Serie: Neuer Streit um das Fritz-Bauer-Institut (FBI), Teil 3
Constanze Weinberg
München (Weltexpresso) - Der Artikel über den „Deutungskampf“ um das Werk des Initiators der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, Fritz Bauer, den die Zeitung des Jahres, „Der Tagesspiegel“, am 8. Dezember veröffentlicht hat, ist rund 200 Zeilen lang. Neun davon befassen sich mit einem von vielen Aufsätzen aus der Feder von Werner Renz zum Auschwitz-Prozess.
Sie lauten wie folgt: „Unter der Überschrift ‚Täterexkulpation und Opfergedenken’ schrieb der Leiter des Institutsarchivs, Werner Renz, die Angeklagten seien niedere Chargen gewesen, für das Geschehen in Auschwitz nicht verantwortlich. Man habe sie auch nicht zum Zweck der Vorbeugung bestrafen müssen, da sie ja ähnliche Verbrechen nicht erneut hätten begehen können.“
Werner Renz fühlte sich falsch zitiert und verlangte eine Gegendarstellung. Daraufhin schrieb Kurt Nelhiebel der Redaktion, wenn er Herrn Renz ausführlicher zitiert hätte, was aus Platzgründen leider habe unterbleiben müssen, wäre das für ihn wenig schmeichelhaft gewesen. Und dann zitiert er, was Renz in dem erwähnten Artikel unter anderem geschrieben hat:
"Betrachtet man also den Ausgang des Verfahrens, untersucht man Strafhöhe und Strafvollstreckungsverfahren, erörtert man Sinn und Zweck staatlichen Strafens in NS-Prozessen überhaupt, fällt das Fazit nicht gerade positiv aus. . . Gab es in der bundesrepublikanischen Gesellschaft hinsichtlich der NS-Täter überhaupt ein Strafbedürfnis? War das Rechtsbewusstsein der zu Bundesbürgern gewandelten einstmaligen Gefolgsleute Hitlers durch den Umstand denn wirklich gestört, dass nicht wenige 'Mörder unter uns' lebten? Waren Rechtsfriede und Rechtsordnung tatsächlich gefährdet, wenn Handlanger ... unbestraft blieben . . .? Auf diese Fragen kann es nur ein klares Nein geben .. . Haftet einem Verfahren gegen recht unbedeutende SS-Führer und Unterführer nicht doch ein unvermeidliches Gerechtigkeitsdefizit an, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Anstifter und Befehlsgeber, die Planer und Organisatoren, die Schreibtischtäter und Bürokraten des Massenmordes vielfach nicht belangt wurden . . .? Die Auschwitztäter standen auf der letzten Stufe des vom deutschen Verbrecherstaat initiierten Vernichtungsgeschehens... Spezialpräventiver Einflussnahme bedurften die vor Gericht stehenden, in den bundesrepublikanischen Verhältnissen sich untadelig verhaltenden Staatsbürger freilich nicht. Weder bestand bei ihnen die Gefahr des Rückfalls in staatlich befohlenes kriminelles Verhalten, noch gab es bei den wohlintegrierten und unauffälligen, in der NS-Zeit jedoch so beflissenen Gefolgsleuten den Verdacht mangelnder Rechtstreue gegenüber dem demokratisch verfassten Nachfolgestaat des Verbrecherregimes."
Über einen anderen Artikel von Werner Renz hat nach der Schilderung von Kurt Nelhiebel der ehemalige Untersuchungsrichter im Auschwitzprozess, Heinz Düx, geurteilt, bestimmte Passagen könnten als „Beginn der Demontage und Desavouierung Fritz Bauers“ gelesen werden.
Dem Fritz-Bauer-Institut scheine es an Respekt vor seinem Namensgeber zu fehlen, bilanziert Kurt Nelhiebel, vor einem Mann, der nach den Worten des höchsten deutschen Richters, Andreas Vosskuhle, an der deutschen Geschichte mitgeschrieben und sie zum Guten hin beeinfluss habe.Nelhiebel belegt das unter anderem damit, dass das Institut ein Buch gefördert habe, das den 1968 verstorbenen hessischen Generalstaatsanwalt nicht primär als den verfolgten Sozialdemokraten darstelle, der er gewesen sei, sondern als Opportunisten, der Überzeugungen nach Bedarf gewechselt und seine jüdische Herkunft verleugnet habe. Damit werde ein Zerrbild von Fritz Bauer gezeichnet, habe der brandenburgische Generalstaatsanwalt Rautenberg dem Verfasser des Buches, Ronen Steinke, ebenfalls vorgeworfen.
Wenig tolerant zeige sich das Fritz-Bauer-Institut gegenüber jenen, die sich dessen entpolitisiertes Bauer-Bild nicht zu eigen machten. Die international renommierte Regisseurin Ilona Ziok, deren Fritz-Bauer-Dokumentarfilm „Tod auf Raten“ von der deutschen Filmbewertungsstelle mit dem Prädikat „Besonders wertvoll“ ausgezeichnet wurde, ist beim Institut nicht gelitten. Auf Ungnade ist auch die Historikerin und ehemalige stellvertretende Direktorin des Instituts, Irmtrud Wojak gestoßen. Ihre Biographie über Fritz Bauer, mit der sie sich habilitierte, wird, wie Zioks Film, vom Fritz-Bauer-Institut boykottiert. Exponate einer von Wojak betreuten Ausstellung über den Auschwitz-Prozess sind unter Hinweis auf fehlende Lagerkapazität entsorgt worden.
Mit Letzterem ist eine neue Kiste aufgemacht worden, die ersteinmal der Institutsleiter Raphael Gross durch ein Rundfunkinterview gepackt hatte, in dem er - leider, leider – leicht zu widerlegende Unwahrheiten verbreitete. Fortsetzung folgt also.
INFO:
Damit Sie den Artikel original lesen können, hier der Link zum Tagesspiegel:
Die Serie von Kurt Nelhiebel: „Hände weg von Fritz Bauer“ in Weltexpresso
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/3363-haende-weg-von-fritz-bauer-teil-1
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/3371-haende-weg-von-fritz-bauer-teil-2
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/3373-haende-weg-von-fritz-bauer-teil-3
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/lust-und-leben/3382-haende-weg-von-fritz-bauer-teil-4
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/lust-und-leben/3383-haende-weg-von-fritz-bauer-teil-5
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/lust-und-leben/3397-haende-weg-von-fritz-bauer-teil-6
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/lust-und-leben/3398-haende-weg-von-fritz-bauer-teil-7