Serie: Das Hessische Landesmuseum Darmstadt nach sieben Jahren wieder neu, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Darmstadt (Weltexpresso) – Atemberaubend. Grandios. Ehrfurchtgebietend. Schön. Es gibt so viele Gemütsbewegungen, die man in Sprache pressen möchte, wenn man nach sieben Jahren der Totalsanierung den von Alfred Messel von 1897 bis 1902 errichteten Prunkbau nun in originaler Ausstattung betritt  - und erst jetzt bemerken kann, wie sehr er in der Nachkriegszeit verschandelt wurde.

 

Allerdings mischt sich dem Gefühl von Grandezza auch eine leichte Trauer bei. So ist es immer. Auch die Provisorien liebt man und wir verschmerzen nur schwer, daß rechts vom Eingang und Hauptsaal es nicht mehr zu den in einem Raum zusammengepferchten mittelalterlichen Altären geht, eigentlich unglaublich, wie die nebeneinander, fast übereinander gestapelten Altäre uns doch dieses Gefühl von Sakralem gegeben hatten und dies Gefühl von Enge und Gepferchtsein auch die delikaten Farben und das viele Gold der Altäre erst recht zum Glänzen brachten. Und nun?

 

Nun sind sie im Anbau, dem 1984 errichteten, also modernen und klimatisch perfekten Erweiterungsbau, dem Kargel-Bau, untergebracht, hängen auf bunten Wänden schön ordentlich nebeneinander, doch, doch, sie bleiben schön, aber sind dennoch auf Museumsmaß zurechtgestutzt. Das ist überhaupt keine Kritik, denn hier wird mit den Altären verfahren, wie in allen anderen Museen auch. Daß aber mit dem ordentlichen Hängen eben auch eine gewisse Gleichförmigkeit  einhergeht, das ist ein Ergebnis, mit dem sich der, der sich einst in diesem einen Riesenraum rechts an der deutschen Renaissance vorbei, sich verlieren konnte, erst noch anfreunden muß. Wir fremdeln also, wobei wir hinzufügen müssen, daß dies auf hohem Niveau passiert.

 

Ähnlich geht es uns auch mit den Gemälden, an denen vorbei wir bisher die Altäre erreichten. Schmal wie Flure und lang, also eigentlich völlig ungeeignet, weil  viel zu nahe an den Gemälden dran, waren uns die Cranachs, auch Dürer und all die anderen, einfach vertraut – und vor allem ganz dicht vom Eingang schnell zu erreichen, wenn wir in Darmstadt waren und nicht viel Zeit hatten: der Besuch mußte sein und auch die Gemälde und Gemäldeausstellungen im Ersten Stock waren über die Treppe schnell zu erreichen. Genug der Klage, denn es ist sicherlich unangemessen, seine eigenen Vorlieben so herauszustellen.

 

Denn insgesamt hat das Darmstädter Landesmuseum außerordentlich gewonnen. Von der herrlichen Eingangshalle – von zugebaute Nischen, modernen Böden statt Fußbodenmosaik und abgehängten Decken befreit -  sprachen wir schon, diese Halle ist so weit, so licht, daß einem das Herz aufgeht und sie führt geradewegs geradeaus  auch zu dem, was für uns ab jetzt das Herzstück des ganzen Hauses ist, sicher auch einmal war, die naturwissenschaftliche Abteilung, inszeniert als Erlebnisräume, wo das Wissenschaftliche mit dem Atmosphärischen auf abenteuerlich-gefühlige Weise eins wird, seien es die pfiffig zusammengestellten Skelette von Tieren, auch Menschen oder die unglaublich schönen Diorahmen, die im 19. Jahrhundert die Funktion hatten, die vergangenen Lebensräume wirklichkeitsnah und in Perspektive ahnen zu lassen, eine Funktion, die heute in etwa 3D übernimmt.

 

Wir wollen über diese Kostbarkeiten, die für uns Herzstück  - schauen Sie sich die Paarungen an. Auf der einen Seite das Skelett, auf der anderen das  ausgestopfte Tier,  bei dem man das Skelett nicht immer erahnt, unglaublich auch dieses - des Museums werden, noch ausführlich berichten. Im Gegensatz zu den nach dem Ordnungswahn des 19. /20. Jahrhunderts  aufgegliederten Museen, die aus den einstigen Kunst- und Wunderkammern sowie den Naturalienkabinetten entstanden waren, gehörte und gehört das Darmstädter Landesmuseum zur raren Sorte der Gesamtmuseen, der Universalmuseen, was als Bildungsanspruch in der Tat bedeutet: die ganze Welt unter einem Dach, was als Motto auch heute gilt, heute aber ein besonders einigendes Dach erhalten hat. Forstetzung folgt.

P.S. Oh doch, ein Monitum gibt es noch, von dem niemand sprach, noch schrieb und das einem erst so richtig auffällt, wenn man in der Pressekonferenz mit Blickrichtung zu den Aufgängen am Ende der Halle sitzt. Die Handläufe der Treppen sind beidseitig in hölzerner  Manier an der jeweiligen Wand angebracht, das paßt, obwohl wir nicht wissen, ob dies original ist. Aber am Geländer gibt es diese Handläufe nicht, da sind sie aus flachem Metall und hauen für uns den ganzen schönen organischen Eindruck  des Aufgangs kaputt.

 

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