Kreatives Schreiben in den Wissenschaften, Teil 1/2

Harald Lutz

Frankfurt am Main / Berlin (Weltexpresso) – Auch an deutschen Universitäten und Hochschulen halten Me­thoden des Kreativen Schreibens Einzug, die das Schreiben als Mittel wissenschaftlicher Erkenntnis nutzen.

Edmund Husserl, der große deutsche Philosoph, erkannte schon Anfang der 1920er Jahre, dass die europäische Wissenschaft in eine Krise geraten ist, weil sie sich von der alltäglichen Lebensumwelt getrennt hat. Die Methode des Kreativen Schreibens zeigt mit ihren verschie­denen Schreibtechniken einen Weg auf, beide Bereiche wieder zusammenzuführen.

Ob in der Mathematik, Biologie, Pädagogik oder Soziologie, in allen wissenschaftlichen Fä­chern und Disziplinen müssen Ergebnisse schriftlich festgehalten werden. Dies beginnt in der Schule beim ersten Kontakt mit wissenschaftlichen Arbeiten, setzt sich übers Studium bis zum Beruf fort. Aber Studierende und Forschende haben mit dem Schreiben zunehmend ihre Probleme. Der Hochschullehrer Lutz von Werder, Philosoph, renommierter Buchautor und ehemals Professor für Kreativitätsforschung an der Berliner Alice-Salomon-Fachhochschule (ASH), schätzt, dass die Hälfte derer, die an deutschen Universitäten und Hochschulen das Studium abbrechen, am Schreiben scheitern.

Unter dem Namen „Writing Across the Curriculum“ wurde das Kreative Schreiben in den Wissenschaften als Methode in den USA entwickelt und hat sich dort an den Universitäten inzwischen weitgehend durchgesetzt. Ziel der Bewegung Kreatives Schreiben war es, einen neuen Bezug der Studierenden zu ihrer Wissenschaft herzustellen und ihnen Methoden nahe­zulegen, mit denen das Schreiben als Mittel selbstständiger wissenschaftlicher Erkenntnis genutzt werden kann.

Wissenschaftliches Schreiben muss gelernt werden wie jede andere Fähig­keit auch

Die Methode des Kreativen Schreibens vermittelt Techniken, wie man schreibend lernt. Dazu gehören das Führen wissenschaftlicher Journale, Schreibspiele aller Art, Anleitungen zum Schreiben unterschiedlicher Texte und Gruppendiskussionen von wissenschaftlichen Arbei­ten. Schreiben wird als Erkenntnismethode genutzt, mit der die Studierenden sich die Themen ihrer Wissenschaft aneignen können. Sie benutzen von Anfang an ihren eigenen Sprachstil und nehmen langsam wissenschaftliche Standards an. Sie lernen emotionale und subjektive Erfahrungen in den Erkenntnisprozess einzubeziehen und wissenschaftliches Denken zu trai­nieren. Parallel dazu werden die Diskursfähigkeit und die Kritikbereitschaft gefördert.

Fortsetzung folgt.

INFO:


Während im 19. Jahrhundert die Wissenschaftssprache noch Deutsch war, was allein die Philosophie bis ins 20. Jahrhundert hinüberrettete, ist heute die lingua franca der globalisierten Welt das Englische. Wie gut sich die Wissenschaftler um die Jahrhundertwende 1900 ausdrückten, kann man noch heute mit tiefem Respekt den Schriften von Sigmund Freud entnehmen. Daß die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt nicht nur den literarischen Georg Bücher Preis verleiht, sondern auch einen Preis für die beste wissenschaftliche Prosa auslobt, ist nicht so bekannt. Dieser Preis heißt Sigmund-Freud-Preis und es ist jedes Jahr ein Vergnügen, wenn man die Preisträger liest und auch ihre Dankesrede hört. Ja, es gibt sie noch, diese Wissenschaftler, die sich auf Deutsch verständlich und sprachmächtig ausdrücken. Damit das so bleibt, sind Kurse in Kreativem Schreiben für Wissenschaftler nützlich.



Nützliche Links:

www.lutz-von-werder.de

www.schreibinstitut-berlin.de

 

Foto: Universität Kiel

 

Autoreninfo: Harald Lutz lebt und arbeitet als Fachjournalist und Technikredakteur in Frankfurt am Main.