Zwei zentrale Bausteine der Digitalen Erweiterung des Städel Frankfurt gehen am 15. März online, Teil 1
Susanne Sonntag
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Nach über zweijähriger Entwicklungszeit ermöglicht das Städel Museum mit seiner Digitalen Sammlung einen völlig neuartigen Zugang zu seinen Beständen. Das auf dem umfassenden Sammlungs- und Datenfundus des Frankfurter Museums aufbauende Vermittlungstool verfügt über eine semantische Suche, die sowohl kunstwissenschaftliche Interessen bedient als auch individuelle Suchpfade durch 700 Jahre Kunstgeschichte nach intuitiven und assoziativen Kriterien eröffnet.
Für dieses „digitale Schlendern“ bietet die kostenlos zugängliche, cloudbasierte Exponate-Plattform eine weitreichende Verknüpfung der Werke. Wir wollen zuerst einmal ganz neutral die Möglichkeiten für den Benutzer ab Sonntag beschreiben. In weiteren Artikeln wollen wir – die wir als Journalisten schon hineinschauen durften – unsere ersten Versuche veröffentlichen.
Geboten werden großformatigen Abbildungen, multimedialen Inhalten wie Audiosequenzen und Filmproduktionen sowie unterschiedlichsten Informationen zu Kunstwerken des Städel. Aus der semantischen Aufbereitung der Daten interner und externer Quellen ergibt sich so ein reicher Contentpool mit rund 100 Datenfeldern zu jedem einzelnen Kunstwerk. Die Beta-Version dieser Plattform ist ab dem 15. März 2015 zugänglich und ermöglicht auch jenseits der physischen Grenzen des Museums einen neuartigen Zugang zur Sammlung.
Die Exponate-Plattform des Städel wird seit Mitte 2012 in Kooperation mit der Hochschule Darmstadt, der Software AG und der media transfer AG (mtG) entwickelt. Das Front-End wurde vom Designbüro Zum Kuckuck konzipiert und gestalterisch umgesetzt. Die Schlagwortsuche der Werke wird vom Städel Museum in Kooperation mit dem Bildarchiv Foto Marburg durchgeführt.
Ermöglicht wird diese groß konzipierte digitale Grundsteinlegung des Städel Museums durch zahlreiche Förderer: Land Hessen im Rahmen der Hessen ModellProjekte aus Mitteln der LOEWE ‒ Landesoffensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (Entwicklung Städel Digitale Sammlung), Kulturdezernat der Stadt Frankfurt am Main (Verschlagwortung Städel Digitale Sammlung), Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) (Digitalisierung Gesamtbestand Handzeichnungen Graphische Sammlung) und DZ BANK AG (Verschlagwortung Fotografien DZ BANK Galerie im Städel Museum) sowie durch große Unterstützung privater Förderer.
„Hinter der Digitalen Sammlung des Städel steht eine langjährige und umfangreiche digitale Aufbereitung unserer Bestände. Der nun auf diese Weise zugängliche Datenfundus mit seinen facettenreichen Verknüpfungen und unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten ist ein bislang einmaliger und richtungsweisender Vorschlag, mit intelligenten semantischen Suchtechnologien ein neuartiges und weiteres Angebot abseits vom klassischen Besuch im Museum und damit andere Formen der digitalen Vermittlung zu ermöglichen“, sagt Max Hollein, Direktor des Städel Museums.
„Mit der cloudbasierten Exponate-Plattform ist es uns gelungen, die Digitalisierung des Kultursektors wegweisend voranzutreiben“, so Karl-Heinz Streibich, Vorstandsvorsitzender der Software AG. „Nur durch das interdisziplinare Projektteam aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft konnte die erste erfolgreiche Transformation zum digitalen Museum in Deutschland gelingen.“
Zum Auftakt sind rund 600 Werke mit insgesamt über 52.000 Detailinformationen und Schlagworten gelistet sowie 490 Audiospuren und über 80 Filmproduktionen verfügbar. Bis Jahresende werden über 1.500 Werke aufrufbar sein. Zu jedem Werk erhält der Nutzer nach Aufruf großformatige Abbildungen in HD Qualität, vielfache Informationen in unterschiedlichen Medien sowie eine Übersicht zur Ausstellungsgeschichte, verschiedene Textbeiträge oder bis zu neun Audioguide-Spuren pro Werk und Filmangebote.
Damit eröffnet sich je nach Interesse ein individuell zugeschnittener Zugang zu den Sammlungsinhalten. Durch die Struktur und das speziell entwickelte Frontenddesign der Digitalen Sammlung wird der Nutzer bei der Suche inspiriert und auf weitere Werkverbindungen hingewiesen und kann so die Kunstwerke in ihrem Kontext entdecken:
Wer beispielsweise das Gemälde Die Blendung Simsons Rembrandt van Rijns aufruft, schon immer ein Hit für die Besucher, bekommt neben Vorschlägen zu weiteren Werken des Künstlers ebenfalls andere Gemälde des 17. Jahrhunderts, aber auch das 1963/64 entstandene Gemälde Oberon von Georg Baselitz aufgezeigt, das eine ähnlich drastische Wirkung auf den Betrachter auszuüben vermag. Durch die Verknüpfung der Werke sowohl mit alltäglichen Schlagworten als auch mit einer Schlagwortsuche nach kunstwissenschaftlichen Begriffen und der Klassifizierung der Bildinhalte nach dem internationalen Kodierungssystem Iconclass können User nach Stimmungen, nach der Wirkung auf den Betrachter oder nach Motivthemen, aber auch nach kunstwissenschaftlichen Fachtermini suchen und fündig werden.
