Serie: SAMMELN! Die Kunstkammer des Kaisers in Wien in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim, Teil 1/2

 

Hans Weißhaar und Anna von Stillmark

 

Mannheim (Weltexpresso) – Zwischen dem Kunsthistorischen Museum in Wien und den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim gibt es ganz neu eine Kooperation, die, so sehen wir es erst einmal, voll zu Gunsten der Rhein-Neckar-Region geht, die sich neben Rhein-Main zu einer weiteren Metropolregion entwickelt. In den nächsten fünf Jahren sollen in den REM in Mannheim jährlich in jeweils einer Schau ganz spezielle Schätze aus der Wiener Kunstkammer hierzulande gezeigt werden, die gemeinsam aus dem grandiosen Wiener Fundus ausgewählt und als Ausstellung konzipiert werden.

Dies drücken Sabine Haag, die Generaldirektorin des Kunsthistorischen und Alfried Wieczorek, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen im Vorwort des Katalogs glücklich aus. Beide eint die Überlegung, daß man die eigenen Sammlungen stärker an die Öffentlichkeit bringen möchte, also Besucherströme dahin lenken möchte, statt sie nur durch aufwendige Sonderausstellung anzuziehen. Eine Ausstellung aus der eigenen Sammlung zu konzipieren, bringt immer Fragen der Restaurierung, aber auch wissenschaftliches Forschen voran, denn eine Ausstellung soll die Exponate von ihrer besten Seite zeigen und so wird der Zahn der Zeit beseitigt und als Forschungsergebnis hinzugefügt, was neue Überlegungen gebracht haben. Eine gute Sache.

 

Sabine Haag ist dafür die Richtige, denn die 1962 Geborene wurde Anfang 2009 direkt aus ihrer Verantwortung als Leiterin der Kunstkammer zur Generaldirektorin des KHM ausgewählt, das edelste in Wien zu vergebende Museumsamt. Seit Jahr und Tag wird nun die Kunst- und Wunderkammer in Wien restauriert und am 12. Dezember 2012 wiedereröffnet. Nur so ist es zu verstehen, daß zum Auftakt der Kooperation derartige Glanzstücke überhaupt hergegeben wurden und vielleicht auch, mit welcher personeller Unterstützung aus Wien diese Ausstellung und ihre Katalog erarbeitet wurden, beispielhaft dafür wird Claudia Kryza-Gersch erwähnt.

 

Man betritt den großen, in sich gegliederten Saal und sieht sich einem Schloß gegenüber. Das fällt einem sonst gar nicht mehr auf, wenn man vom Ring aus links das Kunsthistorische und rechts das Naturhistorische Museum – dort gibt es die Venus von Willendorf und die Federkrone des Moctezuma, Beute aus dem aztekischen Mexiko - erblickt, in deren Mitte Maria Theresia als erhöhte Bronze thront: es sieht aus wie ein Schloß, nicht wie ein Museum. Was die ursprüngliche Kunst/Schatzkammer angeht, ist in der Ausstellung ein Modell zu sehen, wie wir uns vorzustellen haben, wie diese Schätze einst an anderem Ort, in der Stallburg, ausgestellt wurden.

 

Tatsächlich reichen aber die ersten Sammlungen weit früher zurück als in Europa allgemein üblich. Denn schon Herzog Rudolf IV. (1339.1365) begann mit einem habsburgischen Hausschatz. Das waren dann erst einmal Kostbarkeiten aus Gold und Edelsteinen, Münzen und Schmuck neben Urkunden und Reliquien. Erst zur Jahrtausendmitte wurde das Sammeln eine kaiserliche Leidenschaft, durchaus den Franzosen abgeschaut, dessen Duc de Berry vorgemacht hatte, wie man sich mit Kunst auch als Herrscher selbst erhöht. Es kam aber für die Idee der Kunst- und Wunderkammer ein wichtiger Aspekt hinzu: die Abweichung von der Norm einerseits und besondere Naturstücke andererseits.

 

Bis 2. September 2012

 

Katalog:

Sammeln! Die Kunstkammer des Kaisers in Wien, hrsg. Von Sabine Haag und Alfried Wieczorek, Prestel Verlag 2012. Ein gelinde Überraschung auch der Katalog bei Prestel, ansonsten nicht einer der bevorzugten rem-Katalog-Produzenten. Man beginnt sinnvollerweise von hinten. Im Anhang ist nämlich die Stammtafel des Hauses Habsburg, bzw. Habsburg-Lothringen verzeichnet. Wir haben eine Lupe genommen, weil wir es genau wissen wollten. Auf zwei Seiten alle Habsburger darzustellen, fordert eben Opfer in der Schriftgröße. Aha, hier klärt sich auch, was wir in der Ausstellung nicht so verstanden, daß nämlich die fettgedruckten die Kaiser sind und die gelb markierten die Blutlinie der Habsburger bedeuten, was wichtig bei Maria Theresia wird, die zwar die Blutlinie repräsentierte, deren Ehemann Franz I. von Lothringen aber der Kaiser war.

 

Der Katalog gibt nicht nur die Geschichte dieser speziellen Sammlung wieder, sondern öffnet den Blick für das, was sich in den Jahrhunderten an Ideen und Prinzipien zum Sammeln entwickelt hat. Wir stehen heute an einem Endpunkt, wo das Leben und die Kunst so parzelliert ist, daß längst wieder eine Sehnsucht nach Integration besteht, so daß man den Weg zur Spezialisierung und und vereinzelten Generalisierung gut beobachten kann. Entscheidend für den Leser sind die Abbildungen und Texte zu den in Mannheim ausgestellten Objekten, die nichts zu wünschen übrig lassen.