„Karl Hubbuch und das Neue Sehen. Fotografien, Gemälde, Zeichnungen 1925 – 1935“ im Münchner Stadtmuseum, Teil 1
Claudia Schulmerich
München (Weltexpresso) – Warum diese interessante Ausstellung über das fotografische Werk, verbunden mit Skizzen und Gemälden des Karlsruher Künstlers Karl Hubbuch (1891-1979), der mit der Epochenausstellung „Neue Sachlichkeit“ in Mannheim 1925 als Maler bekannt wurde, in München zu sehen ist, haben wir erst ist Katalog nachgelesen, aber ein Blatt in der Ausstellung weist auch jeden Besucher darauf hin.
Ein alter Freund hatte den fotografischen Nachlaß – rund 600 Negative und 100 Originalabzüge aus der Zeit 1925 – 1935 - für das Münchner Stadtmuseum gesichert, aus dem nun Karin Koschkar gezielt Fotografien für diese Ausstellung zusammengesucht hat, die mit Gemälden und Zeichnungen auf mehr als 170 Exponate in dieser Ausstellung kommen. In der Tat ist ihr eine gute Schwerpunktsetzung gelungen, in dem sie das MODELLBILDNIS und das STRASSENLEBEN MIT STADTANSICHT als Themen festlegte, in denen alle drei Gattungen eine Rolle spielen und manchmal eine interessante Variation des Pas de Trois entsteht.
Schon beim Hereinkommen in den großen durch Durchgangskabinette gegliederten Saal fallen einem die frechen Frauen an der Wand auf. Aufmüpfig, übermütig, selbstbewußt, leicht arrogant, hochgemut, lebenslustig, welche Attribute lassen sich nicht alle anführen, für diese mit lockerem Bubikopf, hocherhobener Nase und kurzem Hosenrock so andersartigen weiblichen Gestalten, als es sie je zuvor in der Geschichte der Menschheit gegeben hat. Das war wirklich eine Kulturrevolution, denkt man sich, auch wenn der Nationalsozialismus das deutsche Frauenbild wieder zurückdrehte, sind wir heute alle Nachfahrinnen dieser sich auf den emanzipatorischen Weg machenden Weiber aus der selbst- und anderweitig verschuldeten Unmündigkeit des Menschengeschlechts.
Karl Hubbuch auf jeden Fall war ihnen verfallen, als Maler, als Zeichner, als Fotograf. Als Mann? ZWEIMAL HILDE hat es besonders in sich. Da sehen wir als Foto, wie sich der Maler mit seinem Modell, das er später heiratet, selbst aufnimmt. Er mimt dabei die Frau, die auf den eigenhändigen Varianten dann die Frau einnimmt, die demselben Frauentyp entspricht wie die andere: zweimal Hilde also. Die Figurenaufstellungen sind auf Aquarell und Bleistift auf Papier sowie Gemälde (beide von 1929) herausfordernder geworden als auf dem Foto von 1927. Auch die Kleidung ist kesser, der Hosenrock zu Hot pants hochgerutscht, der Ausschnitt zumindest der einen runtergerutscht und die andere hat deutlich sichtbar ein Busen ohne Halter, aus den Gesundheitstretern der echten Hilde sind nun verdoppelt hochhakige spitze Schuhe geworden und die Zigarettenspitze: einfach muy elegante!
Immer wieder Hilde. Das Sujet HILDE MIT FÖHN, FAHRRAD UND BREUERSTUHL gibt’s als Aquarell und Foto und hatte die größte Aufmerksamkeit erfahren. Das ist schon eine surrealistische Kombination a la der zufälligen Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch: man sieht ein aufgeschlagenes Bett, davor Hilde im modernen Designersessel liegend, die Füße auf dem umgekippten Fahrrad lässig aufgestützt und den Föhn wie eine Pistole Richtung Bett gerichtet.
Bis 4. März 2012-01-08
Katalog: Karl Hubbuch und das Neue Sehen. Fotografien, Gemälde, Zeichnungen 1925-1935, hrsg. von Ulrich Pohlmann und Karin Koschkar, Verlag Schirmer/Mosel 2011
Da uns die Ausstellung besonders der frechen Frauen wegen so gut gefiel, macht es Freude, die Exponate auch danach gegenwärtig zu haben. Die klugen Essays geben dann dem Dazulernen jede Chance, denn es fehlen in der Bundesrepublik immer noch die übersichtlich aufbereiteten Zusammenhänge über den Aufbruch der Maler, Fotografen und Bildhauer in der Weimarer Republik und ihre Zerstörung im Dritten Reich, die auch nach 1945 – weil eine andere Zeit war – nicht wiederhergestellt werden konnten, sondern über Einzelausstellung an je einzelnen Künstlerschicksalen evident werden.
P.S.: Wir wünschten uns an allen Hauptorten der Neuen Sachlichkeit solche Ausstellungen, nicht über Jahre vertelit, sondern in einem zeitlichen Zusammenhang, wie sie jetzt in München und Dresden zu sehen sind und in Mannheim und Karlsruhe schon liefen und auf Wiederholung warten. Vergeiche die Besprechung der Dresdner Ausstellung im Weltexpresso.
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/310-der-schonungslose-blick
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/311-kunst-ohne-elfenbeinturm
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