Serie: Die NAZARENER in Rheinland-Pfalz, Teil 3/5
Claudia Schulmerich
Mainz (Weltexpresso) – Deutlich wird das Netzwerk der Nazarener auch in der Besetzung der Malerschule in Frankfurt. Philipp Veit hatte sie als erster Direktor von 1830 bis 1843 inne. Sein Nachfolger am Städelschen Kunstinstitut, Malerschule und Sammlung, wurde Johann David Passavant, den er aus Rom kannte und der zu denen gehört, die in anderer Form weiterarbeitete, aber beispielsweise dafür sorgte, daß sich in der Frankfurter Sammlung bis heute besonders viele Nazarener finden.
Diese Hierarchien und Netzwerke sind wichtig, weil die berufenen Direktoren meist einen Schwarm von Schülern mit sich zogen, die dann vorwiegend Aufträge im regionalen Rahmen suchten und fanden sowie diese angesichts der vorwiegend christlichen Thematik auch insbesondere im kirchlichen Rahmen und dem des Adel erhielten. Dies erklärt auch – zusammen mit der damals politischen Teilung des heutigen Bundeslandes durch Besetzung von Preußen, Hesse-Darmstadt und Bayern – warum sich gerade in Rheinland-Pfalz ein derartiges reiches Erbe nazarenischer Kunst findet.
Im zweiten Teil der Ausstellung spielen nicht die regionalen Zuordnungen der Maler und ihrer Schulen eine Rolle, sondern die Funktion der Werke. DAS ANDACHTSBILD UND SEINE MEDIALE VERBREITUNG geht noch einmal darauf ein, daß für die Nazarener ihre Kunst der Religion dient. Wenn schon nicht die wandhohen Fresken, die in erster Linie die biblische Geschichte und die von Heiligen in Bildern für das Volk erzählen, so sie noch vorhanden sind, von ihren Wänden abgelöst und nach Mainz gebracht werden können, geht das umstandslos mit dem Andachtsbild, dessen Vorläufer die kleinen Reisealtäre oder Diptychen sind. Die allerdings besaßen nur Wohlhabende. Diese nazarenischen Stahlstiche, Kupferstiche und Lithographien konnten für Massen produziert werden. Sie waren hervorragend geeignet an den Wänden des bürgerlichen Zuhauses zu hängen oder in Büchern als Illustrierung zu dienen, seien es die Heiligen und ihre Vita, die Jungfrau Maria oder gleich die Heilige Familie.
DAS NAZARENISCHE GESAMTKUNSTWERK zeigt, wie umfassend die Arbeiten an neuen Kirchen oder die Umgestaltung der alten im selben Stil, also aus einem Guß hatten sein sollen. Das gilt nicht nur für die Architektur und die Gemälde, sondern auch für die Altarausstattung. Was man grundsätzlich vermißt, sind Skulpturen. Sind diese nicht von anderen romantischen Modellen abzugrenzen oder hat sich die Nachfolge in der mittelalterlichen Manier in Form und Farbe und Flächigkeit nicht auf die Dreidimensionalität auswirken können? Das sind so Fragen, die einem beim Besuch der Ausstellung kommen.
Die hat man erst recht zum Abschluß mit KATHOLISCHE ROMANTIK UND KULTURKAMPF. Das erfordert nun wirklich einen eigenen Artikel. Denn, wie am 18. August 1844 in Trier erstmals wieder der Hl. Rock ausgestellt wurde und eine stürmische Wiederbelebung des Katholizismus auslöste, was Lasinsky 1847 im Bild festhält, so ist die künstlerische Bewegung der Nazarener auch eine, die so manchen Maler zum Katholizismus konvertieren ließ. Nicht nur Maler. Clemens von Brentano und Joseph Görres sind nicht weit und auch hier in vorhanden. Dem 'katholischen Treiben' setzte Bismarck im Kulturkampf ein gewisses Ende und von daher fragt man sich auf einmal in dieser Ausstellung, ob die künstlerische Mißachtung der Nazarener, die sie durchweg bis vor kurzem erfuhren, nicht auch eine Folge dieses Kulturkampfes sind.
Schließlich obsiegte Bismarck mit dem neuem Reich und dem Kaisertum, auch wenn er persönlich abdanken mußte. Die Weimarer Republik hatte andere Sorgen, deren Künstler auf ihre Zeit reagierten. Der Nationalsozialismus hätte zwar mit der lieblichen Malerei, nicht aber mit deren christlichen Botschaft etwas anfangen können. Warum aber hat nicht die Adenauerrepublik der fünfziger Jahre schon einmal die Nazarener wiederentdeckt?
Solche – interessante - Fragen fängt man an, sich zu stellen und fragt dann auch, aus welchen Gründen spätestens mit der Ausstellung in der Schirn in Frankfurt“ReligionMachtKunst – Die Nazarener“ im Jahr 2005 die Nazarener als Avantgardewegung 'hoffähig' wurden, nachdem sie 1977 in der großen Nazarenerschau im Städel in Frankfurt als historische Schule gezeigt wurden. Aber das und die Frage nach der Widerständigkeit oder Eingebundenheit in die Politik der nachnapoleonischen Ära und dann zunehmen revolutionären Phase der Deutschen, wäre eine eigene Ausstellung. Wir sind hochzufrieden, daß Rheinland-Pfalz die regionale Aufarbeitung der Nazarener zum Thema ihrer Landesausstellung gemacht haben.
