Corinne Elsesser
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die zweite in der Ausstellung "zurück ins Licht" geführte Künstlerin ist Ruth Cahn. Sie konnte, wie auch Erna Pinner, Deutschland 1935 noch rechtzeitig verlassen und floh mit ihrem jüngeren Bruder Arthur nach Santiago de Chile.
1875 in Frankfurt geboren, stammte Amalie Leontine Ruth Cahn aus einer alten jüdischen Familie, deren Wohnhaus "Schwarzer Adler" schon 1505 in der Frankfurter Judengasse verzeichnet ist. An ihrem Lebensweg wird das Schicksal der "Verlorenen Generation" besonders deutlich, Malerinnen und Maler, deren blühende Karrieren durch den Nationalsozialismus brutal durchkreuzt wurden und die, falls sie es überhaupt ins Exil schafften, dort nicht wieder an ihre Erfolge anknüpfen konnten.
In ihrem in gold-ocker gefassten "Atelierraum" in der Ausstellung - die Farben erinnern an das in "schwarzem Samt und goldenem Chintz" ausgestaltete reale Atelier - werden ihre bis heute ausfindig gemachten Gemälde gezeigt. Schon allein dies verweist auf viele Leerstellen in ihrer Biographie, auf offene Fragen bezüglich ihres Gesamtwerks und nicht zuletzt auf jahrelange Recherchen der Kuratoren Eva Sabrina Atlan und Dennis Eiler.
Im September 1984 wurden im Frankfurter Auktionshaus Arnold sechs Bilder Cahns versteigert. Aufgrund unzureichender Dokumentation konnte nur eines davon in einer Privatsammlung ausfindig gemacht werden, das nun in der Ausstellung zu sehen ist. Es zeigt das Portrait einer "Frau im lila Kleid" aus den 1920er Jahren. Die Malerin reduzierte ihre Palette auf wenige Farbtöne und konzentrierte sich auf den intensiven, melancholisch anmutenden Blick ihres modisch gekleideten Modells. Gemälde von Parklandschaften changieren, wie die Damenportraits, zwischen expressionistischer und fauvistischer Formensprache. So wird Cahns Blick auf das "Palmenhaus im Palmengarten" von 1924 in seiner Ausdruckskraft durchaus mit Max Beckmanns Sicht auf "Das Nizza in Frankfurt am Main" (1921) vergleichbar. Eine expressionistische Künstlerin ersten Ranges.
Ihr Ausbildungsweg führte sie 1906 in die Damenklasse von Max Feldbauer nach München und in den 1920er Jahren nach Paris, wo sie ihre Studien bei Kees van Dongen und Othon Friesz fortsetzte. Schon 1919 war sie mit Einzelausstellungen in der Kunsthandlung Heinrich Trittler und später im Frankfurter Künstlerbund bekannt und von der Kritik hoch geschätzt worden. Ihre Gemälde wurden bei Ludwig Schames in Frankfurt, einem Förderer expressionistischer Künstler, ausgestellt wie auch international 1924 in den Galeries Dalmau in Barcelona und 1928 im Salon de la Jeune Peinture in Paris.
Mit ihrer Flucht aus Deutschland beendete Ruth Cahn 1935 ihre Malerei. Ihr Bruder konnte sich dagegen in Chile etablieren und führte ab 1937 ein Elektronikwarengeschäft. Nach seinem Tod 1952 ging Cahn nach Barcelona zur Familie ihres zweiten Bruders Robert. Doch immer, so betont ihr Grossneffe Christian Peña Cortés heute, dachte sie an Frankfurt zurück und entschied sich 1961 schließlich, dorthin zu gehen, "wo sie hingehöre". Sie bezieht eine Wohnung in der Kronberger Strasse in der Nähe ihres geliebten Palmengartens. 1966 stirbt sie vereinsamt und vergessen. Ihre letzte Ruhestätte fand sie, ganz ihrem Wunsch gemäß, auf dem Neuen Jüdischen Friedhof.
Fotos:
© Jüdisches Museum
Info:
Katalog: Eva Sabrina Atlan, Mirjam Wenzel (Hrsg.): „Zurück ins Licht. Vier Künstlerinnen – Ihre Werke . Ihre Wege“, Kerber Verlag 2022 (196 S.), ISBN 978 3 7356 0856 7
© Jüdisches Museum
Info:
Katalog: Eva Sabrina Atlan, Mirjam Wenzel (Hrsg.): „Zurück ins Licht. Vier Künstlerinnen – Ihre Werke . Ihre Wege“, Kerber Verlag 2022 (196 S.), ISBN 978 3 7356 0856 7