Zur Photoausstellung „Wohnwelten: Sind die Visionen von gestern die Aplträume von heute?“, von Peter Menne im Juli in Offenbach

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Inmitten der nicht ganz freiwilligen Laszivität des Sommers fiel etwas unter den Tisch, das es wert war, mehr beachtet zu werden: Die Photo-Ausstellung „Wohnwelten: Sind die Visionen von gestern die Alpträume von heute?“, von Peter Menne, die gleichzeitig zum, von uns kommentierten Rundgang der Hochschule für Gestaltung (HfG) vom 18. bis 20.Juli 2014 ebenfalls in Offenbach stattfand.

 

Die Photographien kommen den Betrachter faszinierend wie zugleich erschreckend an. Ein Massivisches von Riesenklötzen schiebt sich brutal in natürliche Umgebungen hinein bzw. ist in sie hineingerammt, auch rivalisierend wie gleichzeitig korrespondierend teils mit Berg- und Gebirgshintergründen.

 

Es sind, bis auf einige Ausnahmen, Beispiele der fehlgeleiteten kubischen Moderne, die im Brutalismus geendet war. Es bildete sich zu einem gewissen Zeitpunkt eine verfehlte Moderne. Die Moderne eines Le Corbusiers indes war bereits Anlass, Architektur nicht nur neu zu denken und zu begründen, sondern ihr Versachlichungs- und Ernüchterungsprogramm auch ins Extrem zu treiben, dabei Mittel und Möglichkeiten leer laufen zu lassen.

 

Wie kam es, dass in den goldenen Sechzigern ein derartig den menschlichen Bedürfnissen nach Behausung feindlicher Ansatz über ganz Europa Verbreitung finden konnte, gleichsam wie als Nachwirkung der Ära des SS-Staates (und seiner Folgen), der Menschen übereinander stapelte, sie in Engen internierte, entmenschlichte, was mit absolut extremer Verödung und Verwüstung von Leben verbunden war.

 

Hat die Moderne in der Baukonjunktur der Rekonstruktions-Ära einen falschen Abzweig zur Klotz-Architektur genommen? Handelte es sich gar bloß um eine damalige Form der Immobilienspekulation, die dazu drängte, möglichst hohe Erträge und Renditen zu generieren?

 

Oder entsprach das, was wir auf den Photografien sehen, nicht doch bloß einer simplen Methode zur Unterbringung und Verwahrung von Menschen der einfacheren Arbeit. Warum wurden derartige Programme auch in sozialdemokratischen Kommunen als zeitgemäßer Fortschritt gefahren? Waren die für die Form des Bauens Verantwortung Tragenden Banausen, Philister, kunstfeindliche und bildungsferne Parteifunktionäre etwa? War Architektur von den guten Geistern verlassen, nachdem sie in den Fünfzigern doch auch Gutes hervorgebracht hatte, wie z. B. in Gestalt des Baus der Bundesmonopolverwaltung in Offenbach/Main, Friedrichsring 35?

 

Zu denken muss geben, dass Architektur heute, in Zeiten des „Betongoldes“, immer noch – oder auch wieder - ein sehr fragwürdiges Ding ist. Die Baubranche ist eben zu jeder Zeit eine Haifischbecken-Branche, für die es nicht auf das Gedeihen von Menschen in einer intakten Lebenswelt, insbesondere von Kindern, ankommt.

 

Doch das, was die Ausstellung zeigte, stand nicht nur im Zusammenhang mit sozialem Wohnungsbau, sondern war auch als neuartiges Wohnen für gehobene Ansprüche mit weitem Blick auf Bergwelt, Fluss und Landschaft gedacht, das Annahme fand. Das Bemerkenswerte an der Ausstellung ist überhaupt, wie viele Fragen dem Schauenden zu den fotografierten Objekten in den Sinn kommen.

 

Erwähnenswert an dieser Stelle das Objekt in Basel, am Fluss, zwischen Schornsteinen und Chemieindustrie eingekeilt. In der Ankündigung des Künstlers heißt es: „Die Kontraste versuchte ich einzufangen: Impressionen von der Wohnkultur vom englischen Seebad Brighton über Berlin, Basel oder Bern bis nach Puerto de la Cruz. Mal farbenfroh, mal grau-in-grau wandeln sich Wohnhäuser zu unüberwindlichen Wällen.“- Bemerkenswert auch der Wohncontainer in Amsterdam: „aus geripptem Stahlblech: Fünf Etagen hoch in leuchtendem Guantanamo-Orange – dabei jeder Container mit eigenem Balkon!“- Der Container zunächst als Provisorium im Sinne studentischen Wohnens angelegt, fungiert nun schon über 10 Jahre weiter als ein solches. Eine Aufschrift an der Flanke wirbt mit dem Slogan: “My Container is my Castle“.

 

Die Photographien haben das Format 40/60 und sind in fachmännischer Qualität geschaffen (abgesehen vom ohnehin ausgesucht Motivischen). Erstehbar sind sie. Ein Photo-Kunstwerk fehlt in so manchem Haus zuweilen noch zwischen Tafelbild, Papierpulp-Werk und Holzschnitt.

Foto: aus der Ausstellung, Peter Menne: La-Chaux-de-Fonds - Jura überkront

 

 

INFO:

 

Die Ausstellung fand dreitägig in Offenbach statt: in der Ausstellungshalle des dortigen Kunstvereins, zentral am Platz der Deutschen Einheit 5 gelegen (18.- 20.Juli 2014).

 

Über die gleichzeitige Publikumsöffnung zum Rundgang der Hochschule für Gestaltung (HfG), ebenfalls in Offenbach hatten wir berichtet:

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/3224-spannend-wie-eine-documenta