Neun fein ausbalancierte Stahlskulpturen von Robert Schad und vier stilisierte menschliche Bronzefiguren des Niederländers Henk Visch
Robert Matta
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Jaume Plensas Großskulptur „Body of Knowledge“ auf dem Campus Westend hat den Sommer über wieder Gesellschaft bekommen: Auf der Wiese vor dem IG-Farben-Haus und auf den Freiflächen zwischen IG-Farben-Haus und Casino sind bis zum 4. Oktober markante Skulpturen des niederländischen Künstlers Henk Visch und des deutschen Bildhauers Robert Schad zu sehen.
Die Kunstwerke sind Teil der Ausstellung „Blickachsen 10“, die am 31. Mai (Sonntag) in Bad Homburg eröffnet wird. Von Bad Homburg aus führen symbolische Blickachsen an acht zusätzliche Ausstellungsorte der Region, zum dritten Mal ist auch der Campus Westend der Goethe-Universität dabei. Die Jubiläumsausstellung der zehnten „Blickachsen“ zeigt insgesamt fast 80 Großskulpturen von 33 internationalen Künstlern.
Neun der unverwechselbaren, fein ausbalancierten Stahlskulpturen von Robert Schad (Jahrgang 1953) erwarten die Besucher vor dem IG-Farben-Haus auf dem Campus Westend. Weite Schwünge und Bögen kennzeichnen die aus massivem Vierkantstahl hergestellten Liniengeflechte des deutschen Bildhauers.
Vier der jüngsten Bronzen des bekannten niederländischen Künstlers Henk Visch aus dem Jahr 2015 sind auf der Grünfläche zwischen IG-Farben-Haus und dem Casino – beides sind das historische Ensemble aus dem Jahr 1928 und von Hans Poelzig erbaut - ausgestellt. Die vier stilisierten menschlichen Figuren sollen die Betrachter dazu anregen, sich mit den bronzenen „Körperskulpturen“ und den durch ihre Haltung und Gestik ausgedrückten Empfindungen in Beziehung zu setzen, sich ihnen in einer gleichsam ursprünglich naiven Haltung zu nähern.
Der Campus Westend mit seiner wunderbaren Parklandschaft ist für den Bad Homburger Initiator und Kurator der Skulpturenbiennale Christian K. Scheffel ein idealer Ort, sich den Herausforderungen von Wissenschaft und zeitgenössischer Kunst gleichermaßen zu stellen. Und anregende Diskussionen über die Skulpturen werden bereits in den Social Media und auf dem Campus geführt.
Die diesjährige Jubiläumsausstellung gestaltete der Kurator Scheffel in enger Kooperation mit dem Antwerpener Middelheimmuseum, einem der Pioniere im Bereich der Skulpturenausstellung im öffentlichen Raum. Neben großen Namen der Bildhauerei wie Arman, Giacomo Manzù, Werner Pokorny, Franz West oder Erwin Wurm gibt die Ausstellung auch einen Einblick in die junge Kulturszene Belgiens. Dabei werden unterschiedlichste Positionen der dreidimensionalen Gegenwartskunst in Beziehung zueinander und zu ihrem Ausstellungsort gesetzt. Auch eigens für die Ausstellung geschaffene Arbeiten sind wieder dabei. Die diesjährige Auswahl der Werke von 33 internationalen Künstlerinnen und Künstlern hat Scheffel zusammen mit Sara Weyns, Direktorin des Middelheimmuseums und dem flämischen Künstler Lieven Segers getroffen.
