„Karl Hubbuch und das Neue Sehen. Fotografien, Gemälde, Zeichnungen 1925 – 1935“ im Münchner Stadtmuseum, Teil 2

Claudia Schulmerich

München (Weltexpresso) – Und dann wie ein Schock. Das Foto von Hilde vor Hubbuchs Gemälde LONA. Foto und Gemälde, Gemälde im Foto: war da nicht was? Es war die als neuartig empfundene Collage von David Hockney, die Foto und Gemälde in immer neuen Zusammenstellungen variierte und die Karl Hubbuch hier vielfach vorbereitet.


Es fehlt nur noch dessen dreidimensionale Variante. Aber so weit wäre Karl Hubbuch sicher auch noch gekommen, wenn man ihn gelassen hätte. Aber die Nazis haben so einen wie ihn 1933 sofort mit der Entlassung als Malprofessor an der Badischen Landeskunstschule und Berufsverbot aus dem Verkehr gezogen. Man muß ja noch froh sein, daß er als Hilfsarbeit den Naziterror überlebte. Ab 1947 hatte er erst einen Lehrauftrag, dann eine Professur an der Karlsruher Akademie. Die ästhetischen Moden der Zeit waren aber längst andere geworden. Fast alle 1933 Verbotenen konnten an ihren Erfolgen nicht anknüpfen. Tatsächlich sind wir es heute, die die Neue Sachlichkeit mit großem Interesse und auch großer Bewunderung würdigen.

Nach Hilde, die als Jüdin sich nach London, dann New York rettete, kam als Modell Martha. Sehr interessant, wie anders, wie kontemplativ diese Fotos und Bilder wirken. Aber nicht weniger modern. Dann hat Karl Hubbuch mit Marianne das Modell entdeckt, das seiner Leidenschaft für den bewegten und bewegenden Körper in der freien Natur derart entspricht, daß eine umfangreiche Serie entsteht. Das sind dann Fotos, die ein neues Frauenbild jenseits der Provokation zeigen, allein im Körper der Frau und der Selbstverständlichkeit, ihn nackt auch öffentlich zu präsentieren, ihn auszuprobieren, nicht in erster  Linie auf Schönheit achtend, posierend schon.

Die Fotografien der drei Städte Karlsruhe, Trier und Paris, wo sowohl Straßenszenen wie auch Architektur im Mittelpunkt stehen, stellen das Medium Fotografie in den Kontext des berichtenden, des aussagekräftigen Mediums, seien es Flugschauen, statische Gebäude oder bewegte Menschen. Anhand von Vergleichsbeispielen seiner berühmten Fotografenkollegen August Sander, Lisette Model und Alfred Eisenstaedt erfolgt seine Einbettung in den fotohistorischen Kontext, wobei man das Spezifische seiner Fotografiererei am ehesten mit dem Bauhausstil kennzeichnet, mit deren Charakteristika wie Spontaneität oder Experimentierfreudigkeit. Eine Ausstellung, die Spaß macht und bei der man viel lernt.

Bis 4. März 2012-01-08

Katalog: Karl Hubbuch und das Neue Sehen. Fotografien, Gemälde, Zeichnungen 1925-1935, hrsg. von Ulrich Pohlmann und Karin Koschkar, Verlag Schirmer/Mosel 2011
Da uns die Ausstellung besonders der frechen Frauen wegen so gut gefiel, macht es Freude, die Exponate auch danach gegenwärtig zu haben. Die klugen Essays geben dann dem Dazulernen jede Chance, denn es fehlen in der Bundesrepublik immer noch die übersichtlich aufbereiteten Zusammenhänge über den Aufbruch der Maler, Fotografen und Bildhauer in der Weimarer Republik und ihre Zerstörung im Dritten Reich, die auch nach 1945 – weil eine andere Zeit war – nicht wiederhergestellt werden konnten, sondern über Einzelausstellung an je einzelnen Künstlerschicksalen evident werden.

P.S.: Wir wünschten uns an allen Hauptorten der Neuen Sachlichkeit solche Ausstellungen, nicht über Jahre vertelit, sondern in einem zeitlichen Zusammenhang, wie sie jetzt in München und Dresden zu sehen sind und in Mannheim und Karlsruhe schon liefen und auf Wiederholung warten. Vergeiche die Besprechung der Dresdner Ausstellung im Weltexpresso.

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/310-der-schonungslose-blick

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/311-kunst-ohne-elfenbeinturm


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