Serie: Füsslis Nachtmahr im Goethemuseum, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – So vielen ist Johann Heinrich Füssli nur fern als Schweizer Maler bekannt, manche wissen auch, daß er um 1800 lebte, 1741 in Zürich geboren und 1825 in England gestorben, daß er seine Heimat aus politischen Gründen verließ und schließlich in England hängenblieb, wo er nach schwerer Zeit dann doch als Künstler groß herauskam, als HENRY FUSELI.
Seinen britischen Schwerpunkt zeigen schon die vielen Gemälde und Stiche, die englische Themen, nämlich Visualisierungen englischer Literatur zum Inhalt haben. Daß er aber dann auch England verließ und nach Rom ging, wissen noch weniger und auch nicht, daß er es erneut in Zürich versuchte und dann doch nach London zurückkehrte und 1981 mit dem Gemälde THE NIGTMARE seinen künstlerischen Durchbruch erlebte und in Großbritannien blieb.
Das war der kurze Überblick, den wir erweitern wollen, weil Johann Heinrich Füssli einer der interessantesten Gestalten im Kulturbetrieb der Aufklärung und des Klassizismus versus Romantik quer über die Nationen war, der das Schicksal gescheiter Menschen teilte, die leicht zwischen gescheitert und emporgehoben zerrieben werden. Füssli war keiner der schwärmerischen Künstler, die mit dem Pinsel sich selbst verwirklichen wollen, sondern er war ein handfester, literarisch belesener und hochgebildeter Mensch, der als Künstler von der Welt anerkannt sein wollte, einschließlich der finanziellen Meriten.
Sein Vater Johann Caspar Füssli (1707-1782) war ebenfalls Maler und Schriftsteller, der die Begeisterung für beide Künste auf seine Kinder übertrug. Die beiden Schwestern Füsslis wurden Blumenmalerinnen und Johann Heinrich durfte schon 1751 an den Kunstbüchern des Vaters mitarbeiten, sie mitillustrieren. Ein Freund des Vaters war Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), der ‚Erfinder‘ der Archäologie, hoch geehrt und dann kritisch hinterfragt, eben auch durch unseren Füssli.
Dieser studierte zuvörderst Theologie, wozu die alten Sprachen gehörten, was er mit der Ordination zum evangelisch-reformierten Geistlichen 1761 abschloß; aber er lernte auch Englisch und Italienisch. Und vor allem hörte er Johann Jakob Bodmer, der heute leider als Literaturvermittler viel zu wenig bekannt ist, was auch für den grundsätzlichen Literaturstreit mit Gottsched gilt, der ja in Wahrheit ein Kulturstreit war, der bis heute fortwirkt oder doch besser zur Synthese unseres heutigen Begriffs von Bildung wurde.
Bodmer nämlich war es, der gegen die vorherrschende und von Gottsched vertretene Mode, sich der französischen Literatur mit Schwerpunkt Antike auch im deutschen Sprachraum anzupassen, sowohl den archaischen Homer wie das wüste Mittelalter und damit auch Dante Alighieri ins Feld führte, sowie beim Auffinden des Nibelungenliedes eine merkwürdige Rolle spielte, dieses aber als urdeutsch erst bekanntmachte, William Shakespeare und John Milton übersetzte, die englische Literatur der französischen ebenbürtig fand und zeitlebens eine Orientierungsfigur für Füssli blieb, dem er früh empfohlen hatte, die englische Literatur in Bilder zu fassen.
Doch Füssli beherzigte das erst ab 1763, nachdem er als Pfarrer gegen den damaligen korrupten Landvogt in Flugblättern angeschrieben hatte, als Konsequenz seinen Hut Richtung Deutschland nehmen mußte und auf Übersetzungen von Shakespeare umsattelte, deshalb auch vom englischen Gesandten in Berlin 1765 nach London vermittelte wurde, dort erst übersetzte, u.a. auch Winckelmann, dann aber auf Kunst, sprich Malerei umsattelte. Es war tatsächlich der damals führende englische elegante Maler Joshua Reynolds, der ihm 1767 zur Kunst einschließlich eines Aufenthaltes in Italien geraten hatte, was Füssli in den Illustrationen zu Dramen von Shakespeare auch ausführte und so auf einmal bildender Künstler war.
1770 ging Füssli also dann nach Rom, wo er Antiken und Michelangelo studierte, mit Anton Raphael Mengs gut bekannt war und viele Einflüsse aufnahm, es wieder in der Heimat Zürich versuchte, dort DIE DREI EIDGENOSSEN BEIM SCHWUR AUF DEM RÜTLI sowie BODMER UND FÜSSLI VOR DER BÜSTE HOMERS schuf, aber 1779 doch wieder nach erfolgloser Werbung seiner Angebeteten nach London zurückkehrte und nach 1780 mit DIE NACHTMAHRE, ausgestellt in der Jahresausstellung der Royal Academy 1782 so etwas wie seinen künstlerischen Durchbruch feierte.
So viel diskutiert wie sein Werk, das sich nach und nach entfaltete, war auch seine Persönlichkeit. THE WILD SWISS war seine Charakterisierung in England, wo Heny Fuseli mit seinem schweizerischen Akzent deutlich auffiel, aber auch mit seinen fantastischen, durchaus auch abstrusen Gemälden und Drucken die Romantik Richtung des in ihr wohnenden Abgründigen bereicherte. Kein Wunder, daß er als Förderer der Gothic-Bewegung gilt, wo doch seine Bilderfindungen zu den Texten von Dante, Milton, Shakespeare und auch zum Nibelungenlied uns bis heute prägen. Seine Kunst war ein Mittelding zwischen künstlicher Bildung und echter autochthoner Empfindung. Der Mensch sollte das Erhabene schauen, innerlich erschüttert werden und auf der Basis von beidem weiterleben, durchaus ein seit der Antike für die Menschenbildung angewandtes Prinzip der Katharsis.
Er schuf also als Künstler alles in allem das Gegenteil klassischer Bildtraditionen; stattdessen suchte er im Sujet, der Darstellungsweise und der Farbwahl die Zuspitzung, die Dramatik, den Effekt. Das gilt deutlich für seinen NACHTMAHR, der eben nicht den Albtraum zeigt, den die Schläferin träumt, wenn ihr der Nachtmahr aufsitzt, aber auch nicht das Schlafgemach, wie eine Frau einfach schläft, sondern ein Mittelding, wo die Träume die Figur in Haltungen bringt, die sie als Opfer erscheinen lassen, aber auch als diejenige, die inszeniert, was da alles passiert. Fortsetzung folgt.
Foto: Füssli und Bodmer mit Homer , Gemälde von Füssli (c) wikipedia.de
Info:
Öffnungszeiten: Montag bis Samstag, 10.00-18.00 Uhr, Sonn- und Feiertage, 10.00-17.30 Uhr
Abweichende Zeiten: 14.04. (Karfreitag) geschlossen; 06.06. (Wäldchestag) 10.00-13.00 Uhr
Ausstellung im Goethemuseum bis 18. Juni 2017;
Ausstellung im Wilhelm-Busch-Museum Hannover 22. Juli 15. Oktober 2017
Katalog: Füsslis Nachtmahr. Traum und Wirklichkeit, hrsg. von Werner Busch und Petra Maisak, Michael Imhof Verlag
Das reichhaltige Rahmenprogramm wird noch vorgestellt.