Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier zum Jahrestag des 20. Juli 1944

 

Cordula Passow und Claudia Schulmerich

 

Wiesbaden/Berlin (Weltexpresso) - Daß der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier an einem solchen Tag nicht allein für die Hessen spricht, hat damit zu tun, daß er turnusgemäß am 10. Oktober letzten Jahres zum Bundesratspräsidenten gewählt wurde und dieses Amt bis zum 31. Oktober 2015 ausübt. Deshalb finden beispielsweise auch die Feiern zu 25 Jahre Deutsche Einheit am 3. Oktober in Frankfurt und seiner Paulskirche statt.

 

Heute hat Volker Bouffier anläßlich des 71. Jahrestags des Attentats auf Adolf Hitler in Berlin der Persönlichkeiten gedacht, die die Diktatur der Nationalsozialisten mit Hilfe des Aufstandes beenden wollten. „Auch nach sieben Jahrzehnten ist die Erinnerung an den 20. Juli 1944 als äußeres Zeichen des deutschen Widerstandes gegen das nationalsozialistische Terrorregime bedeutend. Wir gedenken der Männer und Frauen, die den Versuch unternommen haben, in unserem Land die Herrschaft des Verbrechens zu beseitigen. Sie waren bereit, für Menschenwürde, Freiheit und Gerechtigkeit ihr Leben zu opfern“, erinnerte Ministerpräsident Volker Bouffier, der im Rahmen seiner Bundesratspräsidentschaft am Montag an der offiziellen Gedenkfeier zur Erinnerung an das Hitler-Attentat an der Gedenkstätte Plötzensee in Berlin teilnahm.

 

Der 20. Juli 1944 stehe für den Drang nach Freiheit, Recht und menschliche Würde in der düstersten Zeit der deutschen Geschichte. „Der Einsatz der Frauen und Männer im Widerstand gegen ein menschenverachtendes Regime zeigt, dass Freiheit und Demokratie nicht selbstverständlich sind. Das vehemente Auflehnen gegen die mörderischer Diktatur bleibt ein Maßstab für kommende Generationen“, sagte der Ministerpräsident. Einer der Widerstandskämpfer um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg hatte Wurzeln in Hessen. So war der ehemalige hessische Innenminister Wilhelm Leuschner ein zentraler Akteur im Widerstand. Ihm zu Ehren ist die höchste Auszeichnung des Landes Hessen, die Wilhelm-Leuschner-Medaille für hervorragende Dienste um die demokratische Gesellschaft, benannt.

 

Die Erinnerung an die Vergangenheit wach zu halten und an die jüngeren Generationen weiterzugeben, gehört zu den Grundlagen jeder Gesellschaft. Dazu gehört in Deutschland auch die Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit. Ebenso wichtig ist die Erinnerung daran, dass es zwischen 1933 und 1945 Menschen gegeben hat, die sich in ihrer Achtung vor der Würde jedes einzelnen Menschen nicht von den Nationalsozialisten haben beirren und täuschen lassen“, so Volker Bouffier in Berlin.

 

 

Kommentar:

 

Wir waren in Berlin nicht dabei und finden an den veröffentlichten Worten auch nichts falsch. Allerdings fehlt uns ein wichtiger Hinweis, den zumal ein Hessischer Ministerpräsident unbedingt hätte geben müssen: der Verweis auf den Hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Denn während Bouffier in Berlin sprach, wurde in Wiesbaden für das Fritz Bauer Institut der Goethe-Universität die Finanzierung der ersten Holocaust Professur unterzeichnet, was als Koinzidenz deshalb apart scheint, weil in der Tat die Person von Fritz Bauer ein Bindeglied zwischen beiden Ereignissen bildet.

 

Es war Fritz Bauer als Generalstaatsanwalt von Braunschweig, der dem Nazi Otto Ernst Remer das Handwerk legte. Dieser, später ein ehemaliger Generalmajor, sollte am 20. Juli Joseph Goebbels verhaften, der ihn jedoch mit Adolf Hitler im Führerhauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen per Telefon zusammenbrachte und der von Hitler die Weisung erhielt, die Attentäter sofort zu verhaften und hinzurichten. Ungehindert konnte Remer auch in der Bundesrepublik den Jargon der Nazis weiterführen und sprach von den Attentätern als den Vaterlandsverrätern und verherrlichte ihre Ermordung, die er selbst mit herbeigeführt hatte.

 

Der Remerprozeß hatte folgenden Vorlauf. Dieser Remer hatte eine Sozialistische Reichspartei mitbegründet und dabei die Attentäter des 20. Juli nicht nur als Landesverräter bezeichnet, sondern hinzugefügt, sie seien vom Ausland gedungen worden und den noch Überlebenden werden bald in Deutschland der Prozeß gemacht werden. Der damalige Bundesinnenminister Robert Lehr, der den als Reichskanzler vorgesehenen und als Attentäter hingerichteten Carl Friedrich Goerdeler gut gekannt hatte, stellte einen Strafantrag gegen Remer wegen Verleumdung. Damals war in Braunschweig, wo Remer lebte, Erich Günther Topf als Staatsanwalt zuständig, der es ablehnte, ein Verfahren zu eröffnen. Kein Wunder, war dieser doch – so war die Situation der jungen Bundesrepublik – nicht nur Mitglied der NSDAP, sondern auch SA-Rottenführer gewesen.

 

Deshalb erteilte Fritz Bauer Topf die Weisung, den Prozeß in Gang zu setzen, versetzte den Nazi-Juristen dann aber nach Lüneburg und führte das Verfahren als Ankläger selbst gegen Remer wegen übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Bauers Auffassung und Aussage: „Ein Unrechtsstaat, der täglich Zehntausende Morde begeht, berechtigt jedermann zur Notwehr“ schloß sich das Gericht an und legitimierte die Attentäter vom 20. Juli als Widerstandskämpfer mit der Berechtigung des Tötens von Hitler, ein sogenannter Tyrannenmord. Haften bleibt, daß der Nazi-Staat ein Unrechtsstaat gewesen ist.

 

Wie man an einem solchen Tag als Hessischer Ministerpräsident auf den Einbezug von Fritz Bauer, dem späteren Generalstaatsanwalts von Hessen verzichtet, der mit den Auschwitzprozessen erneut deutsche Geschichte schrieb, das würde ein Frankfurter mit den Worten beantworten: „Un es will merr net in mein Kopp enei, wie kann nor e Mensch net bei der Würdigung des 20. Juli nicht an Fritz Bauer denken.“