William Forsythe gewährt im MMK1 einen konzentrierten Blick in seine dynamische Kunstform, Teil 1

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – In Frankfurt am Main ist William Forsythe immer eine geheimnisumwitterte Person geblieben, was in ähnlicher Weise auch für die im April leider verstorbene Vivienne Newport gilt, die wie Forsythe das Ballett in die Weite des geöffneten Raums und in den öffentlichen Raum ausweitete.

 

Tanz beginnt artistisch in Straßen, auf Plätzen und bewegt sich dann in Räume: beginnt im Parkouren, beim Free Running und Climbing über die Stadtsilhouette oder wenn die Balustrade überflogen und die Treppe möglichst berührungsfrei genommen werden soll, auch wenn der Menschenpulk schlafwandelnd zu durchqueren ist und auf dem Eis inmitten des Wusts dann synchronisiert. Die Lust liegt nicht fern, die Stadt anders als gängig zu durchqueren, nämlich leicht, ohne die angestrengte Maschinenarbeit der Gliedmaßen oder maschinenbetriebener Fahrzeuge. An Jacques Tati ist zu erinnern, der den Film in eine Choreographie der tänzerisch geleiteten Szenenfolge weitete.

 

Die Frankfurter Stadtpolitik hat Forsythe und dem hohen Rang seiner Arbeiten, gemessen anhand der erfolgten Zuwendungen aus dem jeweiligen Etat, nie mit wirklicher Überzeugung die Anerkennung gezollt, die sie anderorts zu betonen nicht müde wurde. Aber so geht eben Politik. Sie ist eine kunstferne Einrichtung. Die eine der Parteien möchte die Kunst insgeheim als harmlos dekorative Beweihräucherung und Bestätigung ihrer selbst und ihrer Stände, die sie vertritt, benutzen, die andere würde sie, wenn überhaupt, gern seltsam schräg als Werkzeug der unmittelbar direkten gesellschaftlichen Veränderung nutzen. Brecht war Revolutionär, entstammte aber bürgerlichem Kontext, er war zeitig schon lebenskundiger als der Pfahlbürger, er hatte den unbestechlichen Blick. Dieser machte wesentlich seine Kunst aus und die Voraussetzung des besonderen Blicks gilt für jede andere auch.

 

Jetzt steht die Kunst unter Marketingvorbehalt, ob sie will oder nicht. Jedoch ist das Ballett die herausgehobene Tanzkunst höchster Güte, die mit der Theorie des Marionettentheaters des Heinrich von Kleist, wenn man das so verkürzt ansagen darf, immer absolut in Beziehung gesetzt bleiben wird, weil sie so etwas wie eine andere Realität und Präsenz des öffentlichen Parcours in Straßen, auf Plätzen und in Räumen insinuiert, selbst wenn sie auf Brettern wirkt und in abgelegene Winkel strebt. Daher ist sie vor allem die Utopie auf eine gänzlich andere öffentliche Welt der Fläche und Räume, auch der Bildenden Kunst, versteht auch die Architektur als eine wesentlich andere. Inspiriert hat Forsythe ab 1984 das Publikum über eine 20-jährige Tätigkeit als Direktor des Balletts Frankfurt, das er 2003/2004 aufgelöst hat, woraufhin er das Ensemble The Forsythe Company formte. Forsythes Werke wurden nur in dieser neuen Kompanie entwickelt und aufgeführt. Er wurde zu einer weltweiten Legende, weil er das Ballett, seine hohe choreografische Arbeitsintensität zu einer 'dynamischen Kunstform des 21. Jahrhunderts' weitergeformt hat.

 

 

Die Ausstellung

 

William Forsythe, 'The Fact of Matter' im MMK1 zu sehen, versteht sich nicht nur als Retrospektive – Forsythe hat soo lange in Frankfurt gearbeitet - , sondern gleichzeitig ebenso als Neubeginn (mit etwas auch an Wiederkehr). Als Motto der Ausstellung ist gesetzt: 'Choreographie und Bildende Kunst' und Bewegungen im Raum ('we don't pay attention to space'). Sie führt einen Dialog mit den anderen Arbeiten der Ausstellung, die Forsythe zuarbeiten. Thema des First Floor ist, wie Forsythe ausführt: Mortalität ('basic biological family as an animal'), Gegenstand des Second Floor ist: Die Linie und die Hand, Gegenständlichkeit des Third Floor ist: 'Clearing of „Wohnung“ of Mother von Bernhard & Anna. Es sind jeweils auch fundamentale Lebenskreise.

 

Forsythe hat die Sprache des modernen Balletts revolutioniert, sagt Susanne Gaensheimer, Direktorin des MMK, im Trailer. Sie führt aus: die Ausstellung verbinde die Installationen von 'Geographic Objects', mit der Aufforderung, in die Arbeiten hineinzugehen, eine Beziehung mit den Werken aufzunehmen und eine Haltung einzunehmen, um die Grenzen der Bildenden Kunst fortwährend auszuloten. Das erfordert auch, unser Denken zu choreographieren, mit der Folge, aufgrund der Bewegungen im Raum auch selbst choreographiert zu werden.

Fortsetzung folgt.

 

 

Trailer:

http://mmk-frankfurt.de/de/ueber-uns/mmk-filme/

 

Info:

William Forsythe, The Fact of Matter, Museum für Moderne Kunst MMK1, 60311 Frankfurt am Main, Domstraße 10, 17. Oktober 2015 bis 31. Januar 2016, Tel. 069/212 30447,