Ausstellung Bahnhof Rolandseck bis 9. September 2012
Ausstellung Landesmuseum Mainz bis 25. November 2012
Speyerer Dom: Schraudolph-Dauerausstellung beginnt gegen Ende des Jahres
Katalog:
Die Nazarener – Vom Tiber an den Rhein. Drei Malerschulen des 19. Jahrhunderts, bearbeitet von Norbert Suhr und Nico Kirchberger, Verlag Schnell + Steiner 2012. Dieser Katalog ist ein Grundlagenwerk für die Kunstrichtung der Nazarener in Rheinland-Pfalz, wobei das Erstaunliche ist, daß ein Hauptteil der Werke geschaffen wurden, als in den Zentren der Kunst diese religiöse Malerschule längst perdu war. Auch ein Beispiel dafür, wie lange es dauert, bis aus einer Avantgardebewegung das von der Allgemeinheit akzeptierte Kunstideal und somit zunehmend blutleerer wird. Aber auch ein Beispiel dafür, weshalb es so lange dauerte, bis sich in Rheinland-Pfalz Landeseinrichtungen, Museen, Kirchen- und Schlösserverwaltungen sowie Gebietskörperschaften sich des kunsthistorischen Kapitels der Nazarener annahmen und ihre überlieferten Werke dokumentierten und zum Zentrum einer Ausstellung in der Landeshauptstadt machten.
Auch im Landesmuseum Mainz selbst hat sich auf der Suche nach Nazarenern vieles in den eigenen Beständen gefunden. Der Katalog geht, abgesehen von dem eigentlichen Katalogteil ab Seite113, wo die Exponate in Bild und Texterklärung erscheinen – dort sind auch die Zeichnungen benannt, die aus konservatorischen Gründen (Licht!) einzelne Werke ersetzen – erst einmal kunst- und regionalhistorisch vor, in dem nach einem Überblick (Norbert Suhr) der Nazarener in Rheinland-Pfalz die Vertreter der zwei Malerschulen München und Düsseldorf vorgestellt werden und für die dritte, das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt am Main, dessen Direktor Philipp Veit 1852 nach Mainz ging, sein Wirken und sein sich bildender Kreis um ihn in Mainz im Mittelpunkt steht.
Neben diesen Überblicken stehen drei Künstler, Peter Rittig, Johann Ramboux und Anton Dräger aus der preußischen Rheinprovinz im Zentrum eines eigenen Essays (Norbert Suhr), weil sie anderen Ortes ausgebildet, auch wenig Werke im heutigen Bundesland hinterlassen haben, aber 'waschechte' Nazarener der ersten Stunde sind und zu ihren bedeutsamsten Vertretern gehören. Hier erweist sich der Katalog als weit über die Ausstellung hinausgehend, weil er Werke dokumentiert, die nicht nur typisch für diese Kunstrichtung stehen, sondern bei Anton Drägers MOSES AM BRUNNEN (1827/28) beispielsweise eine derartige Raffaelnachfolge – erzählendes Bild mittels Handgestik, Dramatik, Farbgebung – sehen lassen, bei Peter Rittigs DAS GLEICHNIS VON DEN FÜNF KLUGEN UND FÜNF TÖRICHTEN JUNGEFRAUEN (1821) eine Perugino/und Raffaelanverwandlung, das man staunt und froh ist, dies durch den Katalog zu erfahren, weil diese Bilder nicht in der Ausstellung hängen. Der Katalog gewinnt also neben der Dokumentation der Ausstellung einen kunsthistorischen Eigenwert.
REISEWEGE ZU DEN NAZARENERN IN RHEINLAND-PFALZ, bearbeitet von Norbert Suhr und Nico Kirchberger, Verlag Schnell + Steiner 2012. Hervorragend die Einführung von Norbert Suhr, die auch denen, denen die Kunst der Nazarener gänzlich unbekannt ist – besser: die zwar solche Bilder kennen, aber sie Zuordnung als Nazarener nicht – einen wirklichen Zugang eröffnet zu Motiven der Maler, ihrer Abgrenzung vom damaligen akademischen Ausbildungsgang sowie die Abkehr vom Kunstmarkt und der Zuwendung zur Kunst als einer christlichen Botschaft, die auch ein anderes Leben erzwingt. Wie schnell sich die Anfänge dann selbst in etwas Herkömmliches auflösen, kann man auch erkennen. Dies auch an den aufgeführten 34 Stätten, die jeweils erst die Architektur vorstellen und dann die Geschichte des Bildmaterials, wobei insgesamt Wert darauf gelegt wird, daß dies ein vorläufiges Ergebnis des Nazarenertums in diesem Bundesland ist, weil man davon ausgeht, daß noch mehr aufgefunden wird.
www.bistum-speyer.de
Bitte informieren Sie sich über die Details, insbesondere das Begleitprogramm auf der Webseite www.landesmuseum-mainz.de