„ Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Porträt um 1500“ in der Hypo Kunsthalle München, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

München (Weltexpresso) –Die Ausstellung kann in je eigenen Räumen auch das gewaltige Werk von Lucas Cranach, der 81 Jahre wurde, komprimiert wiedergeben. Wurde bei Dürer durch Wink von oben schon immer „das Deutsche“ seiner Kunst besonders belobigt, so wären die Protagonisten der Reformationszeit ohne Cranach, den Hofmaler der sächsischen Kurfürsten in Wittenberg, nie derart tief und eindeutig im kulturellen Gedächtnis der Deutschen als Bild verankert. Das gilt für Martin Luther und seinen Widersacher Albrecht von Brandenburg genauso wie für die sächsischen Kurfürsten.

 

Hans Holbein d.J. führt dies mit Luther und vor allem Erasmus von Rotterdam fort; die Ausstellung zeigt sehr gut, wie sowohl das Repräsentative, wie auch die verschärfte Wirklichkeitsauffassung von Holbein malerisch das Individuum, das der Mensch nun längst sein darf, auf die Leinwand zwingt. Was uns diese Ausstellung aber so loben läßt, sind darüberhinaus all die Maler, deren Bilder man schon in den verschiedenen Museen gesehen hat, die aber hier dicht mit den Malerkollegen ihrer Zeit vereint, beweisen, wie früh und wie vielfältig eine deutsche Schule das Bildnis schon meisterhaft werden läßt. Jeder ist abbildbar. Die Vielfalt des Menschen macht an den Klassenschranken nicht halt. Auch nicht im Bildnis..

 

Es sind die regionalen Schulen, sehr oft eben auch die Nürnberger Meister, die Tiroler, Schwäbischen, mittelrheinischen, Augsburger, Schweizer u.a. Meister, die in der Darstellung des Menschen zeigen, daß sie das Individuelle im Bild längst erfaßt haben, als die gesellschaftlicher Wertigkeit für Bürgerliche oder sogar das einfache Volk noch gar nicht abgesichert war. Wir haben in der Ausstellung 72 verschiedene Künstler gezählt, von denen 15 nur Notnamen haben, weil sie bis heute unbekannt sind, deren Qualität als Maler einen vor ihren Bildern staunen läßt. Das sind Glückserlebnisse so nebenbei.

 

Das Herz geht einen auch auf bei den wohlbekannten Namen wie Hans Baldung Grien (1484/5-1545, Hans Burgkmair d.Ä. , Hans Süß von Kulmbach, Hans Maler, Hans Mielich, Hans Schäufelin vom Oberrhein, Hans Schwarz aus Augsburg, Hans Brosamer aus Fulda, Hans Daucher aus Ulm, Hans Döring (eigentlich Hans Ritter) aus Oberfranken, Hans Kels d.J. und d.Ä., Hans Krafft d.Ä. aus Nürnberg, Hans Wertinger aus Ulm, - doch das fällt bei dieser Überblicksausstellung auch auf, welcher Modename Hans war - , bei Christoph Amberger aus Augsburg, bei Barthel Beham aus Nürnberg, Wolf Huber aus Feldkirch, Jakob Seisenegger aus Niederösterreich, Bernhard Strigel aus Memmingen, Martin Schaffner aus Ulm, deren Bilder in der Ausstellung nur Beispiele sein sollen für die hohe Qualität, die allerorten in deutschen Landen das Bildnis des Menschen für die Zukunft festgehalten hat. Deren Zusammenholen war für uns das eigentliche Ereignis dieser Ausstellung.

 

Die Zeichnungen, die Grafik, die vielen Porträtbüsten, sie alle sind wieder einmal zu kurz gekommen. Dabei hat insbesondere die Zeichnung seit dieser Zeit eine spezielle Funktion. Sie war auch das Erste, was der „Kunde“, der Auftraggeber, der sich nun gegenüber der Kirche immer stärker durchsetzt, zu sehen bekam und nicht selten war er es, der sein Bild von sich selber auch dem Künstler als Forderung aufdrückte. Erfolgreich, wie dann Veränderungen im fertigen Gemälde von Simon George von Hans Holbein d.J. von 1935 aus dem Städel Frankfurt gegenüber der vorbereitenden Zeichnung, die in London ruht, beweisen.

 

 

Bis 15. Januar 2012

 

Katalog: Dürer, Cranach, Holbein. Die Entdeckung des Menschen: Das deutsche Porträt um 1500, Hirmer Verlag München 2011. Karl Schütz, der ehemalige Leiter der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums Wien und Kurator der Ausstellung hat im Katalog unter dem Tenor: „Das Unsichtbare sichtbar machen“ zum deutschen Porträt um 1500 eine Einführung verfaßt, in der die Funktionen des Abbildes noch einmal zusammengefaßt werden und der Hinweis erfolgt, was denn nun das Neue am Bildnis um 1500 sei und wie sich das bürgerliche Porträt aus einem der letzten Stifterbilder im alten Stil, Holbeins Darmstädter Madonna  entwickelt habe.

 

Stephan Kemperdick, der vor Jahren eine hervorragende Ausstellung des frühen Porträts in Basel gezeigt hatte, stellt im Katalog die Anfänge vor Dürer dar und betont darin, wie fließend die Übergänge sind und wie wenig jedes Bild von vorhinein als autonom gelten dürfe. Karl Schütz nimmt sich Albrecht Dürer vor und Jochen Sander, Stellvertretender Direktor des Städel Frankfurt und ausgewiesener Holbeinkenner, bewertet dessen Baseler und Londoner Jahre. Insgesamt sind so zwölf Ausarbeitungen zu einzelnen Themenkomplexen der Ausstellung zustandegekommen, die jede für sich einen neuen Aspekt der Bildnisse aufzeigen. Den Aufsätzen sind die jeweiligen Bilder der Ausstellung eingruppiert, was sinnvoll ist und dennoch in der Katalogfunktion übersichtlich, weil numerisch folgend bleibt. Dies ist deshalb so zu betonen, weil auch nach dem Ende der Ausstellung dieser Katalog ein Standardwerk über das deutsche Bildnis um 1500 werden wird.

 

 

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