Die Nutzer der Exponate-Plattform können zudem Favoriten markieren, Alben anlegen und diese über Social-Media-Kanäle teilen; auch die individuellen Schlenderpfade durch 700 Jahre Kunstgeschichte können geteilt werden. Durch fortlaufende Aktualisierung der Datenbestände erfährt der Nutzer, ob ein Werk im Augenblick im Museum ausgestellt ist.
„Während des Schlenderns durch die Städel Digitale Sammlung gelangt der User vom reinen Suchen zum inspirierenden Finden und Vergleichen und bekommt neue Verbindungen zwischen verschiedenen Werken über Epochen hinweg aufgezeigt. Ziel der Plattform ist es, interaktiv und multimedial ein individuelles digitales Erlebnis der Sammlungsinhalte zu ermöglichen“, sagt Dr. Chantal Eschenfelder, Leiterin der Abteilung Bildung & Vermittlung und Projektmitarbeiterin der Plattform.
Medieninhalte aus externen Datenquellen werden in der Digitalen Sammlung durch Schnittstellen integriert. So wird beispielsweise eine in Kooperation mit dem 3sat-Magazin Kulturzeit entstandene Reihe zu 20 Meisterwerken des Städel nicht nur in den Sendungen vom 2. bis 16. März 2015 anlässlich des Städel-Jubiläums ausgestrahlt, sondern auch langfristig bei den entsprechenden Werken in der Exponate-Plattform aufrufbar sein.
Ein durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes und bis 2017 durchgeführtes Forschungsprojekt, welches die Digitalisierung und Schlagwortsuche des 22.000 Blätter umfassenden Gesamtbestands der Handzeichnungen der Graphischen Sammlung des Städel Museums beinhaltet, wird ebenfalls Eingang in die digitale Exponate-Plattform finden. Auf diese Weise können neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und eine Vielzahl unterschiedlichster Informationen für die interessierte Öffentlichkeit wie die wissenschaftliche Forschung umfassend zur Verfügung gestellt werden.
Die stetige Weiterentwicklung der Digitalen Sammlung steht auch nach Start der Beta-Version am 15. März 2015 im Mittelpunkt. Neben dem fortwährenden Ausbau der Datensätze arbeiten die Projektpartner bereits an neuen Funktionen, welche die Möglichkeiten der Plattform weiter ausdehnen: So wird ein Mechanismus geschaffen, der Social Tagging erlauben wird. Nutzer werden auf diese Weise zusätzliche, individuelle Schlagworte zu den Werken vergeben können. In der Version 1.1 werden den Usern auch mittels einer Content-Recommendation-Funktion ausgewählte Inhalte vorgeschlagen, die sich an den Interessen bei der Suche auf der Exponate-Plattform orientieren. Mit Veröffentlichung der Version 1.1 wird zudem eine englische Sprachvariante zur Verfügung stehen.
Für diese und weitere Verbesserungen sind Nutzer zur aktiven Mitarbeit und Kommentierung eingeladen, um die Städel Digitale Sammlung gemeinsam weiterzuentwickeln. Feedback kann unter der E-Mail-Adresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! abgegeben werden.
Es wird ein innovatives und edukatives Point-and-Click-Adventure-Game für Kinder realisiert, Online-Kunstgeschichtskurse zur Moderne in Kooperation mit der Leuphana Universität Lüneburg erarbeitet, mit dem bereits gestarteten digitalen Vermittlungsangebot des „Digitorials“ zur Monet-Ausstellung eine zeitgemäße Vorbereitung auf den Ausstellungsbesuch ermöglicht und das Filmangebot massiv ausgebaut, sodass neben den eigens produzierten Ausstellungs- und Künstlerfilmen neue Formate für die Plattform wie den YouTube-Kanal des Städel entstehen.
Seit Februar 2015 können Besucher zudem flächendeckend im Städel kostenfreies WiFi nutzen und auch die ab dem 11. März 2015 erhältliche Städel App herunterladen, den Audioguide auf dem eigenen Device hören oder Erlebnisse des Museumsbesuchs festhalten und auf Social-Media-Kanälen teilen. In der neu konzipierten Digitalen Kunstkammer im Städel Museum gibt es ab 15. März 2015 die Möglichkeit, vor Ort neben dem Medientisch auch die Digitale Sammlung an einem Touchscreen sowie das Game für Kinder auszuprobieren.
Eine neu entwickelte Städel App bietet außerdem viel Wissenswertes rund um den Museumsbesuch sowie die Möglichkeit, ausführliche Hintergrundinformationen zu Meisterwerken der Sammlung abzurufen und aktuelle Audioguides direkt aufs Smartphone zu laden. Die für iOS und Android konzipierte App ist kostenlos in allen gängigen Appstores erhältlich. In der neu eingerichteten Digitalen Kunstkammer können Besucher die vielfältigen digitalen Vermittlungsangebote auch innerhalb des Städel ausprobieren. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung des Alltags ist die Erweiterung des Bildungsauftrags in den digitalen Raum ein zentrales Anliegen des Frankfurter Museums.
Foto: Andreas Reese
INFO:
digitalesammlung.staedelmuseum.de
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