Serie: „Edvard Munch. Der moderne Blick“ in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main, Teil 1

Claudia Schulmerich



Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Munch? Eine Ausstellung zu Munch. Eigentlich ist zu Munch alles gesagt, und wo auch immer Ausstellungen seiner Werke stattfinden- wie jüngst im Museum Leopold in Wien – sind diese gut besucht, weil man genau das vorfindet, was man erwartet: einen melancholischen, von Schicksalsschlägen und den eigenen Dämonen niedergedrückten, hochsensiblen Künstler, der seine Gefühle in die Kunstwerke verlagert.


Von seiner Bedeutung wußten die Zeitgenossen und es gibt kaum einen Maler dieser Generation – nein, der 1863 geborene Munch überlebte eigentlich alle ihm bekannten Kollegen und starb erst 1944 -, also: dieser Generationen, der nicht von Munch beeinflußt wurde, der zudem, als deutsche Künstler – bis auf Paula Modersohn-Becker - noch im Land blieben, in Paris genauso zu Hause war wie in Paris oder Berlin. In Berlin dann sogar besonders. Auf diesem Hintergrund klingt interessant, was die Kuratorin der Schau, die am Centre Pompidou – dort lief diese Ausstellung zuerst mit fast einer halben Million Besucher, von hier aus geht sie anschließend an die Tate Modern- tätige Angela Lampe über das Vorhaben äußerste.

Man wolle  einmal nicht den bekannten, depressiven, dunkelgestimmten Munch zeigen, sondern ihn als einen modernen Künstler präsentieren, denn dieser Edvard Munch sei ein durch und durch moderner gewesen und die in zehn Themen gegliederte Ausstellung werde dies beweisen, so die These. Sagen wir es gleich, die Ausstellung hält dies Versprechen, wenngleich durch den anderen Blick, den sie auf sein Leben und sein Werk wirft, dennoch am Schluß der alte Munch nicht verloren geht. Und das ist sehr viel Gutes, was man über eine Ausstellung sagen kann!

Das Neue an diesem Munch ist einmal sein Vorstellen als einen, der am Puls der Zeit lebte und alle technischen Neuerungen nicht nur aufmerksam verfolgte, sondern sich ihrer bediente, wo er konnte. Hört man dann, daß auch Röntgenstrahlen ihn faszinierten, wie überhaupt alles, was nicht sichtbar, aber durch Wellen durch die Welt wandert, ihn beschäftigte, dann sieht man nicht nur beim der Abteilung STRAHLUNGEN in der Sonne und ihren Strahlen aus dem Jahr 1910-13 eindeutig eine Radarsonne, sondern verblüfft betrachtet man beim Holzschnitt von 1943 die nervösen Linien, die eindeutig als Elektrizität wahrnehmbar sind und doch nichts anderes sind, als geschickt in Szene gesetzte Maserungen des Holzes.

Ebenso ergeht es einem bei dem Ganzkörperporträt eines Kristian Schreiner, der in einer Aura von Strom steht. Aber dann denkt man daran, daß diese Wahrnehmung und Wiedergabe der Welt keine ist, die nur Munch eigen wäre, und denkt an die Lehren des Rudolf Steiner (1861-1925)  und seiner Anthroposophie oder auch die Bilder des litauischen esoterischen Malers und Komponisten Mikalojus Ciurlionis (1875-1911) und fühlt auf einmal diesen Edvard Munch in ganz anderer Nachbarschaft als der der Expressionisten beispielsweise.


Bis 13. Mai 2012
Anschließend vom 28.6. bis 12. 10. 2012 Tate Modern, London

www.schirn.de

Katalog: Edvard Munch. Der moderne Blick, hrsg. Schirn Kunsthalle Frankfurt, Verlag HatjeCantz 2012. Der Katalog ist ein getreues Abbild der Ausstellung und ihrer thematischen Differenzierung, kann dann natürlich durch Wortbeiträge, die These vom Neuen an Munch vertiefen.

Reihe Kunst zum Hören: Edvard Munch. Wir freuen uns immer, wenn eine Ausstellung durch HatjeCantz  auch die Verbindung von Schauen und Hören bietet. Dies geschieht, indem 23 Werke ausgewählt wurden, die im Buch auch abgebildet sind, die man also zu Hause anschaut, während man die Besprechung dazu hört. Sowohl als Vorbereitung zur Ausstellung wie auch als Vertiefung hervorragend geeignet.