Infrastruktur
Seit 2013 gibt es die Stiftung Blickachsen gGmbH, die seit „Blickachsen 9“ die Ausstellungen verantwortet und gemeinsam mit dem Magistrat der Stadt Bad Homburg, der Kur- und Kongreß-GmbH und der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen veranstaltet; Vorsitzender des Kuratoriums ist Stefan Quandt. Der Geschäftsführer der Stiftung, Christian K. Scheffel, dazu: „Die Stiftung wurde mit dem langfristigen Ziel gegründet, durch einen stetigen Ausbau der ‚Blickachsen‘ im öffentlichen Raum jungen und arrivierten Künstlern aus der ganzen Welt eine Plattform zu bieten. Wir wollen den künstlerischen Nachwuchs fördern und gleichzeitig das allgemeine Interesse und Verständnis für die verschiedensten Positionen der dreidimensionalen Kunst steigern.“
Zu den Künstlern und ihren Werken auf dem Campus Westend
Robert Schad (geboren 1953 in Ravensburg)
Er ist bekannt für seine monumentalen Stahlskulpturen. Ausgehend von der Idee körperlicher Bewegungen gestaltet er Linien aus massivem Vierkantstahl, die sich durch den Raum zu bewegen scheinen. Vor dem IG-Farben-Haus werden in diesem Jahr im Rahmen der „Blickachsen 10“ neun seiner Außenraumwerke gezeigt. Schwere, Beständigkeit und Unbeweglichkeit sind Eigenschaften, die mit dem Material Stahl verbunden werden. Schads großformatige Plastiken dagegen vermitteln den Eindruck von Leichtigkeit. Die trotz ihrer Größe filigran anmutenden Stahllinien recken sich in die Höhe, scheinen sich in der Waagerechten auszubalancieren oder sich mäandernd auf und ab zu bewegen. Die gelenkige Erscheinung der Stahlgebilde steht dabei in starkem Kontrast zur tatsächlichen Massivität des Werkstoffs. Als Vorlage für seine Plastiken dient Schad stets der Tanz: Die Skulpturen seien die Tänzer, er selbst übernehme die Rolle eines Choreographen, indem er Körperhaltungen und Bewegungsabläufe in abstrahierter Form einzufangen sucht, gibt der Künstler selbst an. Das Resultat sei die „angehaltene Bewegung eines tänzerischen Ausdrucks“ ? sie gilt es in ihrer räumlichen Ausdehnung wahrzunehmen.
Schad, der an der staatlichen Akademie für Bildende Künste in Karlsruhe bei Albrecht von Hancke und Wilhelm Loth studiert hat, erhielt bereits 1980 sein erstes Stipendium für einen Arbeitsaufenthalt in Porto/Portugal, weitere Stipendien folgten. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählen u.a. der Preis für Zeichnung der III. Biennale für zeitgenössische Kunst, Vila Nova de Cerveira/Portugal, (1982), der XXV. Internationale Preis für Zeichnung Joan Miró, Barcelona/Spanien, (1986) sowie der Große Preis der II. Internationalen Biennale für Bildhauerei in Obidos/Portugal (1989–90). Seit 2000 lebt und arbeitet Robert Schad in Larians im Departement Haute-Saône in Frankreich, wo er 2004 seinen eigenen Skulpturenpark eröffnete.
Henk Visch (geboren 1950 in Eindhoven, Niederlande)
Ebenso vielfältig wie seine Tätigkeitsfelder präsentiert sich das künstlerische Schaffen von Henk Visch. Figürliche Plastiken und abstrakte Konstruktionen zählen zu seinem Œuvre, kleinformatige Werke stehen monumentalen, überlebensgroßen Skulpturen gegenüber und das verwendete Material reicht von Holz über Aluminium und Eisen bis hin zu Bronze. Es gibt keine kontinuierliche Entwicklung in seinem Schaffen, vielmehr sind seine Arbeiten Ausdruck einer steten Suche nach der je adäquaten Umsetzung seiner Bildideen. Seine Werke entziehen sich einer eindeutigen Interpretation, sie sind als „Angebote grenzenloser Denkräume“ zu verstehen. Henk Visch bespielte 1988 den niederländischen Pavillon auf der Biennale in Venedig und war Teilnehmer der documenta IX in Kassel. Seit 2005 ist er Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie in Münster. Er beschreibt seine Kunst als den geformten Teil seines Lebens, der in der Öffentlichkeit auftritt. Henk Visch ist Bildhauer, Zeichner und Poet, er kuratiert Ausstellungen und schreibt Kunstkritiken.
Visch präsentiert auf den Grünflächen zwischen IG-Farben-Haus und Casino die Plastiken „A sex-driven person, lost in the city“, „Five ladies and a gentleman in the colony club“, „The Architect” und „The Illusionist“. Die vier ausgestellten Arbeiten aus dem Jahr 2015 zeigen menschliche Körper: Die figürlichen Darstellungen sind stehend, sitzend oder in einer turnenden Haltung mit nach unten gebeugtem Oberkörper und hochgerecktem Gesäß wiedergegeben. In seinen „Körperskulpturen“ setzt sich Visch immer mit tradierten Themen figürlicher Darstellungen auseinander. Indem er die Skulpturen zu groß oder zu klein gestaltet, die Köpfe stilisiert und im Verhältnis zum Körper viel zu groß geraten lässt oder einzelne Gliedmaßen sogar ganz fehlen, verhandelt er Fragen der Torsierung und Fragmentierung des menschlichen Körpers.
Foto:
Henk Visch, A sex-driven person, lost in the city, 2015, Bronzeguss, Höhe: 210,
© courtesy Stiftung Blickachsen und Künstler
Internet: www.uni-frankfurt.de