Serie: MAX SLEVOGT: Vier Ausstellungen in Mainz und auf Schloß Villa Ludwigshöhe in der Pfalz, Teil 5

 

Claudia Schulmerich

 

Mainz (Weltexpresso) – Die erste Retrospektive auf Max Slevogt nach langer Zeit im Mainzer Landesmuseum ist tatsächlich so umfangreich und auch schwergewichtig, daß wir im Folgenden nur Schneisen schlagen können, die nur zum Teil entlang den drei Ausstellungsbereichen verlaufen.

 

 

Ein starker Auftakt findet mit BAL PARÉ – Selbstbildnis mit Gattin, gemalt 1904, statt, denn hier wird der Ausdruck Malerfürst selbst zum Bild. Es zeichnet große Herren seit jeher aus, daß sie sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern sich mit dem umgeben, was sie schmückt. Hier ist es Madame Slevogt, die mit knappem Seitenblick auf uns – denn daß wir aufmerksam und leicht überwältigt blicken, das erwartet sie schon – weiterschreitend, uns kurz, aber deutlich den Glanz ihrer Anwesenheit bietet. Gestützt auf ein elegantes Promenadenstöckchen fällt zuallererst der überdimensionierte federbesetzte Hut auf, der ihr Gesicht leicht verschattet, das von den blonden Haaren umrahmt von der Büste her wie auf Rüschen gebettet erscheint, die die gesamte Büste umspielen, diese aufblähen, dadurch ihre Figur weich und verspielt erscheinen lassen – und außerordentlich wohlhabend, denn das goldgetönte Kleid trägt im unteren Teil erneut Rüschenbesatz in sechs gestaffelten Lagen, die in eine Schleppe auslaufen. Welch eine Dame der höheren Gesellschaft, denkt man von der schicken Berlinerin, die Slevogts Ehefrau Nini aus der Südpfalz stammt, dort, wo er später in Neukastel zu Hause sein wird.

 

Und das Selbstbildnis beim „Selbstbildnis mit Gattin“? Doch, doch, Max Slevogt ist auch dabei. Er beugt sich hinter seiner Ehefrau leicht nach vorne, uns direkt, durchaus kritisch musternd. Unsere Augen fühlen sich an wie ein Spiegel, denn sein Gesichtsausdruck wirkt, als ob er sich in uns selbst betrachtet, nämlich, ob er seiner Gattin auch den entsprechenden Rahmen bieten kann. Was uns neu ist, ist die Deutung dieses Bildes als „Moderne Eleganz im japanischen Format“, was sagen will, daß am Bild auffällt, daß beide Köpfe direkt an den oberen Bildrand drängen, während unten die Bodenfläche fast ein Fünftel des hochformatigen Gemäldes einnimmt. Dies schafft Distanz zum Betrachter, ist Absicht und Kennzeichen japanischer Kompositionsweise, die Ende des 19. Jahrhunderts in Europa Furore machte, steht sie doch diametral zum seit dem Mittelalter traditionellen europäischen Bildaufbau: Unten auf dem Boden stehen die Füße, oben am Kopf ist Platz bis zum Himmel.

 

Natürlich können wir derart nicht die übrigen rund 85 Gemälde und 140 grafischen Blätter vorstellen. Darum geht es auch gar nicht, sondern darum, deutlich zu machen, wie viel man beim genauen Betrachten der einzelnen Bilder wirklich sehen kann, wenn man sich seine eigenen Gedanken macht. Denn dies bleibt auch in der Erinnerung haften. Dazu gehört auch, daß wir verstehen lernen, warum Max Slevogt München den Rücken kehrt und in Berlin sein Glück versucht und findet. Seine Münchner Bilder zeigen den dunklen Ton, der für die damalige akademische Malerei angesagt war. Aber auch ein Bild wie RINGERSCHULE von 1893, das ja die dunkle Malweise aufnimmt, hat dennoch Anstoß erregt, denn nackte Männer, die sich am Boden wälzen, ist kein Sujet, daß die wilhelminische Gesellschaft schätzt – auch, wenn es Bayern sind.

 

Das ändert sich umgehend, als Slevogt in Berlin in den Kreis der Seccionisten gerät, die seine Meisterschaft sehr schnell anerkennen. Mit DAS CHAMPAGNERLIED ist ihm dann 1902 gleich ein Lieblingsbild seiner Zeit gelungen. Der als Don Giovanni auf der Bühne abgebildete portugiesische Bariton Francisco d'Andrade ist mehrfach sein Modell. Das hat auch mit des Sängers Profession zu tun. Slevogt sang selbst sehr gerne und bevor er das Malstudium aufnahm, war eine Gesangsausbildung durchaus eine Alternative. Dieses Gemälde in den Maßen 215 X 160 cm ist wirklich ein impressionistisches Paradestück, denn es zeigt, wie man mit Farbe und Licht das Wesentliche: den Sänger in Siegerpose, hervorholt und doch durch den locker skizzierten Hintergrund – das Bühnenbild – das Atmosphärische bestimmt. Bilder haben ihre Geschichte und an dieser Stelle wird auch ein Prinzip der Ausstellung sichtbar. Denn die ebenfalls 1902 gefertigte, wohl dritte Federskizze zum Gemälde hängt hier auch. Sie ist aus dem Grafischen Nachlaß, der nun von den Erben nach Rheinland-Pfalz verkauft wurde und einen Teil dieser Ausstellung bereichert.

