Premiere am Ernst-Deutsch-Theater: “Gift“ von Lot Vekemans mit Nina Petri

 

Helmut Marrat

 

Weltexpresso (Hamburg) - Die Szenerie ist ein Friedhof. Dort trifft ein ehemaliges Paar aufeinander. Deren Sohn verunglückte vor Jahren bei einem Autounfall. Und jetzt sollen die Gräber verlegt werden. Der Boden sei kontaminiert. Und so wurden sie hingebeten. Jedenfalls der Mann.

 

Doch sie werden von niemandem erwartet. Also sind sie auf sich selbst gestellt. Zehn Jahre hat man sich nicht mehr gesehen. Und während die Frau gefangen blieb in ihrem Schicksal, hat der Mann sein Leben in den Griff bekommen. Er ist wieder verheiratet und wird demnächst erneut Vater werden. Doch wie kann das seine Ex-Frau akzeptieren?! Denn immer noch hadert sie mit der Trennung. Er war seinerzeit gegangen. An einem Silvesterabend, kurz vor dem Jahreswechsel. Sie lockte ihn nun dorthin, um ihn zu stellen.

 

Es geht also um Verantwortung und Schuld. Um Trauer und um Wahrheit. Und um den Versuch, durch die erneute Konfrontation das eigene Leben endlich in eine neue Bahn lenken zu können!

 

Gift“ stammt von der niederländischen Autorin Lot Vekemans (geboren 1965), feierte 2009 Uraufführung, erhielt zahlreiche Preise und wurde in sechs Sprachen übersetzt. In Hamburg spielen Nina Petri und Nicki von Tempelhoff das ehemalige Paar. Dabei macht es ihnen der Regisseur Wolfgang Stockmann, zusammen mit seinem Ausstatter Peter Schmidt, nicht unbedingt leicht. (Beide sind recht unbegabt.)

 

In einem der Begleittexte im Programmheft erläutern Stockmann und Schmidt ihre Absicht, „dass das Ungeschützte der beiden Figuren sich im Bühnenbild finden solle.“ Diese Absicht wird allerdings nicht verwirklicht. Im Gegenteil: Es wurde ein käfiggleicher Gitterpavillon, dessen 'vierte Wand' zu den Zuschauern fehlt, wie eine Bühne auf der Bühne in die Mitte gestellt, der durchaus einen schützenden Charakter – etwa wie ein Unterstand – suggeriert. Sobald die beiden Schauspieler sich in dieses Behältnis begeben, werden zudem indirekt die Plätze von zwei Dritteln des Publikums zu Randplätzen gemacht. Vor allem aber macht dieser Gitterpavillon es dem Paar vielfach unmöglich, in günstiger Distanz zueinander zu agieren. Ebenso verhält es sich mit den zwei schmalen Bänken, die außerhalb des Pavillons links und rechts auf die Bühne gestellt wurden: Auf jede von ihnen passen eineinhalb Personen, so dass sich die beiden immer nebeneinander quetschen müssen; eine längere Bank hätte hier die Möglichkeit geboten, durch unterschiedliche Sitzentfernung die sich verändernde Beziehung der beiden sichtbar zu machen.

 

Trotz dieser Misslichkeiten erreichen die beiden Schauspieler durchaus intensiv gespielte Momente. Der große zusammenfassende Bogen aber fehlte in der Premiere noch. Nina Petri gestaltet ihre Rolle wie immer haarscharf und präzise. Bis auf eine nicht gelungene Lacheinlage, die viel zu breit für ihre Persönlichkeit ist, sitzt jeder Satz und jede Geste. - Nicki v. Tempelhoff spielte streckenweise ein wenig zu unterspannt, vielleicht auch zu passiv. Aber als er einmal aus sich herausgeht, macht er diesen Ausbruch sehr glaubhaft. - Kurz: Beide finden im Laufe des Abends zu atmosphärisch immer wieder sehr dichten Spielmomenten. Insgesamt ein sehenswerter Abend, der auch kräftig beklatscht wurde.

 

INFO:“ GIFT“ läuft noch bis zum 15.2.15