Biennale 310960. Biennale in Venedig (9) Ende

Hanswerner Kruse / Hannah Wölfel 

Venedig (Weltexpresso) - Auf der 60. Biennale gibt es neben genähten oder bestickten Textilien, naiven Bildern wie von Kinderhand oder ornamentaler Volkskunst auch anspruchsvolle zeitgenössische Kunst. Heute fassen wir unsere bisherigen Texte noch einmal kurz als Wiederholung zusammen.


Das Ausstellungskonzept „Fremde überall“ passe zum zeitgeistigen Mainstream und habe etwas Anbiederndes, schrieb vorab die Neue Züricher Zeitung. Auch nach dem Beginn gab es Kritik am Konzept des brasilianischen Kurators Adriano Pedrosa und  überdies antisemitische Proteste zweitklassiger Kunstschaffender. Doch anders als bei der documenta fifteen steht hier der Diskurs über aktuelle Kunst im Fokus des Festivals, das seit langem zweigeteilt ist: In vielen Hallen der Arsenale, einer steinalten Schiffswerft, und im neu grellbunt bemalten Palast in den Giardini, werden Werke präsentiert, die der Kurator zum Thema der zentralen Biennale-Ausstellung auswählte. Er lud 332 meist unbekannte Kunstschaffende ein.

Biennale 3214Beide Orte beginnen mit spannenden Arbeiten, in den Arsenalen mit dem „Refugee Astronaut“, einer lebensgroßen, in afrikanisches Tuch gewickelte Raumfahrer-Figur. Und im Eingang mit der Lichtinstallation von Maori-Künstlerinnen, die zeitgenössische Kreationen mit regionalen Wurzeln verbinden und dafür einen Goldenen Löwen bekamen. Ansonsten schmiegen sich in den halbdunklen Hallen viele Objekte faszinierend an die verrotteten Wände, die vergitterten Fenster und die maschinellen Überbleibsel der einstigen Werft.


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Zwischen Kitsch, Kunstgewerbe und Folklore überraschen faszinierende Wandteppiche mit surrealen Motiven oder riesige traditionelle Farbscherenschnitte mit sexuellen Motiven. In der zentralen Schau in den Giardini empfängt uns ein Nomadenzelt, eine Zuflucht und doch ein Gefängnis für Frauen. Es folgen faszinierende Malereien einer Outsider-Künstlerin. Andere Bilder werfen Fragen auf: Hat Picasso sie abgeguckt oder ahmen die Enkel lokaler Künstler im globalen Süden ihn nach?

Im Giardini stellten bisher 29 Länder einheimische Kunstschaffende in ihren Gebäuden vor. In etlichen Arsenale-Hallen waren 24 Nationen vertreten und zeigten beliebige aktuelle Kunst. Diesmal übernahmen jedoch viele das Thema „Fremde überall“. Auch wenn für die Pavillons oft Kreative mit einheimischen Wurzeln berufen wurden, sind deren Arbeiten nicht durch verbissene postkoloniale Propaganda überfrachtet oder gestalterische Naivität geprägt. Das ist kein Wunder, denn viele von ihnen leben in Metropolen; die Queeren allemal, die der Kurator den „Fremden“ zuordnete.

Biennale 3488Der eindrucksvollste Beitrag ist im saudi-arabischen Pavillon zu sehen. Das riesige Labyrinth blattartiger Skulpturen füllt eine ganze Halle, die Ränder der Objekte wirken verbrannt. Die Oberflächen sind bemalt oder beschriftet: „Let me be“, fordert ein darauf gekritzeltes Weib. Die Künstlerin Manal Al Dowoyan führte Workshops mit etlichen Araberinnen durch, die sie mit Zitaten über deren vermeintliche Opferrolle konfrontierte. Die Reaktionen der Frauen sind den Skulpturen eingeschrieben, ihre Kraft und ihr Mut sind in dem aufwühlenden Environment spürbar.


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Vor dem Französischen Pavillon laufen auf einer Leinwand surreale Explosionsbilder. Das Innere ist mit farbigen Zweigen und bunten Lianen versponnen, dazu Klänge sanfter, rhythmischer World-Music. Kolossale Unterwasservideos im Hintergrund zeigen hybride Gestalten, Rochenfrauen und männliche Kraken. Über dieses Meer zogen einst die Kolonialherren. Auffällig ist die traumhafte Fröhlichkeit, mit der der Künstler Julien Creuzet aus Martinique die Kolonialzeit überwindet und diverse Kulturen friedlich zusammenbringt.



Die Beispiele verdeutlichen, dass sich ein Besuch dieser Biennale trotz ihrer Ambivalenz lohnt; sie ist immer noch die größte, interessanteste und meistbesuchte Kunstausstellung der Welt.

Fotos
© Hanswerner Kruse / Hannah Wölfel

Service
Die 60. Biennale geht noch bis zum 24. November!
Für den Besuch des Festivals sollte man mindestens drei Tage einplanen, dazu kommen noch die „Collaterali“, die Nebenveranstaltungen in Museen sowie weiteren in der Stadt verstreuten Ausstellungen und Länderpavillons. 

Ein Tipp:
Mit booking.com kann man mit Lufthansa nach Venedig fliegen und zahlt insgesamt mit 5 Übernachtungen in der Nähe des Giardini nur ab 820 Euro