Serie: zu Besuch in Dresden: DIE LEIDENSCHAFTEN. Sonderausstellung des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden, Teil 6
Felicitas Schubert
Dresden (Weltexpresso) – Dumm gelacht hatten meine Freunde, als ich erzählte, ich wolle nach Dresden und mir DIE LEIDENSCHFTEN im Hygiene-Museum anschauen. Weil sie mit Hygiene etwas anderes verbinden? Weil sie sowieso das Hygiene-Museum nicht kennen?! Gerade die sollten diese Ausstellung besuchen, damit sie gescheit lachen lernen über den Witz, die Hintersinnigkeit und auch die Vordergründigkeit dieser präsentierten Leidenschaften.
Wenn sich die Ausstellung EIN DRAMA IN FÜNF AKTEN nennt, soll das von vornherein klären, daß dem Ganzen ein Gesamtkonzept zugrundeliegt, das von der Örtlichkeit unterstützt wird. Ist man nämlich am Ende angelangt, muß man den Parcours zurücklaufen und befindet sich erneut am Anfang der Leidenschaften, ein schönes Sinnbild für die Thematik. Das ist eine Ausstellung, die ohne das aktive Interesse des Besuchers nicht aufgeht. Nur wenn er mitmacht und sich – statt als Flaneur hindurchschlendern – stehenbleibt und für vielen Angebote zum Nachlesen im Detail, zum Betrachten der 390 Exponate von 87 internationalen Leihgebern ausreichend Zeit nimmt, passiert etwas im Kopf. Von daher ist dies auch eine gelungene Mischung zwischen sinnlicher Anregung durch die oft abenteuerlichsten Gegenstände und ihrer intellektuellen Verarbeitung im Kontext: hier der Leidenschaften.
Um was geht es ?
Aus dem Bereich der Gefühle werden die Leidenschaften zur Hauptperson, die innerhalb der Gefühlsregungen die unberechenbarsten – auch für die Person, die sie hat – unberechenbarsten Gefühle sind. Für die Gegenüber sowieso. Ein Thema übrigens, das zur Affektenlehre der Antike geführt hatte. Die australische Kuratorin Catherine Nichols hat aus den Affekten elf Leidenschaften benannt: Liebe, Begierde, Freude, Staunen als 'positive' und Haß, Zorn, Angst, Scham, Trauer, Neid und Ekel als 'negative' und sie zum Mittelpunkt der Ausstellung gemacht.
Wie kann man Leidenschaften zeigen?
Eindeutig nicht, wenn die Leidenschaften schlummern, sondern dann, wenn sie agieren, wenn sie die Umwelt zur Bühne machen. Deshalb übernimmt die jeweilige Leidenschaft eine Hauptrolle und wird zum Träger des Geschehens, das der Gesetzmäßigkeit der Leidenschaften folgt, sich rührt, sich spürt, sich entwickelt, zur Domina aufschwingt, alles kurz und klein schlägt, bis die Puste ausgeht, der Verstand langsam wieder Fahrt aufnimmt, die Folgen des Ausbruchs wahrnimmt, Scherben kittet, weiterlebt.
Zusammen mit der französisch-iranischen Opernregisseurin Mariame Clément und der Berliner Bühnenbildnerin Julia Hansen hat die Kuratorin ein begehbares Theater errichtet, in dessen von Akt zu Akt wechselnden Bühnenbilder der Besucher spazieren geht und sich die jeweilige Gefühlsskala in aller Ruhe betrachten kann. Und wundern wird.
Das Textbuch zum Drama
Dem heutigen Film-Fernseh-Ausstellungs-Konsummenschen, der alles häppchenweise serviert bekommt, muß man für eine solche Konzeption einen Begleitfaden zur Hand geben, aus dem die Ausstellungsstrategien bildlich vor einem liegen. Das ist das eine. Andererseits erfordert jede Inszenierung – und das ins eine Inszenierung der Leidenschaften – sowieso ein Textbuch. Neu ist hier der interaktive Partner: das sind nämlich Sie! Sie treten zusammen mit den Leidenschaften, „einer uralten Figur, so alt wie die Menschheit“ hier auf und fangen mit Akt 1, der Exposition an.
