Veristische Skulpturen und ihre Techniken ab Oktober im Liebieghaus in Frankfurt am Main, Teil 1

 

Hubertus von Bramnitz

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Immer wieder gibt es im anrührenden Liebieghaus, vom Unternehmer, dem böhmischen Textilfabrikanten als Ruhesitz im Jahr 1896 im historisierenden Stil der Zeit erbaut, von der Stadt Frankfurt 1907 erworben und als Ort der städtischen Skulpturensammlung eingerichtet, immer wieder gibt es hier hervorragende Ausstellung, die eint, daß die Fachwelt genauso begeistert ist wie das Publikum.

 

In einer groß angelegten Sonderausstellung widmet sich die Liebieghaus Skulpturensammlung, wie das Museum offiziell heißt, was unsereiner immer mit Liebieghaus abkürzt, der faszinierenden Tradition der (hyper)realistischen Skulptur. „Die große Illusion. Veristische Skulpturen und ihre Techniken“ bietet vom 1. Oktober 2014 bis 1. März 2015 einen fesselnden Einblick in die über 4.000 Jahre alten Bestrebungen von Bildhauern verschiedenster Stilepochen, möglichst lebensnahe skulpturale Wiedergaben des Menschen zu schaffen.

 

Die Gegenüberstellung von 52 Werken aus unterschiedlichen Jahrhunderten eröffnet ein einzigartiges Gesamtbild dieses kunsthistorischen Phänomens. Zu erleben sind außerordentlich wirklichkeitsgetreue Bildwerke von beeindruckender, irritierender und zugleich schockierender Wirkung. Die Ausstellung beleuchtet verschiedenste Techniken zur Erzeugung illusionistischer Effekte wie die Verwendung von Echthaar, Glasaugen und aufwendige Bemalungen. Die Bandbreite der präsentierten Werke reicht von der ägyptischen, griechischen und römischen Antike über mittelalterliche Skulpturen – so von Michel Erhart (um 1440/45–nach 1522) – und Beispiele aus der Renaissance – etwa von Guido Mazzoni (um 1445–1518) – und dem Barock – wie von Pedro de Mena (um 1628–1688) – bis hin zu Arbeiten aus dem 18. Jahrhundert – u. a. von Luigi Dardani (1723–1787) – und, mit Arbeiten von Jean-Léon Gérôme (1824-1904) und Charles-Henri-Joseph Cordier (1827-1905), dem 19. Jahrhundert.

 

Zudem spannen hyperrealistische Skulpturen von zeitgenössischen Künstlern wie Duane Hanson (1925–1996), John De Andrea (*1941) oder Ron Mueck (*1958) einen Bogen bis in die Gegenwart. Die Konfrontation der vielfältigen Exponate aus den verschiedensten Epochen schafft überraschende Verbindungen und vergegenwärtigt die oftmals seit Jahrtausendenden überlieferten Traditionen technischer Methoden, deren sich die Künstler zum Teil bis heute unverändert bedienen. Mit Leihgaben aus dem Musée du Louvre in Paris, dem Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam, dem Museo del Prado Madrid, dem Kunsthistorischen Museum Wien oder dem Ägyptischen Museum Berlin verdeutlicht die Ausstellung das übergreifende Bestreben von Künstlern, eine perfekte Illusion und ein möglichst realitätsnahes Erscheinungsbild der menschlichen Gestalt zu erzeugen.

„Die zeitlose Faszination für besonders realitätsnahe Skulpturen, aber auch das ebenso uralte Bedürfnis, das menschliche Aussehen möglichst lebensecht nachzubilden, zeigt ‚Die große Illusion‘ auf überraschende und teilweise drastische Weise“, sagt Max Hollein, Direktor der Liebieghaus Skulpturensammlung.

Die hyperrealistischen, täuschend echt wirkenden Figuren von zeitgenössischen Künstlern wie Duane Hanson oder John De Andrea beeindrucken aufgrund ihrer verblüffend realistischen Erscheinung. Irritierend illusionistische Effekte von Skulpturen sind jedoch kein neues, sondern bereits ein rund 4.500 Jahre altes Phänomen. Um dies zu verdeutlichen, zeigt „Die große Illusion“ die Exponate in ihrer Zusammenstellung nicht chronologisch, sondern epochenübergreifend inmitten der Liebieghaus Skulpturensammlung; die Ausstellung erstreckt sich über fast alle Ausstellungs- und Sammlungsbereiche. Schon in der Antike wurden Perücken aus natürlichem Haar, Kleidung aus echten Textilien und Schmuck für die Skulpturen verwendet, um möglichst realistisch wirkende Figuren entstehen zu lassen, und bis heute werden – unabhängig vom Ausgangsmaterial der Skulptur wie Holz, Stein, Metall, Wachs oder Kunstharz – ganz ähnliche Methoden genutzt. Die gemeinsame Präsentation ermöglicht damit einen künstlerischen Brückenschlag von der Antike bis in unsere Zeit. Fortsetzung folgt.

 


INFO:

 

Die große Illusion.Veristische Skulpturen und ihre Techniken

1. Oktober 2014 bis 1. März 2015
Liebieghaus Skulpturensammlung Frankfurt am Main

Kurator: Stefan Roller (Leiter der Mittelaltersammlung, Liebieghaus Skulpturensammlung)
Architektur: Bach Dolder Architekten, Darmstadt

Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog im Hirmer Verlag, herausgegeben von Stefan Roller, mit Beiträgen von Vinzenz Brinkmann, Maraike Bückling, Stefan Roller und Harald Theiss. Dt. Ausgabe, ca. 260 Seiten, ca. 240 Farbabbildungen, Museumsausgabe 34,90 Euro, Buchhandelsausgabe ca. 44,90 Euro.
Weitere Publikation: Zur Ausstellung erscheint ein Begleitheft, 7,50 Euro.
Audiotour: Durch die Ausstellung führt eine Audioguide-Tour, deutsch und englisch, 4 Euro.


Öffentliche Führung durch die Ausstellung: donnerstags 18.00 Uhr, samstags 16.00 Uhr und sonntags 15.00 Uhr, die Teilnahmezahl ist begrenzt, Tickets sind ab zwei Stunden vor Beginn an der Kasse erhältlich, 5 Euro.


Rahmenprogramm: Höhepunkte sind u. a. Vorträge im Rahmen der Reihe „Aus erster Hand“: Donnerstag, 11. September 2014, 18.30 Uhr, Faszination Verismus. Eine Vorschau auf die Ausstellung „Die große Illusion“, Vortrag von Dr. Stefan Roller, Leiter der Mittelaltersammlung des Liebieghauses; Donnerstag, 6. November 2014, 19.00 Uhr, Dunkles Mittelalter? – Die Farbrekonstruktion einer spätgotischen Skulptur, Vortrag von Dipl.-Rest. Harald Theiss, Leiter der Abteilung Restaurierung. Die Vorträge sind im Eintrittspreis enthalten, eine Voranmeldung ist erforderlich: 069-605098-200, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


Weitere Programmangebote unter www.liebieghaus.de.
Sonderführungen auf Anfrage: +49(0)69-605098-200, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

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Die Ausstellung wird durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain gefördert und erfährt von der Hessischen Kulturstiftung zusätzliche Unterstützung.