Zur Zerstörung der Kulturstätten NIMRUD, in der Provinz NINIVE u.a. durch den IS-Staat, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Aber zurück zur Logik und Unlogik des IS-Staates. Sie sind von innen her kulturlos, weil sie die vorgefundene Welt nicht als eine begreifen, die Menschheitsgeschichte dokumentiert.

 

Wenn die ganze übrigen Welt heute als KUNST wahrgenommene alte Kultgegenstände, seien es Statuen oder auch Mauern, als Zeugen der Vergangenheit und auch Zeugen ästhetischer Vorlieben verehrt und Museen aufsucht, um daran Teil haben zu dürfen, dann rührt das aus dem Interesse, die Geschichte der Menschheit kennen, verstehen und in ihren irdischen Überbleibseln auch lieben zu lernen. Denn allein beim Anschauen der statuarischen überlebensgroßen Steinfiguren, erfährt der Schauende in seinem Inneren mehr über die damalige Zeit, als es gelehrte Abhandlungen können. Diese Kulturmonumente sind eben auch immer künstlerischer Ausdruck eines Lebens- und Zeitgefühls.

 

Und weil der Ort, das Gebiet, die Region eines der festen Konstanten auf der Erde sind, während die Generationen und auch Völker kommen und gehen, ist es so wichtig, daß sich der Mensch vor allem mit den Dingen der Kultur beschäftigt, wo er lebt. Deshalb können wir auch sagen, daß der IS seine eigene Kultur zerstört, weil er auf den Wurzeln des Vorgefundenen erst zum Islam wurde.

 

Natürlich sind diese Zerstörungen „Kriegsverbrechen“ und sie stellen eine „kulturelle Säuberung“ dar, wie es Irina Bokowa, als Chefin der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) am Freitag in Paris bezeichnete. Was wichtig wäre, das ist nicht die weltweite Ächtung allein, auch nicht die lobenswerte Kultureinsatzgruppe von neuen MONUMENTS MEN, sondern der Aufstand derer, denen zuvörderst ihre Kultur genommen wird, die der heute arabischen Welt.

 

Wenn man früher von Vandalen sprach, dann meinte man damit eigentlich diejenigen, die fremde Kulturgüter auslöschen. Heute zerstören die Vandalen vom IS ihre eigene Herkunft. Die Tragik der in den Gebieten dieser alten Herrschaftsgebiete Lebenden ist ja, daß ihre Kultur von angeblich Islamgläubigen vernichtet wird. Sie sind es zuvörderst, die dagegen protestieren müßten und das nicht nur im Irak, sondern in der ganzen Welt, wo Muslime leben, in deren Namen das alles passiert. So weit wir das verstanden haben, müßten vor allem die sunnitischen Gläubigen aufstehen und „HALT“ rufen, denn in ihrem Namen werden ja nicht nur altorientalische Stätten zerstört, sondern auch christliche Kirchen und schiitische Moscheen. Auch noch ein Bruderkrieg. Ein Krieg gegen alle.

 

 

Kommentar:

 

Eine neue Wertung erhalten durch solche Barbarenvorgänge auch die Museen in unseren Breiten, die altorientalische Sammlungen beherbergen. Natürlich ist das Britische Museum in London das weltweit größte, das durch sein Commonwealth in den Stand gesetzt, rechtzeitig auch die Länder des vorderen Orients ausgeräumt hatte, oft über Lug und Betrug, auch militärische Gewalt. Und so richtig es ist, daß man sich in dem wunderbaren Vorderasiatischem Museum in Berlin von den Mauern von Babylon verführen läßt, das Ischtar-Tor bestaunt oder die Prozessionsstraße von Babylon, so falsch ist es generell, daß die Kultgegenstände, die uns heute Kunst sind, nicht an den Orten gezeigt werden, wo sie herstammen. Und wo sie hingehören.

 

Allerdings zeigt einem die Zerstörungswut des IS, erst in Mossul, dann in Ninive, daß wir heute geradezu froh sein müssen, wie viele der Gegenstände in Europa, auch den USA, in musealer Sicherheit sind. Das wirft für uns einen ganz neuen Blick auf Zusammengetragen-Zusammengeraubtes und billig, weil unter Wert, Zusammengekauftes. Auch Sammlungen wie die Islamischer Kunst sind wohl derzeit in der westlichen Welt gesicherter als in islamischen Ländern. Daß gleichzeitig das 12 Jahre lang geschlossene Irakische Nationalmuseum gerade jetzt wieder geöffnet wurde, wo der Rest des von Amerikanern und Irakern geplünderten Schatzes noch immer für die größte Sammlung des antiken Zweistromlandes sorgt, mutet wie eine Ironie der Geschichte an. Dort sind die Kulturgüter der Sumerer, der Babylonier, Akkader, Assyrer ausgestellt. Wir wollen auch darüber berichten.

 

Daß natürlich die assyrischen Schätze wie die anderer antiker Kulturen nicht nur den heutigen Vorderasiaten gehören, wollen wir ausdrücklich betonen, haben dies aber nicht in den Mittelpunkt gestellt. Sie sind das Menschheitserbe, das auch unsere Vergangenheit als Bewohner dieser einen Erde ist. Deshalb wurde ja die UNESCO gegründet und deshalb auch die Institution des WELTKULTURERBES geschaffen, weil es dabei um unser aller Vergangenheit, um unser gemeinsames kulturelles Gedächtnis geht.

 

Heute weiß man erst wieder, wie verschränkt die alten Welten miteinander waren, was für uns als Nachkommen des 19. Jahrhunderts und seiner Nationalstaaten doch stark aus dem Blick geraten war und erst in den letzten Jahrzehnten durch Publikationen wie der Weltgeschichte aus der Wissenschaftlichen Buchgemeinschaft Darmstadt (WBG) wieder zur Universalgeschichte dieser Erde wird. Zur neuen Sicht auf die miteinander vernetzte Welt konnten auch Ausstellung mitbeitragen, die wie beispielsweise die Mannheimer ALEXANDER-AUSSTELLUNG zeigte, daß für Alexander den Großen in Persien noch lange nicht Schluß war, sondern noch heute in usbekischem Sand Überbleibsel der Armee von Alexander, seinen Soldaten und ihren Bauten gefunden werden.