Serie: Dialog der Meisterwerke. Hoher Besuch zum 200sten Jubiläum des Städel Frankfurt, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Weit über den Main kann man am Gebäude des Städel von den Stars, die Stars besuchen, lesen und gleich die beiden Schönen bestaunen, die als Beispiel dienen, worum es hier geht: zu Meisterwerken des Städel gesellen sich aus aller Welt hochrangige Gemäldegäste, die mal einzeln, mal zu zweit, mal gleich als Gruppe die Frankfurter Stars hier besuchen.

 

Natürlich werden solche Formulierungen von den Stars deshalb genommen, um das Publikum auf etwas Besonderes aufmerksam zu machen. Aber es stimmt auch inhaltlich und warum sollte man die größten Schätze des Museums nicht als Stars bezeichnen. Wir tun es gerne, denn diese Jubiläumsausstellung, die rund 65 Meisterwerke aus internationalen Museen zur Aufwartung des 200sten Geburtstags bis zum 24. Januar 2016 ins Städel bringt, ist eine wohldurchdachte Museumsplanung, die die kunstgeschichtliche Fundierung der Ausstellung genauso deutlich macht, wie die exquisite, genüßliche Verführung für die Besucher.

 

Die 65 Meisterwerke, die also als Pendants zu einzelnen Stücken des Städel im gesamten Museum dem jedwedem Partner zur Seite gehängt wurden, erzwingen einfach, daß man die Sammlung durchstreift und gleich beschließt, wiederzukommen und den Rest in Ruhe anzuschauen, wobei man beim nächsten Mal dann wiederum beschließt – den Rest ein andermal anzuschauen....Mal ehrlich. So lassen sich viele Wochen in höchstem Kunstgenuß im Städel verbringen und man hält sich dauernd im Sammlungsbereich auf, eigentlich Sinn eines Museums.

 

Warum das unsere Begeisterung erweckt, hat damit zu tun, daß so schön und einzigartig die großen Ausstellungen aller Museen und auch die des Städel sind, die mit MONET Besucherrekord erzielte, doch die eigene Sammlung immer zu kurz kommt. Da aber mit dem 200 Jahre Jubiläum doch gerade der Stifter, der Kaufmann und Kunstmäzen Johann Friedrich Städel geehrt werden soll, der am 15. März 1815 seine Sammlung durch Stiftung als Museum öffentlich machte, so ist es nachgerade eine kongruente Tat, die gesamte Sammlung zum Ziel einer Ausstellung zu machen, was automatisch passiert, wenn in den insgesamt vier Abteilungen des Hauses diese 65 herausragenden Gäste inmitten des meist zu wenig beachteten Alltags auch diesen zum Strahlen bringen. Uns auf jeden Fall ist es gleich so ergangen, daß wir bei der Suche nach den Stars, zu denen sich Stars gesellen, an ganz 'normalen' Bildern hängengeblieben sind. Aber das werden Sie selber merken. Jetzt zum Besuch der Gäste.

 

Und das ist die zweite Überraschung, die uns so gut gefällt, daß wir beschlossen, eine kleine Serie wie in einem Gästebuch zu machen und die Einzelpaarungen gesondert vorzustellen. Denn jetzt überwältigt uns erst einmal die kluge kunsthistorische Paarung der Bilder. Was ist denn ein Gast, was ist ein Partner, was ein Pendant eines Bildes? Da denkt man sofort an ein Ehepaar, an Mann und Frau als Doppelbildnisse oder wie beim berühmten Astronom von Vermeer an seinen Kollegen, den Geographen, der in Paris hängt und schon einmal zu Besuch in Frankfurt war, vice versa, unser Vermeer dafür auch in Paris. Man kann sich aber auch vorstellen, daß von Malern, die ein Motiv sehr häufig malten, nach Frankfurt dann ein zweites oder drittes Modell gekommen ist, aus dem Früh- oder dem Spätwerk. Da wäre Max Beckmann ein gutes Beispiel, der nicht nur so oft eine schwarze Katze ins Bild schmuggelte, deren wahre Bedeutung über die generelle als Wächter und Hüter immer noch nicht entschlüsselt ist, sondern ein wahrer Chronist der Stadt Frankfurt ist, in der er von 1915 bis 1933 länger lebte als in jeder anderen. Zum Frankfurter Bild des Mains mit dem Eisernen Steg von 1923 kommt sein Vorgängerbild vom Eisernen Steg, eine starke Komposition schräg über die Leinwand von 1922.

 

Eine andere Paarung bietet Otto Dix. Sein eindrucksvolles Familienbild von 1927 wird von seiner Frau Martha besucht, die Hugo Erfurth 1925 fotografierte, und heute in Köln hängt. Man kann an den Gästen auch die Kunstgeschichte verfolgen, wenn zwei Gemälde vor Jahrhunderten getrennt wurden und sich hier nun wiederfinden. Jan van Eyck wäre dafür ein gutes Beispiel. In Frankfurt hängt als Inkunabel das echte Kleinod der LUCCA-MADONNA von 1436/38, seit 1850 Eigentum des Städel. Ein Kult- und Einzelbild. Zwei Jahre früher malte er DIE VERKÜNDIGUNG AN MARIA, liebreizend und in der selben Meisterschaft und doch mit anderer Aussage, als Teil eines Triptychons, das heute in Washington hängt. Gleich will man anfangen mit Panofskys 'hidden symbolism', aber nein, das kommt noch.

 

Damenbesuch hat SIMONTTE VESPUCCI von Botticelli (1480-1485) von AURELIA. Die hat mit langem rotgelocktem Haar 1863/1873 der Präraffaelit Dante Gabriel Rossetti in England gemalt – beide idealtypische Schönen ihrer Zeit. Ganz andere Paarungen ergeben wiederum die Ansammlung von gleichen Sujets der „stillen leeren Zimmer“ von Vilhelm Hammershøi, worauf wir noch kommen.

 

Am ungewöhnlichsten vielleicht die Zusammenstellung einiger Blätter von Ernst Ludwig Kirchner unten in der Graphischen Sammlung. Da sehen wir den Kopf des Dr. Bauer von 1933, mehrfarbiger Holzschnitt. Zu ihm gesellen sich seine Vorarbeiten und technischen Vorgaben, nämlich die originalen Druckstöcke, die in Karlsruhe zu Hause sind und wo man nachvollziehen kann, wie umständlich, weil zeitraubend, die einzelnen Farben gesondert aufgetragen, bzw. abgezogen werden müssen.

 

Fotografien kommen zu Gemälden auf Besuch, aber sie besuchen auch einander, wie es eindrucksvoll, weil groß und bunt, die gewaltig großen Museumsfotografien von Thomas Struth im Gartensaal tun. Das aber war nur der Überblick über eine wundervolle Ausstellung und die gewaltigste Ausstellungsfläche, die es je im Städel für eine Ausstellung gab – mehr geht auch nicht - , über die wir noch im Detail berichten. Fortsetzung folgt

 

Fotos:

 

rechts

Dante Gabriel Rossetti (1828–1882)

Fazio’s Mistress (Aurelia, 1863 (1873 überarbeitet)

Öl auf Mahagoniholz, 43,2 x 36,8 cm

Tate, London

© Tate, London 2015

 

links

Sandro Botticelli (um 1444/45–1510)

Weibliches Idealbildnis (Bildnis der Simonetta Vespucci als Nymphe), um 1480–85

Mischtechnik auf Pappelholz, 81,8 x 54 cm

Städel Museum, Frankfurt am Main

© Städel Museum – U. Edelmann – ARTOTHEK