Serie: zu Besuch in Dresden, Gemäldegalerie ALTE MEISTER im Zwinger, Teil 4

 

Claudia Schulmerich

 

Dresden (Weltexpresso) – Ironie der Geschichte. Einst war sie das Glanzstück und Gegenüber der Sixtina von Raffael, die deutsche Version einer Madonna, von Hans Holbein d.J. 1526-28 als Auftragsarbeit des Basler Bürgermeisters als DIE MADONNA DES BÜRGERMEISTERS JAKOB MEYER ZUM HASEN gemalt. Heute hängt dieses Gemälde als allerletztes Bild an der linken Wand des letzten Saales der Galerie als „sog. Darmstädter Madonna von Bartholomäus Sarburgh, Kopie nach Hans Holbein d.J. von 1635/37“. Was war passiert?

 

 

Das kann man heute zum Holbeinstreit genannten Zwist um die Echtheit des Bild das ganze 19. Jahrhundert über nachlesen. Zuvor aber muß man wissen, daß seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein identisches Madonnenbild von Holbein über die Hohenzollern – 1822 hatte Prinz Wilhelm von Preußen das Gemälde für seine Gemahlin Marianne von Hessen-Homburg erworben - ins Darmstädter Schloß des Hauses Hessen gelangte, aber als Kopie galt, eben als Darmstädter Madonna und nicht die Holbein Madonna in Dresden. 1855 hatte der Dresdner Galeriedirektor Julius Schnorr von Carolsfeld – ja, der Künstler – es ernst genommen mit seinem Anspruch der Gleichwertigkeit von italienischer und deutscher Schule, in dem er in der neuen, von Semper erbauten Gemäldegalerie als Eckpunkte Raffaels Sixtina auf die eine Seite hängte und die Holbeinsche Madonna an das andere Ende, so daß über die Ferne sich beide anblickten.

 

Die Glorifizierung dieser Dresdner Holbein-Madonna ging so weit, daß beide Madonnen als Ideale ihrer jeweiligen Schulen galten und Holbein direkt mit Raffael verglichen wurde, was auch bedeutete, daß der neue Raffael des Nordens den angestammten Dürer von seinem Platz als ruhmvollster deutscher Künstler verdrängte. Deshalb wurde auch das minderwertige Werk in Darmstadt von der Kunstkritik und der Kunstöffentlichkeit verachtet, weil es den Ruhm des Holbein schändete.

 

Wollen wir, eh die Geschichte weitergeht, das Gemälde kurz erläutern. Gerade in der Zeit, als die Reformation Basel erfaßt hatte, die Kirchen von Kunst 'gesäubert' wurden, gab der Basler Bürgermeister Meyer eine Schutzmantelmadonna beim in Basel heimischen Hans Holbein d.J. in Auftrag. Erhöht steht die Madonna, den Kopf zum Christusknaben geneigt, mit langem Haar und Krönchen äußerst mädchenhaft. Ihre blaue Mantel hinterfängt in der Manier der Schutzmantelmadonnen auf ihrer Linken drei weibliche Wesen und auf der Rechten – der wichtigeren Seite drei männliche. Es handelt sich um den Bürgermeister, einen Verwandten und oder den Johannesknaben. Die Frauen sind die erste verstorbene und die zweite Ehefrau sowie seine Tochter, alle kniend.

 

Das Bild besitzt einen Detailreichtum und in ihm eine Detailgenauigkeit, die es zu einem großartigen Kunstwerk machen und man Lust hätte, weiter darauf einzugehen. Hier aber geht es um den sogenannten Holbeinstreit. Noch sonnte sich die Dresdner Madonna im Lichte der Gunst der nationalen Stunde und Friedrich Schlegel beispielsweise äußerte 1803 die gegen die Hoheit von Raffael gerichtete Ansicht, die HOLBEINSCHE MADONNA sei wegen ihrer Verbindung von Demut und Göttlichkeit „weit wahrer“ als die Madonna von Raffael, denn diese empfand Schlegel als unbestimmte christlich-heidnische Gottheit.

 

Neben dieser nationalen Diskussion hatten seit 1847 zwei bedeutende Kunsthistoriker, Jacob Burckhardt und Franz Kugler sich eingemischt und die Zuschreibung an Holbein in Frage gestellt. Es könne sich mit den Madonnen auch umgekehrt verhalten, die in Darmstadt sei die echte und Dresden habe nur eine eigenhändige oder Werkstattreplik, gar eine spätere Kopie. Das scherte aber die Öffentlichkeit erst einmal wenig. Anläßlich der großen Holbeinausstellung in Dresden gaben am 5. September 1871 vierzehn Kunsthistoriker eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie die Darmstädter Fassung als das Original und die Madonna von Dresden als 'freie Copie' bezeichneten. Machen wir es kurz. Damit war erst einmal nur die Diskussion über Echtheit und Urheberschaft in Gang gekommen und die Festlegung, daß es sich bei den Madonnen nicht um ein Altarbild, sondern um ein Votivbild handelt.

