Kunsthaus Zürich zeigt ab Februar 2015 «Monet, Gauguin, van Gogh … Inspiration Japan»

 

Anna von Stillmark

 

Zürich (Weltexpresso) - Vom 20. Februar bis 10. Mai 2015 widmet das Kunsthaus Zürich einem der faszinierendsten Kapitel der französischen Kunst eine große Ausstellung. «Monet, Gauguin, van Gogh … Inspiration Japan» heißt die hochkarätige Schau, die mit mehr als 300 Gemälden, Holzschnitten und Kunstgegenständen europäischer und japanischer Meister das Bild vermittelt, das Europa im 19. Jahrhundert von Japan hatte.

 

In der Regel wird der japanische Einfluß vor allem an den NABIS gedeutet, dieser franzöischen Künstlergruppe, die sich 1888 in Pairs formierten und denen auch das Kunsthaus Zürich vor vielen Jahren eine eigene Ausstellung widmete, von der die Interieurs von Edouard Vuillard oder Felix Valloton noch im Gedächtnis sind. Insbesondere waren es dann nicht nur die Designs, die bei den Nabis als Postimpressionisten japanisch daherkamen, sondern auch die Techniken, z.B. der Farbholzschnitt.

 

Nun also die erste Garde und erste Generation, wenngleich man das Wort Impressionismus gar nicht in den Mund nehmen möchte. Die japanische Kunst ist für die Entwicklung der Moderne insgesamt von grundlegender Bedeutung. Nahezu alle grossen Meister der französischen Malerei haben sich von japanischen Bildmotiven und Stilmitteln begeistern und inspirieren lassen: Sie stellten aus Japan importierte Kunst in ihren Werken dar, interpretierten japanische Bildsujets und verinnerlichten die Bildsprache des japanischen Holzschnitts. Dieser schöpferische Prozess wirkte weit ins 20. Jahrhundert hinein.

 

Im Fokus der Ausstellung steht der Zeitraum zwischen 1860 und 1910, der Anfangs- und der Hochphase des «Japonisme» in Frankreich. Gemälde und Druckgrafiken der wichtigsten Künstler jener Zeit stehen im Dialog mit Farbholzschnitten und kostbaren Kunstgegenständen japanischer Meister. Reisefotografien, Gefässe, Kimonos, Fächer und Bücher aus weltbekannten Sammlungen wie dem Van Gogh Museum Amsterdam, Metropolitan Museum of Art, Musée d’Orsay, State Pushkin Museum, der Tate und der Stiftung Sammlung E. G. Bührle bilden eine Brücke von der Kunst zum Design, vom Rituellen zum Alltäglichen.

 

 

DARSTELLUNG, ÜBERTRAGUNG, VERINNERLICHUNG

 

Der «Japonisme» steht für eine geradezu manische Leidenschaft für die japanische Kunst und Kultur, die sich nach der im Jahre 1854 von den Amerikanern erzwungenen Öffnung Japans in Frankreich zu manifestieren begann. Drei verschiedene Arten der künstlerischen Beschäftigung mit Japan werden vorgestellt: die Darstellung japanischer Gegenstände und Motive in den Werken westlicher Künstler, die Übertragung und Interpretation japanisch inspirierter Bildthemen und Formen sowie die Verinnerlichung japanischer Stilmittel und Techniken.

 

 

FRAUEN, BERGE, BLUMEN UND DAS MEER

 