Das Textbuch spricht: „(Im Gefühlshaushalt abends. Eine gewöhnliche Wohnung mit Eßzimmer, Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer und Bad, stellenweise etwas altmodisch. Überall liegen, stehen und hängen Dinge, in denen DIE LEIDENSHAFTEN seit der Antike ihre Spuren hinterlassen haben. Gemütliches Licht. Bewohnte Atmosphäre , auf den ersten Blick alltäglich.)“
Und jetzt treten Sie auf: „In aller Ruhe schauen Sie sich um und bewegen sich von einem Raum zum nächsten. In offene Schränke und Schubladen sehen Sie neugierig hinein; verstohlene Blicke werfen Sie unter das Bett, hinten den Duschvorhang, ins Tiefkühlfach. So wissensdurstig Sie auch sind, möchten Sie trotzdem nichts anfassen: Wer weiß, wann sich die DIE LEIDENSCHAFTEN hinzugesellen werden..“
Die optische Seite
Was in der Ausstellung organisch zusammengehört, wird hier auseinandergerissen. Nur einige der Exponate, die auf Sie warten. Ein Krokodil, Stubenfliege und Schmetterling, Porzellan und formschöner Feuerlöscher - wirkt antik, ist aus den 50er Jahren -, Arme-Seelen-Kreuz aus dem 17. Jahrhundert, herausnehmbare Organe, Physiognomische Studien, Fotografien der Gehirnmessungen, medizinische Apparaturen der vergangenen Jahrhunderte zur Gefühlsmessung, Gemälde, Reliefs, ach, man muß aufgeben, diesem im besten Sinn des Wortes Sammelsurium kann man durch Aufzählung nicht beikommen und ihre Funktion in der Ausstellung durch Erwähnung nicht nahebringen. Es bleibt nichts anderes übrig, als daß Sie selber kommen und sich als Partner DER LEIDENSCHAFTEN behaupten. Überlebt hat hier in Dresden noch jeder.
Wir kommen wieder, denn das ist eine Ausstellung, die man sher gut mehrmals besuchen kann, so komplex ist sie. Und außerdem sind nach dem Besuch DIE LEIDENSCHAFTEN ja auch nicht erledigt, sondern virulent weiterwirkend.
Bis 30. Dezember 2012
Begleitbuch: Die Leidenschaften. Ein Drama in fünf Akten, hrsg. von Catherine Nichols und Gisela Staupe, Wallstein Verlag 2012. Ausgehend von den Gefühlen und einem Abriß ihrer kulturgeschichtlichen Dimension, wird die Ausstellung als Drama vorgestellt. Im ersten Akt wird die Hauptfigur, die Leidenschaften, eingeführt.Im zweiten soll sich entscheiden, wer wen beherrscht, der Mensch die Gefühle oder die Leidenschaften den Menschen. Im dritten Akt wird dann die Explosion der Gefühle anhand des Mobiliars u.a. dargestellt. Im vierten wird aufgeräumt und versucht, Ordnung in das Chaos zu bringen. Der fünfte Akt integriert die Leidenschaften ins tägliche Leben. Eine Kulturation hat stattgefunden.
Diese fünf Stationen werden durch fünf Autoren im Text erarbeitet und mit Bildmaterial dokumentiert, das von Rogier van der Weyden und Martin Schongauer bis zur Klobürste geht. Letztere zwar nicht, aber sanitäre Gegenstände spielen durchaus eine große Rolle, aber auch wissenschaftliche Texte und vor allem Schuhe. Aus gutem Grund.
Zusatzveranstaltungen und die Trilogie der Leidenschaft als Matineen über große Gefühle entnehmen Sie bitte er Webseite:
Foto: Oliver Killig
www.dhmd.de
Info:
Dank der Einladung des Maritim Dresden konnten wir in aller Ruhe Dresden besuchen. Wir hätten das Haus auch sonst empfohlen, freuen uns aber, daß dies auch gerade der Reiseveranstalter Studiosus getan hat, indem er diesem Hotel den Quality Award überreicht hat.Stimmt: sehr guter Service und angenehme Atmosphäre, mit Schwimmbad dazu.
Wichtig für Fußgänger ist die Stadtnähe, weil man nur die paar Schritte zum Zentrum von Schloß, Zwinger und Semperoper gehen muß. Aber dem Auge ist etwas anderes wichtig. Das sieht aus dem Fenster über die Elbe auf die Neustädter Seite hin. Und am schönsten ist es von dort auf diesen Haus zu blicken, das erst 2006 im historischen Speicher der Stadt zu einem hochrangigen und modernen Hotel einge-, umbe- und erbaut wurde.
Es gibt ganzjährig buchbare Arrangements, von denen das „Dresden Sächsisch“ für Dresden Besucher besonders interessant ist. Für 154 Euro pro Person im Doppelzimmer gibt es zwei Übernachtungen inklusive reichhaltigem Frühstücksbuffet – stimmt! - ein Abendessen sowie Willkommenscocktail, ein Gastgeschenk und die Nutzung von Schwimmbad und Sauna.
MARITIM Hotel Dresden
Devrientstraße 10-12
01067 Dresden
Tel.: 0351-216-0
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www.maritim.de