Serie: Stilleben von Franz Snyders bis Giorgio Morandi im arp museum Bahnhof Rolandseck, Teil 2/4
Claudia Schulmerich
Bonn (Weltexpresso) – Wir waren bei gleich bei Carl Schuchs Spargel stehen geblieben. Wir erinnern uns an andere Spargelbilder von ihm, an Äpfel, an einen Hummer und eben auch daran, daß sein Vorbild, der Manetsche Spargel, der übrigens auch Vorbilder hat, literarisch Früchte trug. Lange Passagen gilt ihnen Marcel Prousts AUF DER SUCHE NACH DER VERLORENEN ZEIT, ein Werk, das wir - früher immer wieder gelesen - nun schon seit Jahr und Tag diesmal als Hörbuch akustisch wahrnehmen, wobei einem ganz andere Dinge auffallen, als beim Lesen. Beim Stilleben, das merkt man hier gleich, sind die Referenzbilder, auch die in der Literatur, immer mitzudenken.
Zuerst einmal gehen wir, wie wir es immer machen, guten Schrittes durch die Ausstellung, die zwei längliche Räume umfaßt. Dann erhält man einen Überblick, der hier sagt: allerhand zusammengetragen, was die Funktion des Stillebens über die Jahrhunderte klären kann, aber auch die Vorliebe für durchsichtiges Glas, die glänzenden Metallteile, die hauchdünnen Blütenblätter, die schimmernden lichtzugewandten Teile von Früchten im Verhältnis zu denen im Dunkeln, die Schönheit farbigen Gefieders, selbst wenn die Vögel tot sind wie DREI TOTE DROSSELN von Cornelis Biltius um 1670.
Von anderer Art sind STILLEBEN MIT FISCHEN, FRÜCHTEN UDN BLUMEN von Giuseppe Recco aus Neapel aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Hier geht es um die Darstellung von Überfluß, aber auch, wie gekonnt man den Fisch mit Blumen und Früchten garniert. Eigentlich haben die heutigen Generationen, gerade, wenn ihnen Bio ernst ist, mit den damaligen Zeiten sehr viel mehr zu tun, als die Jahrhunderte dazwischen. Auch heute werden Lebensmittel als Selbstzweck wieder ernst genommen. Na ja, das ist so zu verstehen, daß sie natürlich gegessen werden sollen, daß ihnen aber in der Natur die Wertschätzung zukommt, die sie früher auf Bildern genossen. Das gefüllte Weinglas im FRÜHSTÜCKSSTILLEBEN von Willem van Aelst funkelt verführerisch, aber es tut's auch das Gurkenglas von Edouard Vuillard aus dem Jahr 1889.
Witzige Idee, die alte Kunst mit den heutigen GEDECKTEN TISCHEN von Daniel Spoerri, seinen heutigen Fallenbildern, zu kontrastieren. Bewundernswert auch, wie Daniel Spoerri, der dieses einmal erfand, sich ständig weiterentwickelt und die heutigen GEDECKTEN TISCHE nur noch den Namen gemeinsam haben und diese Idee, aus der horizontalen Tischplatte mitsamt dem Geschirr und den Lebensmitteln eine vertikale an der Wand zu gestalten, was, auch wenn man es kennt, einen jedesmal irritiert, weil es gegen die gewohnten Seherfahrungen spricht. Das hat schon was. Noch immer.
Leider hat Rau vom in Frankfurt leben und arbeitenden Meister Sebastian Stoßkopf kein Gemälde mit schimmernden Gläsern, worin er einfach unübertroffen ist, aber wir freuen uns auch am Karpfen mitsamt dem Rechaud von 1640. Eigentlich schon manieristisch oder halt moderner 'Life Style' dann diese Idee, die Butter beim Frühstückstisch mit einer Nelke zu schmücken, will sagen diese einfach hineinzustecken, was sich Jacob Foppesz van Es um 1635/45 erlaubte. Lachen kann man auch bei dieser Ausstellung, die ganz unterschiedliche Bilder versammelt, von denen zwei sogar der Geruchsschulung dienen. Aber das müssen Sie beim Besuch selber herausfinden. Einfach der Nase lang gehen.
Katalog: Kunstkammer Rau Band 5. Köstlich! Stilleben von Frans Snyders bis Giorgio Morandi, hrsg. Von Oliver Kornhoff, Kerber Verlag Bielefeld 2012. In sechs Essays wird dem Begriff vom stillen Leben, dem Stilleben auf Leinwand und Tafel Gestalt gegeben. Was sagt ein Totenschädel aus? Was ein totes Rebhuhn? Und was ist die Natur morte und was Vanitas? Was die Pastete und die Lammkeule und vor allem, was, wenn eine Fliege, eine Made oder noch Schlimmeres dabei ist. Ganz und gar keine stille Welt, sondern äußerst lebendig, wenn man genau hinschaut. Es geht also beim Stilleben auch immer um Schein und Sein, was absichtlich in Gegensatz gebracht wird. Manchmal. Es geht aber auch um Illusionen, aber selten nach dem Leben. Denn das Leben ist vielfältiger und auch stärker chaotisch und durcheinander, als es dem Stilleben gut tut. Und wer so still vor sich hin steht, wie Morandis Flasche und Gläser, den hört und erhört auch Gustav Rau, obwohl das Bild geradezu jung ist, aus den Jahren 1945/55. Und es ist kein Gegensatz, daß das Stilleben als Sinnbild des Materielles in der Welt genauso die inneren Werte, die Gefühle, Gedanken und Absichten repräsentiert. Es kommt auf den jeweiligen Zusammenhang an, deshalb muß man besonders gut hinschauen und sich seine eigenen Gedanken machen. Still.
bis 14. Oktober 2012
ab 9. November schließt sich die nächste Kunstkammer Rau-Ausstellung an: LICHTGESTÖBER. Der Winter im Impressionismus.
Schon zuvor ab 30. September 2012 gibt es zum fünfjährigen Jubiläum des Museums eine Ausstellung über seinen Architekten: BUILDING AS ART. DIE ARCHTIEKTURKOMPOSITION RICHARD MEIERS.
www.arpmuseum.org