Serie, Teil 1, WOANDERS GELESEN, hier Hessische Lehrerzeitung (HLZ) 7/8 2014: LERNORT MUSEUM

 

Franziska Conrad und Redaktion

 

Mainz (Weltexpresso) – Wir wollen wiederaufgreifen, was wir vereinzelt schon übten, Artikel anderer Presseorgane in Weltexpresso dann weiterzugeben, wenn wir sie besonders gut und für die öffentliche Diskussion und Beteiligung wichtig finden. So ging es uns mit dem neuen Heft der HLZ, die der Landesverband der GEW-Hessen herausgibt.

 

Schon immer stach diese Gewerkschaftszeitung hervor. In den Siebzigern wurde ihr, damals noch Schriftleiter genannte HLZ-Macher, Horst Glänzel, sogar zum Programmdirektor des Hessischen Fernsehen gewählt, was auf die Funktion des Verantwortlichen Redakteurs der hessischen Gewerkschaftszeitung und damit auch auf die GEW zurückstrahlte. Joachim Euler war später als langjähriger Zeitungsgestalter schon legendär und nun macht seit so vielen Jahren Harald Freiling eine ausgezeichnete Arbeit.

 

Mit diesem Heft, einer Konzentration auf den LERNORT MUSEUM anhand vieler Beispiele, löst eine solche Aussage Harald Freiling dank kompetenter Mitarbeiter auf vielen Seiten ein. Lesen Sie selbst! Wichtig ist uns daran, daß die Lehrergewerkschaft hier mit Aplomb die einstige Funktion der Lehrerschaft seit der Aufklärung wiederaufnimmt: Kulturträger der Nation zu sein. Dies gehörte lange nicht mehr zum Selbstbild von Lehrern, die früher in den Volksschulen, erst recht in kleineren Gemeinden vom Singen, über den Chor und Schulaufführungen als kulturelles Herz ihrer Region schlugen.Die Redaktion.

 

 

TEIL 1: Historische Bildung

 

von Franziska Conrad, Referat Aus- und Fortbildung im GEW-Landesvorstand

 

Moritz Neumann wurde als Vorsitzender des Landesverbands der jüdischen Gemeinden in Hessen vor einigen Jahren gefragt, warum der Gedenktag zur Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 in den Schulen wenig Beachtung findet. Der Schulleiter eines Frankfurter Gymnasiums hatte dies unter anderem damit begründet, dass der Tag wegen Zeugnisvorbereitungen und Schulhalbjahreswechsel ungünstig liegt.

 

Moritz Neumann kommentierte: „Wenn ich das nächste Mal mit der Roten Armee rede, werde ich ihr sagen, dass sie mit der Befreiung von Auschwitz besser noch ein paar Tage gewartet hätte.“

 

Erinnern und Gedenken in Schule und Unterricht zu praktizieren sowie Phänomene der Geschichtskultur zum Gegenstand der Auseinandersetzung zu machen, sprengt die Routine des Schulalltages. Fahrten in Museen und Gedenkstätten erfordern erhebliche Vor- und Nachbereitung, der Unterricht der begleitenden Lehrkräfte muss vertreten werden, für Erinnern und Gedenken muss eine Schulöffentlichkeit geschaffen werden, die emotionale und kreative Annäherung zulässt, zum Beispiel an die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und Vernichtung, und auch sensibel ist für gegenwärtige Probleme wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Dennoch stellen sich erfreulich viele Schulen dieser Aufgabe, unterschiedliche Orte und Formate der Präsentation von Geschichte zum Lerngegenstand zu machen.

 

Die öffentliche Aufmerksamkeit für Gedenk- und Jahrestage fördert diese Aktivitäten. Derzeit sind es die Erinnerungen an den Beginn der beiden Weltkriege vor 100 und vor 75 Jahren. Schulklassen besuchen Ausstellungen über den Ersten Weltkrieg, um sich die Auswirkungen des Krieges auf Soldaten und das Alltagsleben der Menschen an der „Heimatfront“ vor Augen zu führen, aber auch, um darüber nachzudenken, welche Folgen dieser Krieg hatte und wie ein neuer Weltkrieg vermieden werden kann. Das Projekt „Hessische Landgemeinden im Ersten Weltkrieg 1914 - 1918. Ereignis - Erfahrung - Erinnerung“ in Nidderau-Heldenbergen ist eine solche gelungene Ausstellung. Bewusst richtet sie den Blick auf die Landgemeinden, speziell die Dörfer in der Main-Kinzig-Region, um die Kriegserfahrungen der ländlichen Bevölkerung, die einschneidenden Folgen der Kriegsereignisse für die dörfliche Lebens- und Wirtschaftsweise sowie die Erinnerung an den Krieg darzustellen.

 

Zahlreiche Schulklassen besuchten in diesem Jahr auch die gelungene Ausstellung über Georg Büchner anlässlich seines 200. Geburtstags und erlebten dort gleich am Eingang zur Ausstellung eine kritische Gegenposition zum spektakulären Völkerschlachtdiorama von Yadegar Asisi in Leipzig – eine Entmythologisierung von Schlacht und Krieg unter dem Blickwinkel der Opfer. Schülerinnen und Schüler erforschen bereits seit längerem die Geschichte ihrer Schule während des Nationalsozialismus und den Umgang damit nach 1945, verlegen Stolpersteine, erkunden die Gründe für Namensgebungen und Umbenennungen von Schulen, Straßen und Gebäuden.

 

All diesen Bemühungen ist gemeinsam, dass sie von der Bedeutung der Geschichte für die Gegenwart ausgehen. Kolleginnen und Kollegen, die sich auf Spurensuche mit ihren Schülerinnen und Schülern begeben, wenn diese aufgrund von öffentlicher Präsentation von Geschichte Fragen stellen oder wenn diese, ausgehend von eigenen Fragen, in Museen, Gedenkstätten und Archiven Antworten suchen, haben erkannt, dass historische Bildung darauf abzielt, den Lernenden Orientierung zu bieten, ihre Urteilsbildung und ihre Entscheidungsfähigkeit im Hinblick auf ein Leben auf der Grundlage von Menschenrechten, Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden zu fördern.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie erleben bald Ihre wohlverdienten Ferien. Vielleicht kann die Vorstellung von Museen und Gedenkstätten in diesem Heft als Anregung für Ferienausflüge oder als Tipp für spannende Exkursionen nach den Ferien dienen.

 

Mögen die Sommerferien Ihnen gute Erholung und interessante Bildungserlebnisse bescheren.

 

INFO:

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der HLZ aus HLZ 7/8 Seite 3