Serie: „Edvard Munch. Der moderne Blick“ in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main, Teil 2

Claudia Schulmerich

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Daß Munch ein Foto- und Filmfan war, ist uns auch neu. Man sieht seine frühen Aufnahmen und die späteren und hat durchaus Probleme, von diesen auf seine Gemälde zu schließen. Was aber überzeugend ist, ist der Hinweis auf seinen fotografischen und filmischen Blick, der seinen Gemälden zu Gute kommt.


Zwar hatte auch schon Turner die Eisenbahn als Gefahrenmoment gemalt, das ratternd die Welt zerteilt, aber erst die ersten Filme haben die Zuschauer durch auf sie zurasende Lokomotiven zum Flüchten und Angsthaben gebracht. Ähnlich wirkt das imposante Gemälde PFERDE IM GALOPP, wo schon das eine, das uns entgegenkommt, uns gleich niedermähen wird, erwartet man.

Jedes der zehn Thematiken bringt seine überzeugenden Beispiele. Zwei sind eigentlich ineinander verschränkt. Denn wenn unter WIEDERHOLUNGEN das Phänomen vorgeführt wird, wie Munch über Jahrzehnte hinweg immer wieder dieselben Motive wie das kranke Kind, Vampir, Kuß oder zwei Menschen am Strand oder die drei Mädchen auf der Brücke wiederholte, kopierte, anverwandelte, dann ist nur ein kleiner Schritt zu OBSESSIONEN, wo dasselbe Phänomen verschärft vorgeführt wird, wenn nämlich die WEINENDE FRAU im Jahr 1907 sechs, sieben Mal in immer neuer Technik, einschließlich einer Skulptur wiedergeben wird. Das ist einem eigentlich nicht neu, erhält aber in dieser Ausstellung einen anderen Stellenwert.

Daß zu den Besessenheiten des Malers Munch auch die Selbstporträts gehören, verbindet ihn mit vielen Malern, die sich gerne Modell standen und an sich selbst auch die Veränderungen wahrnehmen konnten. Hier nimmt dies neue Dimensionen an, weil auch die Fotografie zur Selbstreflexion führt und er sich aus allen möglichen Positionen mit der eigenen Hand herumwandernd ablichtet. In diesem Kontext wird auf einmal sein Heimatland Norwegen wichtig. Munch war zwar schon Europäer, aber er blieb auch immer Norweger. Es gäbe dort eine Tradition ist zu hören und zu lesen, daß man über sein eigenes Leben schreiben solle und dies auch tue. Wenn man den großen Bereich der autobiographischen Werke nimmt, die hier unter diesem Titel zusammengestellt sind, dann kann man daraus folgern, daß eine Selbstsuggestion von Munch war. MALE DEIN LEBEN1

Daß Munch sich sozialer Gerechtigkeit verpflichtet fühlte, weiß man aus der Theorie und das Bild ARBEITER IM SCHNEE , das sehr hoch und aufrecht Arbeiter zeigt, ist aus dem Munch Museum in Oslo gekommen, ohne deren Leihgaben diese Ausstellung nicht möglich gewesen wären. Ein anderes Arbeiterbild ist das erste Mal seit seinem Verkauf nach Japan 1924 wieder in Europa.

Bis 13. Mai 2012

Anschließend vom 28.6. bis 12. 10. 2012 Tate Modern, London

www.schirn.de

Katalog: Edvard Munch. Der moderne Blick, hrsg. Schirn Kunsthalle Frankfurt, Verlag HatjeCantz 2012. Der Katalog ist ein getreues Abbild der Ausstellung und ihrer thematischen Differenzierung, kann dann natürlich durch Wortbeiträge, die These vom Neuen an Munch vertiefen.

Reihe Kunst zum Hören: Edvard Munch. Wir freuen uns immer, wenn eine Ausstellung durch HatjeCantz  auch die Verbindung von Schauen und Hören bietet. Dies geschieht, indem 23 Werke ausgewählt wurden, die im Buch auch abgebildet sind, die man also zu Hause anschaut, während man die Besprechung dazu hört. Sowohl als Vorbereitung zur Ausstellung wie auch als Vertiefung hervorragend geeignet.