Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Wenn man an Valie Export denkt, erinnert man sich an die spektakulären Bilder in den 1960er-Jahren, auf denen sie den Künstler Peter Weibel, wie einen Hund an der Leine, quer durch Wien führt. Durch das Gassigehen hinterfragte sie „Aus der Mappe der Hundigkeit“, einst sarkastisch die damaligen Geschlechterverhältnisse im Tiervergleich.
Oder vor dem Wiener Albertina trug sie einen Karton, den „Kinosaal“ vor dem Oberkörper, die Passanten konnten für kurze Zeit ihre nackten Brüste befummeln, jedoch nicht ansehen. Diese Performance „Tapp und Tastkino“, sollte den voyeuristischen Blick auf den weiblichen Körper offenbaren. Auf Postern in diversen Farben posierte die Künstlerin mit viel Leder als harter Mann verkleidet, kaum erkennbar trug sie eine Pistole in der Hand. Die Hose im Schambereich war aufgerissen, dadurch sah man ihre Behaarung: „Aktionshose: Genitalpanik“, hieß die Bilderserie.
Mit diesen, auf Fotos festgehaltenen Aktionen, provozierte die österreichische Performance- und Aktionskünstlerin Ende der 1960er-Jahre die bürgerliche Kunstwelt. Zu sehen sind diese Werke derzeit in einer Retrospektive im c/o in Berlin, im ehemaligen Amerikahaus am Berliner Bahnhof Zoo. Die Aktionen waren kein schockierender Selbstzweck, sondern eingebettet in EXPORTs feministische Kritik: Sie untersuchte die Rolle der Frau in der patriarchalen Gesellschaft, ihre soziale Marginalisierung und die Funktion des weiblichen Körpers in der Öffentlichkeit.
Eine eher unbekannte Installation, die „Body Sign Action“, steht im Zentrum der Ausstellung. Schon von weitem hört man, unaufhörlich nerviges Hundegebell, wenn man in den Saal kommt, trifft man auf das lebensgroße Bild einer nackten, auf dem Boden festgeschnallten Frau. Aus drei TV-Monitoren wird sie grimmig von Schäferhunden angebellt. Ganz sicher kann man kaum besser die Situation der sich emanzipierenden Frauen, in der Mitte des letzten Jahrhunderts in Westeuropa, auf den Punkt bringen.
Es sind weitere Objekte, Aktionen und Statements der Künstlerin im c/o ausgestellt, die weniger spektakulär und eher konzeptionell wirken. Im Mittelpunkt des letzten Saales ist EXPORTs riesige Installation „Fragmente der Bilder einer Berührung“ von 1994 zu sehen. 18 leuchtende Glühbirnen tauchen immer wieder vollständig in mit Öl, Milchersatz oder Wasser gefüllte Zylinder ein und werden wieder herausgezogen. Dazu heißt es zur Erklärung in einer Wandzeitung:
„Die Flüssigkeiten brechen das Licht auf unterschiedliche Weise und schaffen dadurch eine unmittelbare sinnliche Erfahrung. Diese nimmt in einer filmischen Analyse ihren Ausgang. So stimmt die Auswahl von 18 Glühbirnen mit der Anzahl von Einzelbildern überein, die bei der Projektion des Filmstreifens im Kino pro Sekunde mindestens nötig ist, um Bewegung flüssig wahrzunehmen. Darüber hinaus entspricht die schwarze, weiße oder transparente Flüssigkeit den Farbwerten des durchleuchteten Schwarz-Weiß-Films. In diesem Sinne versteht VALIE EXPORT Fragmente der Bilder einer Berührung als filmische Arbeit, als „reinen Schwarz-Weiß-Film". Zudem schwingt in der Berührung von Wasser und Elektrizität ein Moment des Risikos mit.“
Fotos:
Oben: Eingang zur Ausstellung © Hanswerner Kruse
Unten: „Fragmente der Bilder einer Berührung“ © Hanswerner Kruse
Mitte: VALIE EXPORT Tapp-und-tastkino 1968 © Foto Werner Schulz VGBildkunst Bonn 2023
Mitte: VALIE EXPORT Aktionshose-Genitalpanik 1969 © Foto Peter Hassmann. VGBildKunst Bonn 2023
Info:
Die Ausstellung ist noch bis zum 21. Mai 2024 geöffnet.