Bildschirmfoto 2021 04 26 um 00.40.31Aus dem Kundenservice der WELT zu Corona vom Vortag, 12. 1

WELT Corona-Update

Hamburg (Weltexpresso) - Wer darf wann und unter welchen Bedingungen die seit Monaten eingeschränkten Grundrechte zurückbekommen? Die Antwort auf diese Frage dürfte für viele von uns momentan die wohl wichtigste sein – und die kommende Woche könnte Klarheit bringen.

Denn für vollständig gegen Corona Geimpfte stehen „baldige Lockerungen" im Raum, in einigen Bereichen auch für Genesene. Das Justizministerium hat einen Gesetzesentwurf erarbeitet, der – ginge es nach dem SPD-Hause – am Montag vom Bundeskabinett beschlossen werden soll. Dann müssten noch Bundestag und Bundesrat zustimmen.

Die Abstimmungen laufen bereits, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag in Hamburg. „Wenn dann alle wollen und Kompromisse schnell möglich sind, kann das natürlich auch – die nächste Bundesratssitzung ist am 7. Mai – Ende nächster Woche abgeschlossen sein.“ Welche Schritte laut Entwurf und vor allem für wen geplant sind, wird noch berichtet.

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Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz lag am Freitag bei 153,4, dem niedrigsten Wert seit Mitte April. Der Großteil der Regionen überschreitet nach wie vor die 100-er-Inzidenz, ab der die „Corona-Notbremse" greift. Eine interaktive Karte – mit allen Inzidenzen pro Region und Landkreis – finden Sie hier. Zugleich vermuten einige Wissenschaftler, dass die Corona-Infektionen nicht mehr steigen werden – und schon bald Inzidenzen von unter 50 möglich sind. Wie sie dazu kommen, das erfahren Sie hier.



carsten watzl DAS GESPRÄCH DER WOCHE


Professor Carsten Watzl (im Foto rechts) ist Immunologe am Dortmunder Leibniz-Institut für Arbeitsforschung. Im Interview mit WELT erzählt er, wie eine Genesung von Corona überhaupt nachgewiesen werden kann – und ob eine Impfung zusätzlich notwendig ist.

WELT: Herr Dr. Watzl, neben vollständig Geimpften sollen auch Corona-Genesene zu ihren Grundrechten zurückkehren dürfen. Welche Möglichkeiten gibt es, eine überstandene Corona-Infektion nachzuweisen?

Watzl: Auf jeden Fall muss ein Antikörpertest oder PCR-Test durchgeführt werden. Der beste offizielle Nachweis einer durchgemachten Infektion ist ein Schreiben vom Gesundheitsamt oder vom Arzt, worin bestätigt wird, dass ein positives PCR-Testergebnis vorliegt. Aber auch wenn Antikörper vorhanden sind, ist dies ein Beweis, dass die Person vorher infiziert war. Ist dies der Fall, bekommt man in der Regel auch einen Wert und weiß, wie viele Antikörper da sind. Wenn der Wert hoch ist, ist das besser, als wenn er sehr niedrig ist. Allerdings ist noch nicht etabliert, ab welchem Wert jemand wirklich immun ist. Das ist auch für die Corona-Impfung noch nicht der Fall. Wenn man sich gegen Hepatitis B impfen lässt, kann nach der Impfung aus dem Blut ein Hepatitis-B-Titer bestimmt werden. Da gibt es klare internationale Einheiten, nach denen gemessen wird: Ist man oberhalb von 100, dann ist man immun und hat für ungefähr zehn Jahre einen Immunschutz. Ist man unter 100, muss nachgeimpft werden. Das gibt es beim Coronavirus aber noch nicht.


WELT: Halten Sie es für wahrscheinlich, dass solche Richtlinien noch eingeführt werden? Das könnte ja zum Beispiel im internationalen Reiseverkehr von Bedeutung werden.

Watzl: Ich denke schon. Die erste Frage, die hier geklärt werden muss, ist die des sogenannten Korrelats der Protektion. Also welcher Teil des Immunsystems schützt vor einer Corona-Infektion – die Antikörper oder die T-Zellen? Es gibt Hinweise, dass es sehr wahrscheinlich die Antikörper sind. Das wäre am schönsten, weil man die auch am einfachsten messen kann. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nun zudem angestoßen, dass die weltweiten Antikörpertests standardisiert werden und dieselben Maßeinheiten verwenden. Denn je nach Anbieter können andere Werte entstehen, die oft nicht untereinander vergleichbar sind. Dann müssten wir noch dahin kommen, dass wir wissen, ab welcher Antikörper-Einheit man sich nicht mehr ansteckt. Das wird aber noch eine Weile dauern.


WELT: Anders als bei der Impfung und dem gelben Impfausweis gibt es bisher keinen einheitlichen Nachweis für eine durchgemachte Infektion, oder?

Watzl: Nein. In der Regel hat man ein Papier, das aus dem Labor kommt und dort steht die Art des Antikörpertests und das Ergebnis. Aber das sieht von Labor zu Labor unterschiedlich aus. Einige der Nachweise sind nicht einmal unterschrieben. Wenn jemand kriminelle Energie hat und einmal so einen Befund gesehen hat, könnte man ihn leider auch ziemlich einfach fälschen.


WELT: Wie unterschiedlich fallen die Immunantworten nach einer Corona-Infektion aus?

Watzl: Wenn wir uns über Immunität unterhalten, dann ist eine durchgemachte Infektion nicht so zu werten wie eine doppelte Impfung. Das sieht man an den Antikörper-Spiegeln. Personen, die sich infiziert haben, zeigen sehr unterschiedliche Mengen an Antikörpern in ihrem Blut. Es gibt beispielsweise Menschen, die kurz nach einer durchgemachten Infektion plötzlich gar keine Antikörper mehr im Blut haben. Andere wiederum haben sehr hohe Antikörper-Spiegel im Blut, schon fast wie bei Geimpften. Wir wissen von der leichten Korrelation, dass bei Patienten, die einen asymptomatischen Verlauf hatten, die Antikörperantwort etwas geringer ausfällt. Wenn jemand einen sehr schweren Verlauf hatte, dann sind meistens auch hohe Mengen an Antikörpern vorhanden. Das bedeutet, dass die Immunität nach einer durchgemachten Infektion zwar gegeben ist, aber nicht so stark ist wie nach der Impfung. Im Grunde genommen gibt es eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft von Immunität.


WELT: Demnach dürfte aus Ihrer Sicht eine durchgemachte Corona-Infektion nicht als Argument dienen, um eine Impfung zu umgehen?

Watzl: Das ist richtig. Als Beispiel: In der Großstadt Manaus in Brasilien hatten sich etwa 70 Prozent der Bewohner mit Corona angesteckt. Dennoch hat sich die brasilianische Mutante, die die Immunantwort etwas umgeht, ausgebreitet und eine neue Welle verursacht hat. Daran sieht man, dass die Immunität nach durchgemachter Infektion nicht so gut ist und auch nicht dazu führt, dass alle einen sehr guten Schutz haben. Bei der Impfung sind die Antikörper-Spiegel viel höher und schützen insgesamt besser gegen die Mutanten.

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Foto:
Carsten Watzl
Quelle: TU Dortmund