Serie: Aus den Schatzkammern der Goethe-Universität. Jubiläumsausstellung im MUSEUM GIERSCH: präsentiert vom 19. Oktober 2014 bis 8. Februar 2015 außergewöhnliche Stücke aus 40 Sammlungen, Teil 2
Anna von Stillmark
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Diese Ausstellung wirft wirklich interessante Schatten voraus. Auch deshalb, weil gestaffelt, vor der eigentlichen Eröffnung am Sonntag, einzelne Gruppen schon vorher Zutritt haben.
Universitätspräsident Werner Müller-Esterl, der die Ausstellung zusammen mit dem Stifter und Mäzen Carlo Giersch schon am 15. Oktober im MUSEUM GIERSCH der Öffentlichkeit vorstellte, sprach von einer einzigartigen Möglichkeit, historische wie aktuelle Forschungsarbeiten der Goethe-Universität auf neue Weise zu entdecken und zu erleben.
„Als Universität, die sich das Motto „Wissenschaft für die Gesellschaft“ auf die Fahnen geschrieben hat, möchten wir die Faszination und die Attraktivität von Wissenschaft vor Augen führen. Die Ausstellung ist daher viel mehr als eine reine Dokumentation. Sie stellt auf ästhetisch und inhaltlich ansprechende Weise Verbindungen her zwischen den Erlebniswelten von Menschen und ausgewählten Objekten der wissenschaftlichen Arbeiten. Damit bauen wir eine Brücke zu unserer Gesellschaft. Ich hoffe, dass viele Menschen aus Frankfurt, Hessen und Deutschland in den nächsten Monaten diese Begeisterung fühlen und mit uns teilen können. Ich bin Carlo Giersch und seiner Frau Karin dankbar, dass sie diese Ausstellung zum 100jährigen Jubiläum der Goethe-Universität in ihrem Hause möglich gemacht haben. Sie stellen nicht nur ihr Museum zur Verfügung, sondern haben darüber hinaus auch einen Großteil der Ausstellungskosten zusammen mit anderen Stiftern übernommen.“
Carlo Giersch hob hervor, dass die Intimität des MUSEUM GIERSCH, das am Sachsenhäuser Mainufer in einer alten Villa residiert, einen hervorragenden Rahmen bietet für diese ambitionierte Schau: „In den letzten Jahren hat unser Museum immer wieder außergewöhnliche Ausstellungen gezeigt. Eine Ausstellung jedoch, bei der die Grenzen zwischen Wissenschaft und Kunst aufgehoben werden, hat es in dieser Form bisher weder hier noch anderswo in Deutschland gegeben. Wir betreten damit also Neuland. Darauf bin ich stolz. Mich hat dieses Konzept von vornherein so überzeugt, ja fasziniert, dass meine Frau Karin und ich sich daran gern auch mit erheblichen Eigenmitteln beteiligt und zudem weitere Mittel von Unternehmen und Persönlichkeiten aus der Frankfurter Stadt-Gesellschaft eingeworben haben.“
Ausstellungsmacherin Charlotte Trümpler schilderte, welch ungeheure Faszination diese vielfältigen Objekte in den Sammlungen auf sie ausübten: „Es war wirklich wie ein Ausgraben, Schicht für Schicht legte man in den Sammlungsräumen, Depots, Archiven, Kellern, Dachböden und Büros die unglaublichsten Dinge frei. Die Geschichten, die hinter den Objekten stehen erzählen von Menschen, die dank einer unermesslichen Neugier, einem enormen Willen und einer Besessenheit, den Dingen auf den Grund zu gehen und Neues zu entwickeln, die Forschungen der letzten 100 Jahre bahnbrechend vorangebracht haben und die unglaublichsten Dinge entdeckt haben.“
DIE THEMEN DER AUSSTELLUNG
1) Neugier
Bildnis von Ludwig Edinger beim Sezieren eines Gehirns. Gemälde von Lovis Corinth, 1907
Blick nach Innen, Blick in die Ferne: Gehirne, Tierschnitte, gezüchtete Salzkristalle, Tagebücher über die Kxoé-Buschleute, Studie von Theodor W. Adorno zum Betriebsklima.
2) Glaube
Biblia, Die Heilige Schrift, Germantown 1743. Erste in einer europäischen Sprache übersetzte Bibel in Amerika.
Götter, Occulta, Rituale: Nordische Götter, Zeusdarstellungen, Geisterkunde, rituell zerschlagene Terrakotten aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. aus Syrien, Magische Felsbilder.
