Die Londoner Queens Gallery des Buckingham Palace zeigt seine Karikaturen bis 14. Februar


Gernot Gottwals


London (Weltexpresso) - Schon im späten 18. Jahrhundert war das britische Königshaus zum Abschuss freigegeben. Damals wie heute kannten Journalisten und Karikaturisten keine Tabus, richteten ihren bösen und satirischen Blick bis in die königlichen Schlafgemächer.


Eben dort zeichnet Thomas Rowlandson George III. als leidenden Tattergreis, der zunehmend dem Wahnsinn verfällt, während der Prince of Whales mit einer Horde von Hofschranzen besoffen hereintorkelt. „Mal schauen, ob der alte Junge verrückt oder schon tot ist“, ruft er respektlos, während der königliche Bischof vor Schreck den Abendmahlskelch fallen lässt. Ist das nicht Majestätsbeleidigung?


Offenbar nicht, denn die 1788 entstandene Karikatur mit dem provokativen Titel „Kindliche Pietät“ gehört zu jenen Werken, die der spätere König George IV. für seine Kunstsammlung im Buckingham Palace erwerben sollte. Nun wird das Lebenswerk des englischen Malers und Karikaturisten Thomas Rowlandson in der Queens Gallery vor den Toren des Palastes gezeigt: In der Ausstellung „High Spirits: The Comical Art of Thomas Rowlandson“ sind einige frühe Porträts und Landschaftsmalereien, die bereits eigentümlich-witzige Züge zeigen, ebenso zu sehen wie seine zahlreichen Spottzeichnungen, die royale Intrigen und politische Machenschaften erbarmungslos durch den Kakao ziehen.


Der komische Künstler, der auch erotische Karikaturen veröffentlicht, verschont die Gefahren und Abgründe der höfischen Liebe ebensowenig wie die Absurditäten der Eitelkeiten, Moden und Hofetikette. In „A Midnight Conversation“ zeichnet er ein skandalös ausuferndes Bankett mit lüsternen Adeligen und halbnackten, sich übergebenden Hofdamen. Oder er nimmt den Abriss des „Theatre Royal Drury Lane“im Londoner West End 1791 zum Anlass, um die Verhältnisse in seinem Land als dramatische Implosion zu persiflieren: „Chaos is Come Again“ nennt er seine Parodie, frei nach Shakespeare.


Thomas Rowlandson wird 1756 in London geboren, studiert an der dortigen Königlichen Kunstakademie und entwickelt seinen karikaturistischen Stil im Umfeld der Macht- und Regierungskrise im britischen Königshaus. Zwar ist George III. in den 1780er Jahren noch lange nicht dem Tode geweiht, leidet jedoch zunehmend an einer stoffwechselbedingten Geisteskrankheit. Derweil wird das Britische Empire zunehmend in die Wirren der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege hineingezogen. Auch Zarin Katharina die Große versucht im Konzert der Großmächte mitzumischen. Sie jedoch hetzt Thomas Rowlandson als „Russian Hen“ gegen den „English Cock“ George III. Die Monarchen Europas versammeln sich um den Hahnenkampf, Liebhaber Grigori Potemkin feuert seine Zarin an. Und die Wetten auf die Sieger nimmt kein Geringerer als der Türkische Sultan an, der bald zum „kranken Mann am Bosporus“ werden wird.


Doch auch im Inneren wird Großbritannien von Zwistigkeiten des Königs mit dem Parlament und machtlüsternen Politikern wie Charles James Fox erschüttert, der Georg III. zudem wegen seines schlechten Einflusses auf den Prince of Whales zuwider ist. Rowlandson idealisiert in seiner Karrikatur „The Champion of a People“ einen starken Herkules, der dem mehrköpfigen Drachen im bedingungslosen Kampf seine Köpfe abschlägt, die „Tyrannei“, „Unterdrückung“ und „Korruption“ als todbringendes Feuer ausspeien.


Natürlich wird auch  George IV. in den folgenden Jahren noch oft zur Zielscheibe von Rowlandsons bissigen Parodien, bevor sein Vater George III. im Jahr 1830 stirbt. Doch das hindert den Thronfolger nicht daran, die meisterhaften Porträts und Karikaturen für die königliche Sammlung zu erwerben. Womit einmal mehr bewiesen ist, dass die Briten eben doch ein humorvolles Volk sind, das die Kunst versteht, über sich selbst zu lachen und sich dabei nicht allzu ernst zu nehmen.


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Info:
Die Ausstellung ist bis 14. Februar 2016 in „The Queen’s Gallery, Palace of Holryroodhouse” zu sehen. Dazu ist der Katalog “High Spirts. The Comic Art of Thomas Rowlandson” im Verlag Royal Collection Trust erschienen.