Serie: Jeff Koons THE PAINTER und THE SCULPTUR in der Schirn und dem Liebieghaus in Frankfurt am Main, Teil1/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wenn die Schönen und die Reichen zusammenkommen, sind sie derzeit in Frankfurt richtig. Man kann die bisher größte Ausstellung des amerikanischen Künstlers Jeff Koons – bei den Reichen sehr in Mode - im Doppelpack von Gemälden und Plastiken auch in ihrer Aufmachung in der Stadt -„must see!“- nicht anders als mit Schmunzeln zur Kenntnis nehmen. Geniale Züge allerdings nimmt das gewaltige Vorhaben an, wenn im Liebieghaus in jedem dieser, mit herrlichen antiken und mittelalterlichen Skulpturen geschmückten Räumen eine schrille farbige Riesenplastik dafür sorgen wird, daß die Besucher auch einmal dieses Frankfurter Kleinod zwangsläufig sichten werden.
Überhaupt sollte das Liebieghaus die erste Adresse werden, denn als Dreidimensionaler gefällt uns Jeff Koons wesentlich besser als in seinen ebenfalls monumentalen Gemälden in der Schirn, die bei aller Perfektion, wie er hyperrealistisch Fotos auf die Leinwand in Öl gießt oder eine Art farbig schreiender Collagen aus Versatzstücken der Konsumwelt – hauptsächlich der kindlichen oder der des Kindes im Manne – von der Dimension her so aufbläst, daß diese gewaltigen Gemälde allein durch die Größe wirken, man dann aber wie in Andersens Märchen empfindet: „Der Kaiser ist ja nackt!“
Wahrscheinlich gibt es wenige Objekte auf dem Kunstmarkt, zu denen man derart unterschiedlicher Meinung ist – und sein kann, wenn man sich traut. Denn diese Frankfurter Ausstellungen wird so sakral inszeniert, wie Jeff Koons seine Arbeiten gerne selber empfindet. Und man selbst kann diesem Prozeß kaum ausweichen, wenn man – pflichtschuldigst – den Worten des äußerlich bescheiden und nett auftretenden Amerikaners in der Pressekonferenz lauscht oder ihn beim Rundgang begleitet und auch sein Anliegen der Öffnung zum Publikum hin versteht und daß er sich nicht als kitschverdächtig betrachtet, weil dies ein Urteil sei und er Urteile generell nicht möge. Das wird auch in den schriftliche fixierten Gesprächen im Katalog nicht anders: nett, wolkig, aber nicht greifbar, substanzlos. Fortsetzung folgt.
Bis 23. September in der Kunsthalle Schirn die Gemälde
und im Liebieghaus die Skulpturen
Katalog I: Jeff Koons, The Painter, hrsg. von Matthias Ulrich, Vincenz Brinkmann, Joachim Pissarro, Max Hollein, HatjeCantz 2012
Katalog II: Jeff Koons, The Sculptor, hrsg. von Matthias Ulrich, Vincenz Brinkmann, Joachim Pissarro, Max Hollein, HatjeCantz 2012
Wir wissen eigentlich, wo wir zu Hause sind, wenn in beiden zweisprachigen Katalogen zwei Führungsfiguren der Bank of America Merrill Lynch in den Funktionen des „Country Executive, Germany“ und „Chairmann, Germany“ die Grußworte aussprechen. So sehr das Engagement von Banken für Kunst zu begrüßen ist, so sehr stößt es einem auf, wenn es derart aufdringlich daherkommt.
Die Kataloge sind beide ausgezeichnet, aus gleichen und aus unterschiedlichen Gründen. In beiden sind es die schriftlichen Auslassungen, die die Bandbreite von Kunst und von Kunstverständnis dokumentieren, die auch für die Nachwelt gelten. Wenn Isabelle Graw, Professorin an der Städelschule und Herausgeberin der TEXTE ZUR KUNST im Beitrag KUNST IST NICHT-KUNST – im Englischen „There is no art in it“ , ist das nicht eine andere Aussage? - wenn Isabelle Graw also gegenüber Koons die Adornoworte von „Kunst als Problemzusammenhang“ in den Mund nimmt und dieser nichts anderes darauf zu antworten hat, als von sich und seiner öffentlichen Selbstwerdung zu sprechen: „Ja. Ich merkte: Wenn man seine Interessen verfolgt und sich einzig und allein auf sie konzentriert, dann gewinnt das irgendwann etwas Metaphysisches. Man landet dann genau da, wo alles irgendwie richtig zueinanderfindet...“, dann empfindet man immer stärker, daß Jeff Koons nicht das „Kunstwollen“, sondern das „Jeff Koons Verwirklichen“ antreibt.
Auch alle anderen Beiträge sind schon deshalb zu empfehlen, weil man sich mit ihnen auseinandersetzen kann, was wir müssen, weil wir oft anderer Meinung sind. Dann staunt man beide male im eigentlichen Katalogteil. Bei den Gemälden sind nicht alle Bilder abgedruckt. Aus der Serie MADE IN HEAVEN nur die dezenten. Warum? Die knallbunten Skulpturen nun wiederum sind auf einer Seite einzelnen Exemplaren aus dem Raum, in dem sie stehen, auf der anderen Seite gegenübergestellt, beispielsweise die magentafarbene BALLOON VENUS von 2008 bis 2012 dem Kopf der Athena des Myron aus der ersten Hälfte des 1.Jahrhunderts als römische Kopie des griechischen Bildhauers Myron von um 450 v. Chr. , manchmal wie hier dann auch zusätzlich in einer Gesamtaufnahme des Raums, was das aufgeblasene Magenta inmitten der auf weißen Sockeln antiken Überreste dann wirklich Metaphysisches bewirkt.
Toll übrigens, daß ab Seite 100 des Katalogs auch Objektbeschreibungen folgen, die allerdings nur die Ursprungsobjekte des Liebieghauses in ihren geschichtlichen Hintergründen erklären, während Jeff Koons PINK PANTHER oder METALLIC VENUS oder COUCH sich von alleine erklären? Ja, die schon, aber andere eben nicht. Zur TRAVEL BAR von 1986 oder TWO KIDS oder TITI TIRE hätten wir schon gerne ein Deutung im Katalog gelesen, auch zur WOMAN IN TUB. Aber da wir hochzufrieden sind, daß wir viele der herrlichen Stücke des Liebieghauses auf diese Weise auch im Bild bewahrt haben, wollen wir zufrieden sein.
www.liebieghaus.de
www.schirn.de
www.schirn-magazin.de