Bestätigung, daß Dürers Schmuckzeichnung ausgeführt wurde, wofür meist die Beweise fehlen. Die besondere Zeichenfertigkeit Dürers, das liest man später, geht eben auch auf seine Goldschmiedeausbildung des Entwerfens zurück.
In „Nach mir selbs kunterfet.“ BILDNISSE UND SELBSTBILDNISSE, dem vierten Kapitel, untersucht Stephan Kemperdick die Entwicklung der Porträts und Selbstporträts, eine der auffälligsten Merkmale Dürers, der sich schon mit 13 Jahren mit einem Silberstift zeichnete, bzw. sein Konterfei im Spiegel abzeichnete. Zwar sind die beiden 'großen' Selbstbildnisse, der sogenannte pelzverbrämte Christus aus München von 1500 und der Hübsche aus Madrid von 1498 nicht ausgestellt, aber beim Kataloglesen versteht man, daß es hier um etwas ganz anderes geht. Nämlich zu eruieren, welche Vorbilder der Zeichner, aber auch der Maler Dürer wirklich hatte, der bei Michael Wohlgemut Nürnberg in die Lehre ging. Eindeutig niederländisch, faßt Kemperdick zusammen und führt zudem zum beeindruckenden Vaterbildnis aus Florenz, das letztes Jahr in Nürnberg zu sehen war, jetzt nicht nach Frankfurt durfte, dem Pendant der Barbara Dürer, die in Frankfurt hängt, aus, daß dieses wahrscheinlich gar kein Vaterporträt Dürers des Jüngeren sei, sondern ein Selbstbildnis Albrecht des Älteren. Das muß man erst einmal verdauen, denn es ist eine der schönsten Tafeln, „eyckischer als irgendein deutsches Porträt des 15. Jahrhunderts“, wie Kemperdick seinen Kollegen Winkler zitiert.
Schluß. Wir sind erst auf Seite 98, der Katalog umfaßt 400 Seiten und hat neben der Gewichtigkeit auch das entsprechende Gewicht. Das allerdings lohnt!