Zur Zerstörung der Kulturstätten NIMRUD, in der Provinz NINIVE u.a. durch den IS-Staat, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Selten konnte man politischen Unverstand, gesellschaftliche Verbrechen und brutale männliche Dummheit in solcher Massivität erleben, wie gerade jetzt, wo blinde Zerstörungswut der IS-Kämpfer ihre eigenen kulturellen Wurzeln plattmachten. Selten erlebt man die tiefe Weisheit der Sentenz als derart direkt und als so wahr: „Wenn man nicht weiß, woher man kommt, weiß man nicht, wohin man geht.“

 

Diese Idioten zerstören ihre eigene Vergangenheit, eine, auf die sie stolz sein könnten und ihr Unterlegenheitsgefühl in der Welt kompensieren könnten. Denn, was diese IS-Anhängsel mit Planierfahrzeugen und Preßlufthämmern am Donnerstag in den Ruinen der mehrere Jahrtausend alten ehemaligen assyrischen Hauptstadt NIMRUD zerstörten, war einst das Zentrum der Alten Welt, die bis ans Mittelmeer reichte, wo das nördlich gelegene Europa noch in den Kinderschuhen steckte, ihre Bewohner schriftlos in Sümpfen und Dörfern lebten, während die hochzivilisierten Assyrer nicht nur die Schrift kannten, sondern in ihrer Herrscherschicht das Luxusleben entwickelten, das für viele heutige Potentaten Vorbild ist: prächtige Paläste, bewacht von „Bodyguards“, wie man die Leibwächter heute leider nennt, wo doch Leibwächter ein solch schönes sinnliches Wort ist.

 

In Nimrud und vor anderen assyrischen Palästen und Heiligtümern allerdings waren diese Gebäude- und Personenschützer aus Stein. Es sind riesige steinerne Torhüterfiguren, die die Körper von Tieren und die Köpfe von Menschen tragen. Als Mischwesen sprach von ihnen die Antike, den CHIMÄREN, was auf Griechisch eigentlich Ziege heißt, weil dieses Tier besonders oft als anthropozoomorphe Mischwesen gestaltet wurde. In Ägypten dagegen besaßen die Götter auf menschlichen Körpern Tierköpfe, nicht nur, denn bei der Sphinx ist es genau andersherum: ein Menschenkopf auf einem Löwenkörper. Das galt auch für die Kentauren aus Griechenland und Kleinasien, deren Pferdeunterleib einen Menschenoberkörper mit Kopf trug. Viel spielerischer geht bis heute eine andere Kombination sogar in unsere Märchen ein: die Meerjungfrauen, die den Frauenoberkörper mit einem Fischunterleib, also auch Fischschwanz, versehen.

 

Das war nur ein kurzer Ausflug in die Nachbarkulturen, die alle den Austausch mit den Assyrern pflegten, bzw. ihr Erbe übernommen hatten, wie die Perser, die das Assyrische Reich 612 v. Chr. zerstörten, aber immerhin, klug wie sie waren, die Gebäude und Kultgegenstände am Leben ließen. Der Feind schonte die Kultur der Besiegten und bewahrt sie dadurch und die Nachkommen zerstören sie!!! Wir sprechen hier von etwa 3 300 Jahren, deren kulturelle Reste im Irak von den IS-Milizen laufend und verschärft wieder am Donnerstag vernichtet wurden. NIMRUD, das in der Bibel Kalach heißt, liegt am mittleren Tigris und wurde im 13. Jahrhundert v. Chr. gegründet. Seine Hochzeit hatte NIMRUD als König Assurnasirpal II. es im 9. Jahrhundert v. Chr. zur Hauptstadt des Assyrische Reich machte. Liest man beim griechischen Geschichtsschreiber XENOPHON nach, der so gerne andere Länder als Vorbilder beschrieb, so liest man von Larisa, wie er NIMRUD nennt.

 

Natürlich darf man das nicht nur beklagen, sondern muß etwas tun. Nur was? Zuallererst einmal nachfragen, warum ein solcher „kultureller Genozid“, wie es der irakische Autor Riad Abd al Karim ausdrückte, überhaupt passiert. Was diese selbst ernannten Gotteskämpfer damit ausdrücken wollen. Die Antwort ist wieder einmal: DER ISLAM. Oder besser, was diese Gotteskrieger dafür halten. Denn in ihrem Verblendetsein können sie nicht unterscheiden zwischen Kultur und Glauben. Sie sagen, daß diese Kulturdenkmäler – also die Überbleibsel ihrer eigenen Vergangenheit – ABGÖTTEREI seien, der Islam verbiete aber Götzenbilder, wie er überhaupt Bilder von Allah verbietet. Übrigens auch interessant, daß wir alle das für Gott geltende angebliche Bilderverbot von Juden, frühen Christen und heutige Muslimen bruchlos auf Mohammed übertragen, der ja kein Gott ist, sondern 'nur' dessen Prophet. Da ist sowieso in unser aller Köpfe etwas aus dem Tritt geraten.