oder Die "Servicewüste" behauptet sich

 

von Helmut Marrat

 

Hamburg (Weltexpresso) - Das Alstertaleinkaufszentrum in Hamburg-Poppenbüttel, kurz AEZ, ist eines der ältesten Einkaufszentren der Hansestadt. Es wurde 1970 eröffnet und war gar die erste überdachte Einkaufsgalerie Deutschlands.Wer weiß schon noch, dass im angrenzenden Hochhaus Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe eine konspirative Wohnung unterhielten?

 

 

Und wer noch, dass es 1971 beim nahen S-Bahnhof zu einem Schusswechsel kam, bei dem der Polizeibeamte Norbert Schmid starb? Das kann schon deshalb niemand mehr wissen, weil man den Bahnhofsvorplatz nicht nach dem Erschossenen benennen wollte. Man wählte stattdessen lieber einen unwirtlichen Ort, ein paar Kilometer entfernt. Immerhin,es scheint sich dort keiner an der Benennung zu stoßen.

 

Jedenfalls wird das AEZ immer schicker.Beinah unentwegt wird einer der "Schops" erneuert. Auch die Confiserie Arko baute jüngst vollkommen um. Man erhielt eine frische Verkaufstheke und neue Regale. Nur das Lager beließ man im selben Verschlag, direkt hinter einer Gardine. Er kaufte dort bis gestern sehr gerne. Besonders eine bestimmte Sorte Pralinen: Aus Marzipan in dunkler Schokolade und mit einer Walnuss drauf. Denn die schmeckte stets herrlich saftig. Vorgestern erwischte er eine Lieferung, die er beim besten Willen nicht frisch nennen konnte.

 

Also fuhr er am nächsten Tag hin. Obwohl Stammkunde, brachte er den Kassenzettel vorsichtshalber mit. Weil das ist in Deutschland nach wie vor Pflicht.Keine der drei Verkäuferinnen glaubte ihm. Hier sei alles frisch.Man reichte ihm zum Beweis eine Praline. direkt aus der blitzblanken Vitrine. Auch die schmeckte trocken. Also schüttelte er den Kopf. Nun holte man aus dem Verschlag die aktuelle Lieferung, in einem Blechkasten verwahrt, und er dürfte noch einmal testen. Doch, was sollte er denn machen? Schwindeln, damit die Damen ihn weiter anlächelten? Nein, das brachte er nicht fertig. Wenigstens zahlte man ihm seine etwa fünf Euro Einsatz zurück. Doch gab ihm gleichzeitig zu verstehen, dass man künftig das Laden-Kunden-Verhältnis für beendet erachte. Sein "Auf Wiedersehen" erwiderte auch nicht eine der Verkäuferinnen. Er hatte es immerhin zweimal versucht. Nein, man ignorierte ihn schlicht.

 

Auf dem Nachhauseweg erinnerte er sich an ein Erlebnis in Berlin, ebenfalls Anfang der Siebziger Jahre: Er war Jugendlicher und zu Besuch bei seiner Tante in Steglitz. Die Stadt war damals noch geteilt. Und in Westberlin behaupteten sich eine Unmenge an Kriegerwitwen. Inzwischen befand man sich im sogenannten kalten Krieg. Der Gegner waren die "Kommunisten" im Osten der Stadt.Und um diese zu bezwingen, fuhr man zum Beispiel nie S-Bahn. Denn die "gehörte" zum Osten. Diese Witwen hatten in aller Regel kaum Geld. Nur wenig konnte man sich erlauben. Jetzt aber war der Neffe aus Westdeutschland zu Besuch! Deshalb ging man essen. Und da Mai war und da meine Tante das wünschte, fuhren wir in ein Kaufhaus. Aber der Spargel, den sie sich gegönnt hatte, schmeckte "holzig". Der Kellner - damals fanden sich in Kaufhaus-Restaurants noch zahlreiche "Ober"- widersprach meiner Tante. Es kam zum Disput. In dessen Verlauf nahm der Kellner schließlich an unserem Tisch Platz, zog sich den Teller Spargel heran, griff nach einem freien Besteck und begann zu essen Er wollte recht behalten. Meine Tante jedenfalls hat dies Kaufhaus nie wieder betreten.

 

Und dann dachte er noch, die Fahrt war recht lang, an den Schauspieler Axel von Oesterreich.. Der war dem Rat seines Vaters gefolgt und hatte sich von Ambesser genannt. "Nimm einen Namen mit A!"

 

Info I: Axel von Ambesser (1910 bis 1988) war einer der erfolgreichsten Filmregisseure, Schauspieler und Theaterautoren der Nachkriegszeit. Seine Memoiren betitelte er mit: "Nimm einen Namen mit A"

 

Info II: Das Foto (HelmutMarrat) zeigt die Pralinen mit Vollmilchschokolade. Die mit dunklem Überzug waren so ganz zufällig nach unserem Dasein zwischendurch "nicht lieferbar"