Serie: Pergamon. Panorama der antiken Metropole im Pergamonmuseum in Berlin, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Erst jetzt nehmen wir auch rechts unten das römische Theater wahr, auf dessen irgendwie schrägem Halbrund vereinzelt Menschen sitzen, die einem von hier oben auf einmal wie lebendig vorkommen. Jetzt aber kommt die goldglänzende Sonne durch die grauen Wolken und bringt die 300 Meter hohe Akropolis uns gegenüber zum Strahlen.

 

Was ist das Gold da? Goldstatuen auf der Akropolis von Pergamon? Unser Blick fällt auf den Trajan-, den Dionysos- und den Athena-Tempel. Die Stadtgottheiten waren die beiden letzteren. Athena als Stadtgöttin mußte einfach sein, wollte man als Nachfolge Athens ernstgenommen werden, in der sich die Attaliden sonnten, die für ihr Geschlecht wiederum den Dionysos als Ahnen nutzen. Während wir uns noch unsere Gedanken machen, wo nun die antike Unterstadt anfängt, wo endet und wieso der Pergamonaltar an der Stelle steht, wo er hier steht, - ganz einfach, er steht nicht auf der Akropolis sondern auf einer Aufschüttung der antiken Oberstadt - ist schon wieder Nacht geworden.

 

Das geht uns zu schnell. Irgendeiner erzählt dann, das sei, damit die andächtigen Betrachter auch wieder gehen, was eine gute Interpretation ist, denn eine kurze Verweildauer wäre angebracht, weil draußen über viele Stunden die Leute anstehen, die in den letzten Tagen diese Ereignis noch erleben wollen.

 

Aber für uns wäre das die falsche Strategie. Denn die kurzen Tage und längeren Nächte – wenigstens empfinden wir das so – führen bei uns zum längeren Verweilen, weil die Nacht zwar romantisch und gefühlig ist, aber man des Tags dann doch mehr sieht. Das geschäftige Treiben, was haben die Leute an, wie viele Frauen haben nackte Arme und offene Haare und dann hin und wieder eine, die alles bedeckt. Was trugen die Leute damals? Wie unterscheiden sich Handwerker von den feinen Leuten, Träger von den Sportlern? Wir kennen diese Zeit aus den Büchern oder den Museen.

 

Aber nicht der Weinverkäufer wurde zur Statue, sondern ein Gott, oder ein König oder ein sonstiger Würdenträger. Asisis Panorama zwingt einen dazu, sich das damalige Leben vorzustellen, also den Weg der Schreitenden zu antizipieren, wofür es nicht viele Bilder in uns gibt. Denn gefährlich ist es, sich an derartige Filme zu erinnern.

 

Der Ehrenhof des Pergamonmuseums ist also auf 24 Meter Höhe und einer Länge von 103 Metern für das Panorama und seine Vor- und Nachbauten als Rotunde eingerichtet. Asisi hat die antike Stadt Pergamon im Maßstab 1:1 rekonstruiert, basierend auf dem aktuellen Forschungsstand in Zusammenarbeit mit den Archäologen der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin und des Deutschen Archäologischen Instituts. Für das monumentale Panorama des antiken Pergamon dienten Yadegar Asisi Rekonstruktionszeichnungen pergamesische Bauten, Fotoaufnahmen von Ausgrabungsfunden sowie das erste Pergamon-Panorama von Alexander Kips und Max Friedrich Koch aus dem Jahr 1886 als Orientierung.

 

Zwei Jahr lang, 2010 und 2011 fotografierte Asisi das Ruinenfeld in heutigen Bergama von einen ca. 30 Meter hohen temporären Turm aus die Topografie des Burgbergs, auf dem die Akropolis saß, und die der umgebenden Landschaft. Daraus erstellte er eine Entwurfsskizze des historischen Stadtbildes. Da hinein setzte und stellte er szenische Fotoaufnahmen mit Statisten in antiken Kostümen in Bergama und anderen Orten.

 

Aus dem gesamten Material von über 5 000 Aufnahmen wurde dann am Rechner das Rundbild aufwendig zusammengesetzt, daß dem Besucher in der Endausführung im Innenrund von 32 Metern Durchmesser die Zeitreise in die Antike möglich macht. Das ist schon unglaublich. Wir aber werden jetzt die eigentliche Ausstellung anschauen, an deren Aufbau Asisi ebenfalls mitgewirkt hat. Dort sind wir auf all die Originale gespannt, die noch nie öffentlich gezeigt wurden, denn der Pergamon-Altar hat so das Pergamonbild bestimmt, daß alle anderen Funde dahinter zurückstehen mußten. Zu den Originalen ins Museum also.

 

Bis 30. September 2012

 

Begleitbuch zur Ausstellung:

Pergamon. Panorama der antiken Metropole, hrsg. Von Ralf Grüßinger, Volker Kästner und Andreas Scholl, Michael Imhof Verlag 2011. Ein Ziegelstein dieses Begleitbuch. Aber das darf man bei einer solch imposanten Angelegenheit wie Pergamon auch erwarten, wo ja alleine der in Berlin befindliche Pergamonaltar das menschliche Begreifen übersteigt, wie nämlich all die Steine und Steinplatten den Weg aus Vorderasien nach Berlin gefunden haben. Diesmal aber geht es um die Region aus der er herstammt und wo der Altar selbst am Ende der Ausstellung den krönenden Schlußpunkt setzt. Dieser Katalog ist einer für das ganze Leben, denn er enthält Grundsätzliches zu Geschichte, Kultur und Religion von Pergamon und geht auf alle regionalen Besonderheiten ein, Entdeckungs- und Grabungsgeschichte, Topographie und Architektur, Herrscher und Hof, Kulte und Heiligtümer, Pergamon als Polis – im Unterschied zur Metropolregion, Skulptur und Handwerk. Insbesondere die abschließende Rezeptionsgeschichte der Funde, die ab Seit 378 einsetzt, ist spannend und erhellend zudem.

 

Der Katalogteil folgt ab Seite 422 und führt dreispaltig im Bild (farbig!) die Ausstellungsexponate der einzelnen Ausstellungsteile vor und gibt neben den bibliographischen Angaben- bei Fundstücken sind dies Ort, Zeitpunkt, Herstellungsangaben, Material sowie heutiger Aufbewahrungsort -  auch Hinweise zur Auffindung oder der Funktion, ihren Gebrauch und das Besondere des Gegenstandes. Wenn es sich dabei beispielsweise um die „Statue eines bärtigen Gottes, ‚Zeus Ammon‘ handelt, dann gehen auch vier Spalten drauf. So kommen für den ersten Teil 26 Exponate zusammen, für den zweiten 39, den dritten 158, den vierten 18, den fünften 64, den sechsten 68, den siebten 13, den achten 13, den neunten 16, den zehnten 12 in Wort und Bild erlebbare Ausstellungsstücke.

 

Abgesehen davon, daß Sie zu Hause dann froh sind, sich so die gesehen Stücke noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, und beispielsweise vergleichen zu können mit anderen Stücken in anderen Teilen der Ausstellung, ist einfach die Gesamtheit des Bandes das Wunderbare, weshalb man aus guten Gründen von einem Buch fürs Leben sprechen kann.

 

Panorama-Bild und Textband der asisi GmbH, 2011. Würdigung folgt.

 

Foto: Blick auf die Stufen des Theaters im Asisi-Panorma

www.smb.museum

www.asisi.de

www.pergamon-panorama.de