Hertie-Stiftung und Eric Kandel treffen in der Frankfurter Paulskirche auf Herlinde Koelbl und Markus Lüpertz, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Um so wichtiger der zweite Preis, der verbunden mit dem Namen Eric Kandel, an Sonja Hofer ging, die derzeit im Biozentrum Basel forscht, aber auch ans University College London angebunden ist. Ihr war deutlich anzumerken, daß ihr auch der Rahmen der Preisverleihung in der ihr eindrucksvollen Paulskirche unter die Haut ging.

 

Es ist Wahnsinn hier zu stehen, ich bin zufällig bei den Neurowissenschaften gelandet.“ Denn eigentlich wollte sie als Biologin über Tiere forschen, sie wollte Tiere verstehen, hat ihr Verhalten studiert, wo dann eins zum anderen kam. Sie bedankte sich „für die bewegende Rede“, die Prof. Tobias Bonhoeffer, Direktor des Max-Planck Instituts Martinsried auf sie gehalten hatte. Und auch die Übergabe der Urkunde durch den Vorstandsvorsitzenden, Frau Marian Joels aus Utrecht und Eric Kandel von der Columbia Universität N.Y. war so feierlich wie beschwingt. Der Jury, die sie ausgewählt hatte, gehören z.B. drei Nobelpreisträger an!

 

Ihr Preisgeld von 50 000 Euro beinhaltet eine Aufstockung um 25 000 für den Aufbau eines Kooperations- oder Mentorenverhältnisses mit einem weltweit herausragenden Neurowissenschaftler. Der diesmal im zweijährigen Turnus zum dritten Mal vergebene Preis wurde jedesmal in Anwesenheit vom Namensgeber, Eric Kandel übergeben. Über ihn hatten wir fast den gesamten Text des Ankündigungsartikels gefüllt, denn seit wir ihn in seiner Autobiographie AUF DER SUCHE NACH DEM GEDÄCHTNIS kennenlernen durften und auch den Film gleichen Namens über ihn von Petra Seeger sehen konnten, sind wir voll der Bewunderung für den Menschen und Wissenschaftler Kandel. Der Nobelpreis kommt noch hinzu.

 

Deshalb durfte man auch gespannt sein auf die anschließende Podiumsdiskussion der zwei Künstler Herlinde Koelbl, Fotokünstlerin und Filmemacherin und des Malers Markus Lüpertz mit Eric Kandel, die miteinander ins Gespräch kommen sollten über DER KREATIVE MENSCH, was der von uns geschätzte Gert Scobel fördern sollte. Er konnte es nicht. Es kam nicht nur kein Gespräch zwischen Kunst und Wissenshaft“ zustande, sondern am Schluß fragte man sich sogar, wie ein solches denn hätte aussehen sollen.

 

Nach den ersten – vom Publikum eher als ausfallend interpretierten – Wiederworten von Markus Lüpertz: „Hören Sie mir mit der Kreativität auf. Die ist völlig überschätzt! Es geht um das Schöpferische! Der Krone der Schöpfung, Gott ähnlich zu werden, den Homunkulus zu schaffen, den Menschen zu schaffen wie Gott.“, war den Mitdiskutierenden etwas blümerant zu Mute, die sich brav um einen Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft bemühen wollten, ohne sich gleich Gottähnlichkeit unterstellen zu lassen. Der kunsthistorisch historisch Bewanderte dagegen mußte gleich an das erste Konzil von Nicäa 325 n.Chr. denken, wo der Streit zwischen den Arianern und der Mehrheit darum ging, ob Jesus Christus gottgleich (homöusios) oder gottähnlich (homousios) sei.

 

Der Moderator war baff, Herlinde Koelbl wollte sich mit vielen Worten gegen Lüpertz wehren, gab ihm aber erst recht Munition. Im Kern ging es um den Unterschied zwischen beiden Disziplinen, die vom Forscher immer Neues erfordern, vom Künstler aber immer dasselbe forderten. Da kann ein Stil neu sein oder ein Sujet, das Wesen der Kunst aber ist, wie es war, ist und sein wird. Dagegen kämpfte Eric Kandel erst einmal an, indem er die Neuerer in der Kunst – Kandinsky als ersten Abstrakten, Schönberg als ersten Neutöner – vorwies, was ihm Lüpertz gleich um die Ohren schlug. Leider hat er recht. Hier wurde mit Äpfeln und Birnen ein kleiner Geisteskrieg geführt, den keiner gewinnen konnte, weil das Schlachtfeld nicht vorhanden war.

 

Auf dem Feld, wo sich Kunst und Wissenschaft als Ergänzung treffen, nämlich der Wahrnehmung, hätte der Hirn- und Gedächtnisforscher Eric Kandel viel zu sagen gehabt, aber naturgemäß kann man die Künstler nicht verantwortlich machen für das, was andere an ihrer Kunst wahrnehmen, weil das nicht das Motiv ist, aus dem heraus Kunst geschaffen wird, weshalb auch hier Lüpertz vorbringen konnte, daß nur das Kunst sei, was von innen her erschaffen werden muß. Auch, wenn kein einziger anderer hinschaut.

 

Zwischendurch schien es, daß der Begriff der Wahrheit, konstitutiv für die Wissenschaft, auch für die Kunst Verwendung finden könnte, aber auch das blieb unerledigt liegen und als schon mehr als einige Zuhörer gegangen waren, traf Eric Kandel für sich die Entscheidung, aufzuhören: „Es ist keine fruchtbare Situation hier miteinander zu sprechen.“ Womit alle zufrieden waren. Er tat das, was schon zuvor der Moderator hätte tun müssen, denn das Gesprächsmotto: die Attribuierung der Wissenschaft und der Kunst als kreativ, bzw. als kreative Ausübende, ist einfach als gemeinsame Klammer für beide Diszipline zu oberflächlich. Was heißt schon kreativ? blieb einem als Frage zurück und daß ein Künstler Markus Lüpertz, den Mut hatte, was leicht schlechtes Benehmen ist, den Sachen auf den Grund zu gehen.

 

Sinnvoller wäre es gewesen, in der Zeit das neue Buch von Eric Kandel zu lesen. Siehe unten.

 

P.S. Lieber Gert Scobel: Einen Sinn kann man nicht machen. Nie und nirgends.

 

INFO:

 

Eric Kandel, Auf der Suche nach dem Gedächtnis. Die Entstehung einer neuen Wissenschaft des Geistes, Pantheon Verlag/ Siedler 2006

 

Eric Kandel, Das Zeitalter der Erkenntnis, Die Erforschung des Unbewußten in Kunst, Geist und Gehirn von der Wiener Moderne bis heute, Siedler Verlag 2012

 

 

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