So zeigt sich die damalige Begeisterung für Japan einmal darin, dass die Künstler aus Japan importierte Kunst, Objekte und Blumen in ihren Gemälden darstellten oder, wie van Gogh, japanische Farbholzschnitte in die Malerei übertrugen. Ihre Art der Darstellung bleibt dabei der europäischen Tradition verpflichtet. Die fremden Sujets und Kompositionselemente der japanischen Holzschnitte zeigten ihnen eine Alternative zu der bislang in der europäischen Kunst gültigen Ästhetik auf. Die Auseinandersetzung mit der raffinierten, hochentwickelten Bildwelt des japanischen Holzschnitts inspirierte die Künstler dazu, für die Darstellung ihrer eigenen Lebenswelt neue Bildformen zu erproben und Entsprechungen für den Reichtum und die Strenge der japanischen Vorbilder zu entwickeln. Sie adaptieren japanische Bildthemen für ihre eigenen Werke (so Frauen bei der Toilette, Wellen oder Felsen im Meer). Inspiriert von der seriellen Darstellung eines Motivs (Berg Fuji, Brücken, Wasserfälle u. a.) im Werk von Katsushika Hokusai oder Utagawa Hiroshige begannen Künstler wie Gustave Courbet, Claude Monet, Paul Cézanne und Henri Rivière ebenfalls, ein und dasselbe Sujet unablässig darzustellen und im Falle Courbets und Monets auch als Serie auszustellen.

 

KOMPOSITIONSMITTEL NEU INTERPRETIERT

 

Zu den wichtigsten Kompositionsmitteln, die im Westen neu interpretiert wurden, zählen die flächenhafte Gegenüberstellung von Vorder- und Hintergrund, die steile Auf- oder Untersicht, die Beschneidung der Hauptmotive durch den Bildrand, diagonale Bildelemente, die Vereinfachung der Formen durch grosse, kompakte Farbflächen und betonte Konturen, die asymmetrische Anordnung der Bildelemente, eine dekorative Anlage des Bildraumes sowie extrem vertikale oder horizontale Formate. Viele Künstler bewunderten die leuchtend kräftigen, höchst nuancierten Farben der Holzschnitte und übernahmen sie, wie etwa Vincent van Gogh. Auffällig ist, dass die Bildästhetik des japanischen Farbholzschnittes zunächst auf die Malerei angewandt und erst von der nachfolgenden Künstlergeneration auch in die Grafik übernommen wurde. Insbesondere Toulouse-Lautrec, Rivière, Cassatt und Vallotton verhalfen den Drucktechniken in der Orientierung an den japanischen Vorbildern zu neuem Ansehen. Monet schliesslich gestaltete 1893 seinen Garten in Giverny mit Seerosenteich und Brücke nach japanischen Farbholzschnitten. Auch die Bepflanzung war fernöstlich inspiriert: es wuchsen Schwertlilien, Glyzinien, Azaleen und Chrysanthemen. Hier entstanden die Seerosenbilder, die zu den Meisterwerken des frühen 20. Jahrhunderts zählen und nachfolgende Künstlergenerationen geprägt haben. Sie wären ohne die Auseinandersetzung mit der japanischen Kunst nicht denkbar. Entsprechende Bildthemen oder Stilmittel lassen sich zwar auch in der früheren europäischen Kunst finden, doch da die Holzschnitte und Alben in Frankreich omnipräsent waren, kommt den Japanern die Impuls gebende Rolle als «Augenöffner» zu.

 

 

WERTVOLLE OBJEKTE VON KÜNSTLERN SELBST GESAMMELT

 

Fast alle Künstler, die sich von der fernöstlichen Bildwelt und Formensprache inspirieren liessen, sammelten selbst Kunst aus Japan, insbesondere Farbholzschnitte des «ukiyo-e». Diese waren damals für wenig Geld erhältlich – heute werden sie als Meisterwerke ihrer Zeit für hohe Summen gehandelt. Einige der in der Ausstellung gezeigten japanischen Farbholzschnitte stammen denn auch aus Künstlersammlungen des 19. Jahrhunderts. Parallel zur bildenden Kunst übernahm auch die angewandte Kunst Anregungen von importierten Keramiken, Lackobjekten, Fächern und Wandschirmen. Nicht nur Künstler wie Émile Gallé, François-Eugène Rousseau, Jean Carriès oder Paul Jeanneney schöpften daraus Inspiration für Motivik und Form, sondern auch Edgar Degas, Pierre Bonnard, Maurice Denis, Félix Vallotton und Auguste Rodin. Auch was das Arbeiten mit bislang eher vernachlässigten Materialien wie dem Steinzeug in der angewandten Kunst angeht, spielte Japan im Werk von Künstlern wie Jean Carriès und Paul Jeanneney als Stimulus eine zentrale Rolle.

