Serie, Teil 2, WOANDERS GELESEN, hier Hessische Lehrerzeitung (HLZ) 7/8 2014: LERNORT MUSEUM
Hans-Jakob Schmitz
Darmstadt (Weltexpresso) – Kulturelle Bildung im Museum zielt auf eine aktive und schöpferische Auseinandersetzung mit Geschichte, Kunst, Natur und Umwelt und ist damit ein idealer Ort für die Ausbildung von Kreativität, Phantasie und problemlösendem Denken.
Und noch mehr: Die inhaltliche Dimension der durch den PISA-Schock ausgelösten neuen Begrifflichkeiten und Forderungen in der Bildungsdebatte im Übergang von den alten stofforientierten Lehrplänen zu kompetenzorientierten Bildungsstandards war unter zum Teil anderen Namen in der sich verstärkt seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelten Museumspädagogik bereits so stark vorhanden, dass es jetzt auch kaum Probleme bereitet, die Museen mit den – zum Teil von Lehrerinnen und Lehrern entwickelten – museumspädagogischen Angeboten als außerschulische Lernorte gezielt in das Konzept der Bildungsstandards zu integrieren.
Geschichte der Museumspädagogik
Die 80er Jahre waren gekennzeichnet durch einen gewaltigen Boom von Museumsneubauten, unterschiedlichen Museumstypen und Präsentationsformen – Ausdruck eines wiedererstarkten Interesses an der Auseinandersetzung mit unserer Kunst, Kultur und Geschichte. In dem Spannungsfeld zwischen inhaltlicher Angezogenheit und faktischer Reserviertheit stand lange Zeit auch die Schule. Schon seit Mitte der 60er Jahre versuchte man, die Kluft zwischen den Museen und ihren erhofften Besucherschichten durch museumspädagogische Einrichtungen wettzumachen. Pädagogen sollten das bewirken, was den Museumswissenschaftlern nicht gelungen war, nämlich eine Beziehung zwischen dem museal Präsentierten und dem Besucher herzustellen. Die neue Museumspädagogik als „Kind der Museumskrise“ reichte von Public Relation über Unterhaltungsmanagement und Kreativitätstraining bis zu stringenten Kooperationsformen mit der Schule.
Museumspädagogische Arbeit ist nicht ohne weiteres mit Schulunterricht im Museum gleichzusetzen. Schule ist ein institutionalisierter Rahmen, in dem Erziehung in historisch gewachsenen Formen geschieht und vor allem an Struktur und Funktion von regelhaftem Unterricht mit relativ abstrakten Lernprozessen ausgerichtet ist. Die schulische Organisationsstruktur schlägt so notwendigerweise auf alle Lernprozesse durch und drückt ihnen den „schulischen Stempel“ auf: Unterricht im Museum instrumentalisiert das Museum und seine Potenziale für schulische Zwecke. Das ist legitim aus der Perspektive der Schule, doch das Museum hat seine Chance gerade auch dort, wo es Lernsituationen und Lernformen ermöglicht, die die Schule eher ausblendet.
Diese Erkenntnis macht konstruktive Bezüge zwischen Schule und Museum erst realistisch. Museumspädagogik muss sich von der Lebenswelt und den unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Interessen ihrer Zielgruppen her definieren. Entscheidungen über Inhalte, Ziele, Methoden, Organisationsformen und Medien müssen hier ihre Basis haben. Für die Museumspädagogik bedeutet das, dass sie die Einstellungen, Haltungen und Vorerfahrungen der Zielgruppe zu den jeweiligen Museumsinhalten entsprechend ihrem soziokulturellen und lebensgeschichtlichen Bildungsweg zu berücksichtigen hat. Gemeinsam sind den museumspädagogischen Aktionen die Methodenvielfalt, die Fächerverbindung, die Handlungsorientierung sowie die Erfahrungsoffenheit.
Aktuell wird die schwierige „Gratwanderung“ zwischen zum Teil divergierenden Ansprüchen der Schule und des Museums durch die Neuorientierung an kompetenzorientierten Bildungsstandards deutlich verringert. Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt (HLMD) ist eines der letzten – wenn nicht sogar das letzte – Universalmuseum in Deutschland. Es geht aus Sammlungsbeständen der Landgrafen des 18. Jahrhunderts – besonders des Großherzogs Ludewig I. (1790-1830) – hervor, wurde 1896 bis 1906 unter Großherzog Ernst Ludwig vom Baumeister Alfred Messel erbaut und vereinigt unter einem Dach eine kunst- und kulturgeschichtliche, eine geologisch-paläontologische sowie eine zoologische Abteilung mit zwei Außenstellen für Druck in der Kirschenallee Darmstadt und für Volkskunde im Museumszentrum Lorsch. Das Haupthaus in Darmstadt (Foto: links) ist seit 2007 für Sanierungs- und Neubaumaßnahmen geschlossen und soll im Sommer 2014 in einer völlig neuen Konzeption und mit einem umfangreichen museumspädagogischen Angebot wieder eröffnet werden.
Hintergrundinfo:
Der Autor ist Fachleiter für Geschichte am Studienseminar für Gymnasien Darmstadt, Lehrbeauftragter an der Universität Frankfurt und TU Darmstadt und war von 1981 bis 2011 teilabgeordneter Museumspädagoge am Hessischen Landesmuseum in Darmstadt (HLMD).
Das HLMD bietet Fortbildung für Lehrkräfte aller Schulstufen zu verschiedenen Fachgebieten, vermittelt Gesprächsführungen zur Neugestaltung der Räume und zu aktuellen Sonderausstellungen und bildet Schülerinnen und Schüler zu „Museums-Guides“ in der Kunsthalle und Schader-Stiftung Darmstadt aus.
Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner im Rahmen der Museumspädagogik sind
für Geschichte und Deutsch: Margit Sachse, E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
für Kunst: Dr. Simone Twiehaus, E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
für Naturwissenschaften: Lars Harres, E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
für das Schuldruckzentrum: Matthias Heinrichs, E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
INFO:
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autors und der HLZ aus HLZ 7/8 Seite 9