Serie: Stilleben von Franz Snyders bis Giorgio Morandi im arp museum Bahnhof Rolandseck, Teil 1/4
Claudia Schulmerich
Bonn (Weltexpresso) – Peinlich, denkt man sich, wenn man dieses in den Berg hineingetriebene Museum oberhalb des Bahnhofes so richtig zu bewundern anfängt, peinlich, daß wir es fast fünf Jahre lang nicht geschafft hatten, hierher zu kommen. Aber, ist der nächste Gedanke, Gott sei dank sind wir jetzt hier. Und dann: hier oben hinter Glas aus dem Berg heraus sein Büro zu haben, von hier aus mit weitem Blick über den Rhein seine Artikel schreiben zu dürfen, ja, das wäre das Glück.
Aber wie schön, wenn die Phantasie einen weit trägt, denn allein die Erinnerung an das Gefühl, läßt dieses lebendig werden. Und deshalb haben wir uns fest vorgenommen, das nächste Mal mit viel Zeit diesen Richard Meier Bau – ja, der vom Museum Angewandter Kunst in Frankfurt am Main und vom Frieder Burda Museum in Baden-Baden und noch vielen anderen Museumsbauten, Kennzeichen: weiß, Glas und viel Licht – genau zu betrachten und zu beschreiben, wozu ja auch dieses Jahr ein guter Anlaß besteht, denn das arp museum Bahnhof Rolandseck feiert den fünfjährigen, also einen Kindergeburtstag.
Wir haben allen Anlaß, in uns zu gehen. Denn wir haben vom noch lebenden Gustav Rau erfahren – er starb im Jahr 2002 - und von seinen Vorhaben, seine Bilder der deutschen UNICEF zu vermachen. Damals schrieben wir immer wieder über die Erbstreitigkeiten und die verschiedenen Möglichkeiten, die seine Sammlung enthält. Sylvestre Verger war in diesem Zusammenhang wichtig, weil er derjenige war, der die Öffentlichkeit erstmals mit der Bedeutung der Sammlung bekannt machte und sie in einer Ausstellungen von 100-110 Werken in Paris im Musee de Luxembourg herausbrachte, die rund 300 000 Besucher anzog und die nach Köln, München und Bergamo sowie nach Lateinamerika weiterwanderte. In ihr waren die Höhepunkte der Sammlung von der Qualität her vereinigt, zumindest dem, was sie dem Kunstmarkt wert sind, von dem die Sammlung auf insgesamt über 500 bis 750 Millionen Euro geschätzt wird.
Bis 2026 haben nun von den rund 900 Werken des Bestandes aus der Rau-Sammlung der deutschen UNICEF 240 ihre Heimat im Hans Arp Museum im Bahnhof Rolandseck mit der Auflage, regelmäßig Ausstellungen zu veranstalten, was das Museum schon aus eigenem Interesse mustergültig tut, weil zuvor die wissenschaftliche Arbeit mit der Sammlung, die Ausstellungen und der Erstellung des Katalogs vorausgehen, keine große Rolle spielte. Den folgenden Beiträgen über die bisherigen Kataloge kann man auch die bisherigen Ausstellungsschwerpunkte entnehmen. In der jetzigen geht es um Stilleben. Ein weites Feld, das auch nicht dadurch wesentlich eingegrenzt wird, wenn die Titelunterschrift lautet: von Frans Snyders bis Giorgio Morandi. Schauen wir also mal.
Und bleiben gleich am Anfang stecken. STILLEBEN MIT SPARGEL von Carl Schuch aus dem Jahr1883. Nicht nur, daß jeder, der ein gemaltes Bild mit einem Bündel Spargel sieht und ein wenig die Kunst des 19. Jahrhunderts kennt, sofort an Manets Spargelbündel denken muß, das sogar ganz in der Nähe in Köln hängt, steht hier der Spargel für das Zitat an der Wand von Max Liebermann, der aussagt, es genüge für ein Meisterwerk ein Bund Spargel und daß die gut gemalte Rübe ebenso von der malerischen Könnerschaft zeuge wie die gut gemalte Madonna.
Wir aber sind verblüfft, den in Deutschland nicht häufig anzutreffenden Carl Schuch (1846-1903) zu sehen, dazu gleich mit einem zweiten Bild Jagdstilleben, das völlig anders in den Tönen die niederländische Farbpalette imaginiert. Allein in Berlin fanden wir einiges von Carl Schuch, der aus Wien stammt und in Europa zu Hause war und sehr gerne die neue Zeit aufnahm, in der die Dinge durch die Art und Weise ihrer Präsentation auf der Leinwand sakralisiert wurden und nicht durch den ökonomischen Wert. Ein herrliches Stilleben von ihm, wo es um Porreestangen geht, die Deutschen sagen heute Lauch dazu, hängt in Warschau und den Spargel hat er in etlichen Varianten gemalt.
Katalog: Kunstkammer Rau Band 5. Köstlich! Stilleben von Frans Snyders bis Giorgio Morandi, hrsg. Von Oliver Kornhoff, Kerber Verlag Bielefeld 2012. In sechs Essays wird dem Begriff vom stillen Leben, dem Stilleben auf Leinwand und Tafel Gestalt gegeben. Was sagt ein Totenschädel aus? Was ein totes Rebhuhn? Und was ist die Natur morte und was Vanitas? Was die Pastete und die Lammkeule und vor allem, was, wenn eine Fliege, eine Made oder noch Schlimmeres dabei ist. Ganz und gar keine stille Welt, sondern äußerst lebendig, wenn man genau hinschaut. Es geht also beim Stilleben auch immer um Schein und Sein, was absichtlich in Gegensatz gebracht wird. Manchmal. Es geht aber auch um Illusionen, aber selten nach dem Leben. Denn das Leben ist vielfältiger und auch stärker chaotisch und durcheinander, als es dem Stilleben gut tut. Und wer so still vor sich hin steht, wie Morandis Flasche und Gläser, den hört und erhört auch Gustav Rau, obwohl das Bild geradezu jung ist, aus den Jahren 1945/55. Und es ist kein Gegensatz, daß das Stilleben als Sinnbild des Materielles in der Welt genauso die inneren Werte, die Gefühle, Gedanken und Absichten repräsentiert. Es kommt auf den jeweiligen Zusammenhang an, deshalb muß man besonders gut hinschauen und sich seine eigenen Gedanken machen. Still. Fortsetzung folgt.
bis 14. Oktober 2012
ab 9. November schließt sich die nächste Kunstkammer Rau-Ausstellung an: LICHTGESTÖBER. Der Winter im Impressionismus.
Schon zuvor ab 30. September 2012 gibt es zum fünfjährigen Jubiläum des Museums eine Ausstellung über seinen Architekten: BUILDING AS ART. DIE ARCHTIEKTURKOMPOSITION RICHARD MEIERS.
www.arpmuseum.org