 

 

ERSTE AUSSTELLUNG SEIT 45 JAHREN

 

Ein erst seit wenigen Jahren in den Fokus der europäischen Kunstgeschichte gerücktes Thema ist dasjenige des «erotischen Japonisme», dem in dieser Ausstellung in Gestalt einer Gegenüberstellung von hocherotischen «shunga» (Frühlingsbildern) und Pablo Picassos Druckgrafik Platz eingeräumt wird. Der Grossteil der gezeigten japanischen Objekte stammt aus dem Museum Folkwang in Essen – ein Bestand, der fast gänzlich unbekannt ist. Ein Blick in die Ausstellungsgeschichte des Kunsthaus Zürich zeigt, dass man sich schon sehr früh mit japanischer Kunst beschäftigt hat. Wilhelm Wartmann, der erste Direktor, zeigte bereits 1928 japanische Holzschnitte aus der Sammlung Willy Boller aus Baden. Im darauffolgenden Jahrzehnt wurden weitere kostbare Blätter aus der Sammlung von Alfred Baur und erneut aus der Sammlung Boller präsentiert.

Die letzte Ausstellung mit Kunstschätzen aus Japan wurde 1969 von Direktor René Wehrli im Kunsthaus Zürich organisiert, in der neben Skulpturen, Keramiken, Gewänder und Masken des No-Theaters auch Hängerollen, Wandschirme und Lackobjekte aus öffentlichen und privaten japanischen Sammlungen zu sehen waren. Fünfundvierzig Jahre sind vergangen, seit im Kunsthaus Zürich Werke aus dem Fernen Osten zu sehen waren. Und während die Meisterwerke der eigenen Sammlung in Tokyo und Kobe ausgestellt werden, begegnet ein an Kunst, Design und Gesellschaft interessiertes Publikum in Zürich nie gezeigten Arbeiten berühmter Künstler dieses Kulturkreises.

 

INFO:

 

FÜHRUNGEN UND KONZERT

 

Öffentlichen Führungen: Mittwochs und donnerstags 18 Uhr, freitags 15 Uhr und sonntags 11 Uhr. Japanische Führung: Samstag, 14. März, 13 Uhr. Private Führungen auf Anfrage. Konzert des Zürcher Kammerorchesters mit Werken von Debussy, Ravel u.a. am 26. April, 11. Uhr. Tickets: www.zko.ch.

 

REICH BEBILDERTER KATALOG

 

Die Ausstellung wird von einem Katalog in Deutsch und Englisch begleitet (Steidl Verlag, 376 S., zahlreiche Abb.). Mit Essays von Geneviève Aitken, Christoph Dorsz, Sandra Gianfreda, Claire Guitton, Gregory Irvine, Peter Kropmanns, Michiko Mae, Ursula Perucchi-Petri, Belinda Thomson und weiteren Texten. Erhältlich am Kunsthaus-Shop für CHF 45.-.

 

Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Museum Folkwang, Essen.

 

 

EINTRITT INKLUSIVE AUDIOFÜHRUNG IN VIER SPRACHEN

 

Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, CH–8001 Zürich, Tel. +41 (0)44 253 84 84, www.kunsthaus.ch. Fr–So/Di 10–18 Uhr, Mi/Do 10–20 Uhr. Feiertage: Ostern 3.–6. April, 1. Mai: 10–18 Uhr. Eintritt Ausstellung inkl. Audioguide d/e/f/i: CHF 22.-/

17.- reduziert und Gruppen. Kombiticket inkl. Sammlung: CHF 27.–/20.– reduziert und Gruppen. Bis 16 Jahre gratis.

 

Vincent van Gogh Japonaiserie (nach Keisai Eisen), 1887 Öl auf Baumwolle, 110,3 x 60 cm Van Gogh Museum Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation)

Vincent van Gogh

Japonaiserie (nach Keisai Eisen), 1887

Öl auf Baumwolle, 110,3 x 60 cm

Van Gogh Museum Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation)