Dem Rassismus der Pegida-Bewegung zum Trotz: Islamkritik ist heute wichtiger denn je, Teil 1

 

Matthias Küntzel

 

Hamburg (Weltexpresso) - „Nach dem Vorbild des Kalifen Abu Bakr Al-Siddiq“, erklärte Mitte Dezember der Islamische Staat, „hat das Islamische Gericht der Al-Furat-Provinz einen Mann, der homosexuelle Akte vollzog, dazu verurteilt, vom höchsten Ort in der Stadt heruntergeworfen und anschließend bis zum Eintritt des Todes gesteinigt zu werden.

 

Allahs Befehl gilt sowohl in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart.“ Abu Bakr Al-Siddiq regierte von 632 bis 634. Eine Fotoserie zeigt, wie das Opfer auf das Dach eines hohen Hauses gezerrt und dann heruntergeworfen wird.[1]

 

Das triumphierende Selbstverständnis, mit dem der Islamische Staat seine Gräueltaten zur Schau stellt, schockiert und verängstigt. Wie lässt sich solch eine Bewegung, die die Kategorien unseres politischen Denkens sprengt, begreifen? Ein Rückgriff auf die Totalitarismustheorie kann helfen, tauchen doch einige Kennzeichen totalitärer Staaten bei ISIS wieder auf.[2]

 

 

ISIS als totalitäre Bewegung

 

Dies gilt zum Beispiel für die Konstruktion einer höheren und zeitlosen Gesetzmäßigkeit, in deren Namen all das Morden geschieht. Bei den Nazis war es das Rassengesetz, das vom Holocaust bis zur Euthanasie alles Handeln determinierte. Unter Stalin war es ein vermeintliches „Gesetz der Geschichte“, das die massenhaften Morde zu rechtfertigten schien, während der neue Kalif seine fanatisierten Anhänger für die globale Durchsetzung der Scharia und die Schaffung einer sich vor Allah duckenden Menschheit über Leichen gehen lässt. Der Glaube an das Gottesreich erweckt die Bereitschaft, alles, und sei es auch das Schrecklichste, im Dienste Allahs zu tun.

 

Dies gilt für die „Bewegungssüchtigkeit totalitärer Bewegungen“ (Hannah Arendt), die sich überhaupt nur halten können, solange sie in Bewegung bleiben und alles um sich herum in Bewegung versetzen. Auch dieses Merkmal finden wir beim Islamischen Staat, dessen Tugendwächter in einer ständig sich ausweitenden Mobilmachung unterwegs sind, um auch noch die privatesten Lebensäußerungen zu kontrollieren.

 

Und dies gilt für den Terror als dem eigentlichen Wesen totalitärer Herrschaft. Wie in den totalitären Vorläuferstaaten erleben wir auch im Islamischen Staat die absolute Entfesselung von Gewalt, die mit einer nicht minder absoluten Rechtfertigung durch das damit verfolgte „höhere Ziel“ einhergeht. Die Entgrenzung des Terrors zerstört die Individualität und schaltet freies Handeln aus.

 

All diese Elemente, die bei ISIS in Reinform auftreten, sind auch im Hamas-kontrollierten Gaza-Streifen und im Iran präsent.[3] Der Islamismus ist offenkundig ein Phänomen, das zentrale Elemente des Totalitarismus in neuer Form zur Geltung bringt.

Damit aber gehört auch der Islamische Staat zu jenen Bewegungen, die nur auf dem Boden der Moderne – als Rebellion gegen sie – denkbar sind. ISIS verspricht, das emanzipatorische Moment der Moderne – die Herauslösung der/des Einzelnen aus den traditionellen kollektivistischen Bindungen –abrupt rückgängig zu machen.

 

Je weniger aber Menschen mit der Moderne klarkommen, schrieb Hannah Arendt, „desto geneigter werden sie sich zeigen, sich in ein Narrenparadies oder eine Narrenhölle abkommandieren zu lassen, in der alles gekannt, erklärt und von übermenschlichen Gesetzen im Vorhinein bestimmt ist.“[4] Der wichtigste Text, auf den die neue totalitäre Bewegung sich bezieht, ist aber der Koran.

 

 

ISIS und der Koran

 

Einige sagen, der Koran habe mit der Praxis von ISIS wenig oder gar nichts zu tun. Auf der anderen Seite ist auffällig, wie viel Wert der Islamische Staat darauf legt, jeden seiner Schritte religiös zu legitimieren.

 

So beruft sich der Islamische Staat bei seiner Gebrauchsanweisung für die Vergewaltigung von Sklavinnen und weiblichen Kriegsgefangenen ebenso auf den Koran, wie bei dem neuen Strafrechtskatalog, den er am 15. Dezember 2014 veröffentlichte. Nach diesem Katalog werden folgende Delikte mit dem Tod bestraft: Lästerung über Allah, Lästerung über Mohammed, Lästerung über den Islam, Homosexualität, Spionage, Abfall vom Glauben und Mord. Bei Ehebruch wird zu Tode gesteinigt, bei Raubmord gekreuzigt. Vorehelicher Sex wird mit 100 Peitschenhieben und Alkoholgenuss oder Verleumdung mit 80 Peitschenhieben geahndet. Bei Diebstahl wird eine Hand abgehackt, bei organisiertem Diebstahl die rechte Hand und der linke Fuß.[5] Fortsetzung folgt.

 

Anmerkungen:

 

[1] http://www.memrijttm.org/isis-executes-homosexual-by-throwing-him-off-a-rooftop-and-then-stoning-him.html

[2] Hingegen lehne ich den Begriff „Islamfaschismus“ als analytische Kategorie ab. Ich begründete dies im März 2005 hier: http://www.matthiaskuentzel.de/contents/islamismus-faschismus-und-ns

[3] Wahied Wahdat-Hagh hat den Totalitarismus Teherans bereits 2003 in seinem Buch „Die Islamische Republik Iran. Die Herrschaft des politischen Islam als eine Spielart des Totalitarismus“ analysiert.

[4] Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, München 1986, S. 970.

[5] Islamic State (ISIS) Releases Pamphlet On Female Slaves, Memri, 4. Dezember 2014; auf: http://www.memrijttm.org/islamic-state-isis-releases-pamphlet-on-female-slaves.html , Islamic State (ISIS) Publishes Penal Code, Which Includes The Death Penalty, Crucifixion, Lashing, And Severing Of Limbs For Crimes Such As Blasphemy, Adultery, Sodomy, Spying, Slander, Theft, And Apostasy, auf: http://www.memrijttm.org/memri-jttm-islamic-state-isis-publishes-penal-code-says-it-will-be-vigilantly-enforced.html . Die Vergewaltigungen werden mit der Koransure 23, Vers 5-6 und der Strafkatalog mit Koran 5/33 legitimiert.