 

Sehr ungewöhnlich dann die Bildergruppe IM FRANKFURTER ZOO. Vor Berlin war Slevogt also im Jahr 1901 länger in Frankfurt. Nach eigenen Angaben malte er 29 Ölbilder und unzählige Zeichnungen und Aquarelle. Großkatzen sind die bevorzugte Gattung: Tiger, Leoparden, Löwen. Doch sind es gefangene Tiere, dies steht eindeutig im Vordergrund, auch bei den Affen, die uns traurig und weise anschauen. Diese Bilder sollen Lust auf die übrigen machen, die in Mainz bis zum 12. Oktober zu sehen sind.

 

 

Katalog:

 

Max Slevogt. Neue Wege des Impressionismus, hrsg. Direktion des Landesmuseums Mainz, bearbeitet von Sigrun Paas, Hirmer Verlag 2014

Das lichte Grün - Titel, Umschlag und erste Seiten - erinnert deutlich daran, daß wir mit Max Slevogt den unter den deutschen Impressionisten haben, der der Landschaft das allergrößte Gewicht in seinem Œuvre gab. Das zieht sich auch durch die herrlichen großformatigen Abdrucke. Der Katalog teilt sich in zwei Abteilungen. Das eine sind drei Essays, die sich mit der Ausgangssituation in München, der Wesensart des Slevogtschen Impressionismus und der impressionistischen Grafik, was deshalb so wichtig ist, weil der Anlaß ja der Aufkauf dieses aus dem Nachlaß ist, der teilweise mit ausgestellt ist.

 

Für den 'normalen' Museumsbesucher sind die Abbildungen der gezeigten Werke und ihre Interpretationen meist das Wesentliche. Diese Wiedergabe ist hier derart gelöst, daß unter SLEVOGTS SELBSTBILDNISSEN als Erstes eine Würdigung der Kuratorin Sigrun Paas erfolgt, in der die auf den folgenden 14 (!)Seiten mit 22 abgebildeten Zeichnungen und Gemälde angesprochen werden. DRINNEN WIE DRAUSSEN – Die Familie Slevogt in Neukastel nennt sich der zweite Teil, wo nach der selben Manier die schriftliche interpretatorische Zusammenfassung am Anfang ausweist, der die vielen Bilder folgen, die zeigen, welch Schwerpunkt das Familienleben in der Pfalz für den Maler hatte.

 

In zwölf weiteren Titeln werden die insgesamt rund 85 Gemälde und 140 grafischen Blätter subsummiert. Allesamt erhellende Texte und eine gewollt-gekonnte Zuordnung der Bilder, die man manchmal auch unter anderer Themenstellung eingruppieren könnte. Es folgen weitere drei kürzer Essays, die sich mit Slevogts Farbe , seinem Nachlaß und seinen Schriften zur Kunst beschäftigen. Sein Leben in Stichworten und die Literaturangaben komplettieren diesen übersichtlichen und notwendigen Katalog, weil es zu Slevogt so viel nicht gibt!

 

INFO I:

 

Neben der GDKE Rheinland-Pfalz stellt auch die Gemäldegalerie Neue Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Max Slevogt dieses Jahr ins Zentrum einer Schau zu ihrem zahlreichen Bestand an Ägypten-Bildern, die der Künstler anlässlich seiner Reise 1914 machte: „Nach Ägypten! Die Reisen von Max Slevogt und Paul Klee“ vom 30. April bis 3. August 2014.

 

Auch die Internationalen Tage Ingelheim vom 5. April bis zum 15. Juni 2014 zeigen eine thematisch ähnliche Ausstellung „Von Liebermann bis Nolde. Impressionismus in Deutschland auf Papier“.

 

 

INFO II:

 

Ausstellungsdauer: 05. Mai 2014 bis 12. Oktober 2014

Öffnungszeiten: Dienstag 10:00 bis 20:00 Uhr

Mittwoch-Sonntag 10:00 – 17:00 Uhr

Montags geschlossen

 

 

www.landesmuseum-mainz.de

www.rdke.rip.de

www.max-slevogt-galerie.de

www.schloss-vill-ludwigshoehe.de