3) Köpfe
Doppelporträt von Max und Maidon Horkheimer, Clara Quien 1971
Memoria, Rekonstruierte Gesichter, konservierte Gesichter: Porträt von Johann Wolfgang Goethe, Daguerreotypie von Arthur Schopenhauer, Rekonstruktionen vom Homo erectus, Gesichtspräparate.
4) Idealbild
Torso der Aphrodite, Gipsabguss nach einem Original des 3. Jahrhunderts v. Chr.
Die ideale Frau, der ideale Körper, der typisierte Mensch: Lara Croft, Barbie, orthopädisches Stützkorsett, Lexikon der Schönheit, Glasnegativ eines „Negermädchens“ aus dem Nachlass des Rassenhygienikers der NS-Zeit Ottmar Freiherr von Verschuer, Sammelalben mit Völkerschauserien.
5) Wanderung
Statuenkopf aus der ehemaligen Sammlung des China-Instituts, Holz, Ming-Dynastie (1368 – 1644)
Objekte reisen, Objekte ziehen um, Zukunft ungewiss: Koffer aus Tomatendosen aus Syrien, Aggressiver Krebs aus Japan, Fotografien von Kunstwerken auf den Campi der Universität, Wachsmoulagen, Präparate von Vogelgehirnen
6) Bewegung
Zander Widerstandsgerät, Fitnessgerät zur Stärkung der Rückenmuskulatur, 1900
Affen auf Reisen, Zurück zur Bewegung, Volksbewegung: Skelett eines Klammerschwanzaffen aus dem Amazonas, Felsbildkopie mit Affen von Lesotho, Beinprothese, Turnschuhe aus Nigeria, Bücher über Deutschen Sportgeist und Arbeitersport.
7) Protest
Punkjacke von 1998 – Geschenk einer ehemaligen Studentin an das Jugendkulturarchiv
1848 – 1968 – 2009: Struwwelputsch, Herbert Marcuse, Rudi Dutschke, Fotos von Barbara Klemm, Casino Besetzung.
8) Emotionen
Kostüm der Schauspielerin Adele Sandrock für die Rolle »Gretchen« in Goethes Faust, 1. Teil ,Wien, um 1890
Gespielte Gefühle, Musik, Denkmal der Freundschaft: Gipsabguss einer tanzenden Mänade, Sanduhrtrommel aus Burkina Faso, Notenskizzenheft von Theodor W. Adorno, Stammbuch von Samuel Thomas von Soemmering, Manuskript “Die Unfähigkeit zu trauern” von Margarete und Alexander Mitscherlich.
9) Gewalt
Tisch mit Karteikarten zu den SS-Angehörigen und den Opferzeugen der Auschwitz-Prozesse, 1960er-Jahre
Aggression im Alltag, eine Universität im Krieg, Auschwitz-Prozesse: Schädel mit Messer, Projektile von Pistolen, Dissertation von Josef Mengele, der Erste und Zweite Weltkrieg im Kinderbuch, Ortsbesichtigung von Auschwitz durch die hessische Staatsanwaltschaft.
10) Tod
Das Sofa, auf dem Arthur Schopenhauer 1860 gestorben ist.
Nachleben, Weiterleben, Totenköpfe, Jagd: Nachlässe, Antike Grabbeigaben, Totenkult der Gothic-Szene, Pfeilspitzen aus der Steinzeit, Herbarbeleg von Gifpflanzen für Pfeilgift, Felsbilder mit Jagddarstellungen.
11) Zeit
Evronot, jüdische Kalenderregeln, 16./17. Jahrhundert
Zeit messen, Zeit einteilen, Zeit feiern: Landkarten des Großraums Frankfurt vom 16. Jahrhundert bis heute, mumifizierter Schädel aus dem Frankfurter Stadtwald, eine von Ferdinand Kramer für die Universität gestaltete Uhr, Taufkleid Eva Demskis, ein über 542 Millionen Jahre altes Zirkongestein
12) Kaffee
Die Uni in 30 Kaffeetassen – eine neue Sammlung zusammengestellt von Studierenden
Echte Kaffeepflanze, Utensilien für eine äthiopische Kaffeezeremonie, reines Coffein, Kaffeeersatzstoffe, Liebig’s Sammelbilder, Kinderbücher.
13) Humor
Plakat für den Adorno Ähnlichkeitswettbewerb
Gezeichnete Umlaufmappe, Gartenzwerg, Fotografien von ironischen Impressionen aus den Sammlungsräumen.
Fortsetzung folgt.