 

Warum mochte die Öffentlichkeit und vor allem die deutschen Künstler diesem Urteil über die Echtheit nicht folgen? Denn flugs gab es die Gegenerklärung zur Echtheit der Dresdner Fassung, insbesonder von Berliner und Dresdner Künstlern – darunter Schnorr von Carolsfeld. Fragt man sich, was dahinter steckte, kommt man auf die uns allen geläufige Tatsache, daß wir mit den Augen unserer Zeit und unserer, uns oft selbst nicht bewußten Schönheitsidealen sehen. Denn die Dresdner Fassung, also die übrigens bemerkenswert qualitative Kopie von Sarburgh, zeigt eine sanfte Madonna, glatt und lieb und so paßt sie auch viel besser zur Raffaelschen Sixtina, die ebenfalls ein weicher Frauentyp ist.

 

Die echte Holbeinsche Madonna – inzwischen schon lange auch mit den Mitteln heutiger technologischer Gemäldeforschung bestätigt – dagegen, wirkt kantiger, strenger, zwar zart, aber nicht lieblich. Und diese Madonna hing in Darmstadt. Sie hing dort. Denn die Geschichte geht leider weiter. Aus dem Darmstädter Schloß mußte sie 2002 emigrieren, weil es dort hineinregnete; sie wurde im Frankfurter Städel aufgenommen, die sie gleich für immer behalten wollten, was den Darmstädter Oberbürgermeister bewog, keinen Fuß mehr nach Frankfurt zu setzen und führte zur klaren politischen Aussage des Kunstministers in Hessen in Verbindung mit dem Hause Hessen, dessen Familienstiftung das Bild gehörte, daß die Madonna zurück nach Darmstadt käme, wenn das dortige Landesmuseum, gerade in Renovierung, wiedereröffne.

 

Stattdessen hängt die Darmstädter Madonna jetzt in Schwäbisch Hall!! Erneut im Exil. Für angeblich 70 Millionen Euro habe sie der Industrielle Würth dem Haus Hessen abgekauft, nachdem der Direktor des Städel, Max Hollein mit einem Konsortium schon 40 Millionen zum Kauf aufgebracht hatte. Schon 2003 waberte die Zahl von 110 Millionen Dollar durch Hessen, die der amerikanische Kunstkonzern Getty für den Holbein geboten habe. Aber diese Bild ist ein nationales Kulturgut und darf nicht ins Ausland verkauft werden, was man nicht nur der Qualität wegen, sondern auch dieser Geschichte nach gut verstehen kann.

 

Wir meinen: natürlich gehört die Darmstädter Madonna nach Darmstadt. Wem sie gehört, ist unwichtig. Auch ein Würth kann ein anderes Museum bedienen und sie bliebe auch dort mit seinem Namen verbunden.

 

Was aber Dresden angeht, so meinen wir, daß die heutige Randposition der Sarburgschen Kopie nicht angemessen ist. Ein Bild, das eine solche Geschichte hat, gehört in dem Kontext seiner Geschichte auch heutigen Besuchern vermittelt, die keine Ahnung davon haben können, zu welchen Aufregungen, Zerwürfnissen und ein Jahrhundert überdauernden Auseinandersetzung dieser einstige Holbein geführt hatte.

 

Unterm Strich ist etwas anderes interessant. Dies war auch der Sieg der Kunstgeschichte über die Künstler. Das Fach Kunstgeschichte war relativ neu und der Holbeinstreit hat viel zum Selbstverständnis deutscher Kunsthistoriker beigetragen und zur Anerkennung ihrer Kompetenz. Warum diese den Künstlern in diesem Falle fehlte, ist leicht erklärlich. Künstler sind sehr viel mehr die Sprachrohre ihrer Zeit, sehen mit ihren Augen – und die Dresdner Madonna entsprach eben dem Bild der schönen Frau. Ihr Fehlurteil ist von daher psychologisch verständlich, aber sagt auch eine Menge über Zeitgeschmack und die sich ändernden Normen aus.

 

 

 

www.skd-dresden.de

 

Info:

Dank der Einladung des Maritim Dresden konnten wir in aller Ruhe Dresden besuchen. Wir hätten das Haus auch sonst empfohlen, freuen uns aber, daß dies auch gerade der Reiseveranstalter Studiosus getan hat, indem er diesem Hotel den Quality Award überreicht hat.Stimmt: sehr guter Service und angenehme Atmosphäre, mit Schwimmbad dazu.

Wichtig für Fußgänger ist die Stadtnähe, weil man nur die paar Schritte zum Zentrum von Schloß, Zwinger und Semperoper gehen muß. Aber dem Auge ist etwas anderes wichtig. Das sieht aus dem Fenster über die Elbe auf die Neustädter Seite hin. Und am schönsten ist es von dort auf diesen Haus zu blicken, das erst 2006 im historischen Speicher der Stadt zu einem hochrangigen und modernen Hotel einge-, umbe- und erbaut wurde.

Es gibt ganzjährig buchbare Arrangements, von denen das „Dresden Sächsisch“ für Dresden Besucher besonders interessant ist. Für 154 Euro pro Person im Doppelzimmer gibt es zwei Übernachtungen inklusive reichhaltigem Frühstücksbuffet – stimmt! - ein Abendessen sowie Willkommenscocktail, ein Gastgeschenk und die Nutzung von Schwimmbad und Sauna.

 

 

 

MARITIM Hotel Dresden

Devrientstraße 10-12

01067 Dresden

Tel.: 0351-216-0

Fax: 00351-216-1000

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www.maritim.de