5. Frankfurter Goethe Festwoche vom 19. bis 28. September 2014, Teil 6

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Man mag es nicht glauben und kann es doch selbst mit eigenen Augen in Goethes Handschrift – diesmal in lateinischen Buchstaben – lesen: die eigenhändige Unterschrift unter einen Brief an Charlotte von Stein in Weimar. Diesmal nicht im orientalischen Stil, sondern im englischen, wo eigentlich bei Hofe der französische gängig war, aber das Englische wohl dem Ganzen im Brief vom 15. Februar 1781 eine lässige Note geben sollte: your…

 

 

Ewig schade, daß die Hohe Frau – wenn es denn überhaupt diese sieben Jahre ältere Frau von Stein mit sieben Kindern war, die so angebetet wurde – eines Tages, als Goethe gen Süden zog, ihre Briefe zurückforderte, was der Kavalier leider in die Tat umsetzte, weshalb wir heute zwar die  mehr oder weniger 1770 Briefe des schreibseligen Goethe an besage Dame haben, aber keine aus ihrer Hand. Das muß nicht so bleiben, ist eine berückend verrückte Idee, die dazu führte, daß die englische Regisseurin Lily Sykes für Weimar einen Theaterabend inszenierte, der nun in Kooperation mit Frankfurt an drei Abenden und einem Vorabend – klingt das nicht nach Wagner?, oh je, der liegt jedoch fern – in dem schönen Saal der Freimaurerloge zur Einigkeit in der Kaiserstraße aufgeführt wurde.

 

Wes Inhalts? Na, die Gegenbriefe der Charlotte von Stein hatten hier ihren Auftritt. Allerdings abgespeckt auf die Briefe, die 14 Schriftstellerinnen von heute sich als gekonnte Replik der Frau von Stein auf Goethe sich ausgedacht und zu Papier gebracht hatten, was auf der Bühne von acht Frauen vorgetragen wurde, besser: Briefe, deren Produktion und damit die Verfertigung der Gedanken beim Reden vor unseren Augen auf der Bühne stattfand, indem die Damen diktierten: „Schreiben Sie!“

 

Doch, doch,  Angelika Klüssendorf, Ursula Krechel, Judith Kuckart, Katharina Schmitt und den anderen fiel Komisches, Durchtriebenes, Abmahnendes, Sophistisches, Feministisches,  Freches und auch Überflüssiges ein, aber in unseren Augen geschah auf der Bühne etwas ganz anderes, was wichtig wurde. Man konnte den meist nicht mehr ganz jungen Vervielfacherinnen der Frau von Stein  dabei zusehen, wie bunt, wie verschiedenartig, wie unterschiedlich von Größe, Farbe, Beschaffenheit, Liebreiz und anderer Attribuisierung doch Frauen sein können, obgleich sie alle in weiß-beige Kleidung gesteckt wurden und ihnen ein gewisser hoher Ton antrainiert worden war.

 

Es waren nämlich einmal nicht Schauspielerinnen auf der Bühne, sondern Frauen wie Du und ich, das Programmheft spricht von „Frankfurter und Weimarer Bürgerinnen“ und zählt sie namentlich auf, was wir richtig finden, genauso wie wir es nicht richtig finden, jetzt den zu nennen, der hier den jugendlichen Goethe gibt, den jungen Spund in Person des Anton Rubtsov, der aber nicht als Mann genannt wird, sondern, weil es nur einer ist.

 

Außerdem ist er Bühnenarbeiter und Damenbetreuer in einem. Die Bühne nämlich sah aus wie bei uns zu Hause, wenn es festlich wird: Die Blumenkübel, waren das nur Hortensien oder auch Lilien, die 4-5-6flammigen Leuchter, deren Kerzen erst am Schluß alle angezündet werden. Ein Kristalleuchter,  von der Decke heruntergenommen auf das Podest dekorativ niedergelegt – nein, das haben wir zu Hause nicht – aber die Spiegel und die Windlichter und Hortensien in Kristallenem und dazu Meißner Porzellan als Kaffeegeschirr, das haben wir dann wieder auch.

 

Uns hat das gefallen, dieses Ambiente, das auf Gefühliges vorbereiten sollte, wo aber doch die meisten der vielen Charlotten, die durchaus miteinander konkurrierten, wer denn die echteste Frau von Stein sei, eine spitze Feder führten, zu der die Gemütlichkeit und Sanftheit der Kulisse dann wiederum gar nicht paßte. Ob nach der Pause deshalb das alles abgeräumt war? Das erschloß sich uns nicht, wohl aber, daß es gar nicht so einfach ist, aus 14 Antworten, die alle im Programmheft aufgeführt sind, weshalb wir wissen, daß eine einzige der Autorinnen schon einen ganzen Abend mit ihrer Antwort hätte bestreiten können, daß also aus 14 Antworten ein Theaterabend wird.

 

Wie gesagt, wir haben uns an der Unterschiedlichkeit der Frauen erfreut, die als Laien auch Gitarre und Cello spielen konnten, singen und tanzen sowieso. Im Hintergrund spielte ein Mann am Flügel, als Unterhalter und DamenbeimSingenBegleiter, denn wo eine Dame singt, ist potzblitz ein Damenchor nicht weit. Daß der kleine junge Goethe nicht aufgab, obwohl er immer wieder auf die Nase fiel, ist eben Titanenart. Warum allerdings war er so jung? Weil Goethe damals so jung war? Aber da war auch Madame doch nur sieben Jahre älter und nicht siebzig. Also, obwohl wir gerne dem Abendablauf folgten, paßte da irgendetwas nicht zusammen. Auf jeden Fall  klingt die Idee, die verlorenen Briefe durch Schreiben von Schriftstellerinnen von heute ersetzen zu wollen, viel doller, als ihre Ausführung auf der Bühne dann trägt. Aber die Frauen, die waren gut und mutig auch.