Ausstellung „Zur Ästhetik des Rassismus“ Staatliche Kunstsammlungen Dresden 13. Mai bis 7. August

Cordula Passow

Dresden (Weltexpresso) - Nach den Ausstellungen „Die Dinge des Lebens / Das Leben der Dinge“, „Die Logik des Regens“ und „Supermarket of the Dead“ zeigen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden die nunmehr vierte Präsentation des Philosophen Wolfgang Scheppe. Wie ihre Vorgängerinnen in der Propositionen-Reihe begann auch die Ausstellung „Die Vermessung des Unmenschen. Zur Ästhetik des Rassismus“ mit einem Fund im Museumsdepot, diesmal im Depot des Museums für Völkerkunde Dresden.



Sie rückt das Thema „Rassismus“ in den Fokus der Auseinandersetzung. Anhand von bislang nicht gezeigtem Material behandelt sie das Verhältnis wissenschaftlicher Deutungsversuche von Rasse und volkstümlicher rassistischer Vorstellungen.

Im Zentrum des komplexen Projekts steht das bisher nicht erforschte, obsessive Bildarchiv des Dresdner Ethnologen, Anthropologen und zeitweiligen kommissarischen Museumsdirektors Bernhard Struck (1888–1971), der zur Zeit des Nationalsozialismus einen rassentheoretischen Lehrstuhl in Jena innehatte. Das Archiv, das aus mehr als 20.000 Bildeinträgen besteht, gewährt Zugang zum Vorstellungsraum eines Denkers von Rasse, der seine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor allem durch die Vermessungen des menschlichen Körpers erhielt. Struck selbst war zwar kein expliziter Parteigänger des Nationalsozialismus, jedoch befand er, sich mit dem, was er für reine Wissenschaft hielt, im Einklang mit der in dieser Zeit geltenden Rassenlehre nützlich zu machen. Sein in Karteikarten verdinglichtes Menschenbild zeigt seine exzessive Erhebung und statistische Verarbeitung von Zahlenwerten. Die daraus gezogene Konstruktion völkischer Identität, die Struck im Akt der Kartierung und des Grenzziehens vollzog, entspricht einem prinzipiellen Geist der Exklusion des Fremden.

Vier Werke der bildenden Kunst gewähren weiteres Material für eine Kritik der manipulativen Benutzung von Bildern, mit denen die Differenz des Eigenen zum Fremden plausibel wird: Es sind dies die Skulptur eines frauenraubenden Gorillas des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr erfolgreichen französischen Bildhauers und mit den wissenschaftlichen Rassentheoretikern seiner Zeit verbundenen Emmanuel Frémiet (1824–1910). Das „Affenmonument“ wird von dem in Deutschland bislang nicht gezeigten Hauptwerk Manipulation der Kultur des italienischen Künstlers Fabio Mauri (1926–2009) umgeben, dessen Bilderzyklus der „Schönheit der Macht“ zu Zeiten der faschistischen Herrschaft bildlichen Ausdruck gab.

Derselben historischen Phase, der Mauris Dokumente entstammen, gehört der deutsche Filmpionier Arnold Fanck (1889–1974) an. Ein Video-Triptychon fügt drei Sequenzen aus seiner Bildordnung zur Endlosschleife. An ihnen wird der circulus vitiosus der deutschen Geschichte vorgeführt, die mit der rassistischen Wahrnehmung des Anderen in endloser Repetition im Kreis zu treten scheint.

Die Installation „Judenporzellan“ des holländischen Konzeptkünstlers Gert Jan Kocken (geb. 1971) befasst sich mit einem Fall staatlichen Rassismus im Königreich Preußen, das zu einer Legende führte, die das Schicksal mehrerer Meissner Porzellan-Affen im Familienbesitz des Aufklärungsphilosophen Moses Mendelssohn (1729–1786) einschließt.

Trotz ihres ethnologiekritischen Duktus‘ gehört der Ausstellung eine sensationell zu nennende ethnographische Schau an. Sie präsentiert zum ersten Mal eine annähernd vollständige und einmalige Sammlung von Holzskulpturen, die zu den frühesten und seltensten aus dem tropischen Afrika gehören. Heute in den verschiedensten Museen Europas verstreut, bilden die sogenannten Seelenfiguren der Bidyogo den Ertrag der einzigen Feldforschung, die Struck je unternahm. Sie verdeutlichen sein methodisches Vollständigkeitsbegehren, dem er sogar Artefakte so unterwarf, als wären sie Datenmaterial.

Zeitgleich zu der Präsentation im Lipsiusbau werden im Sponsel-Raum des Neuen Grünen Gewölbes die Künstlerbücher von Fabio Mauri aus dem Bestand des Kupferstich-Kabinetts zu sehen sein.


Foto:

Gorilla, eine Frau raubend, 1887 Emmanuel Frémiet, © SKD, Sara Codutti


Info:

Die Vermessung des Unmenschen. Zur Ästhetik des Rassismus
Proposition IV

Eine Ausstellung von Wolfgang Scheppe für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden

 Ausstellungsort:

Kunsthalle im Lipsiusbau und Sponsel-Raum im Residenzschloss

13. Mai bis 7. August 2016


Öffnungszeiten:

10 bis 18 Uhr, montags geschlossen

Eintritt frei