Serie: FLÜCHTLINGSGESPRÄCHE, Teil 14
Hanswerner Kruse, Marion Klingelhöfer, Clas Röhl
Schlüchtern (Weltexpresso) - „Als wir in Deutschland ankamen, fühlten wir uns im ersten Moment wie im Paradies!“, sagt Abdulsalam Almohammad (45) und lacht. Vor zweieinhalb Jahren landete der gelernte Röntgenassistent mit seiner Familie in Hannover. In Syrien besaß die kurdische Familie ein eigenes Haus mit Garten sowie ein Auto.
Doch die politische Situation zwang den dreifachen Familienvater zur Flucht. Nachdem der Geheimdienst ihn für drei Monate einsperrte, weil er sich für Flüchtlinge aus anderen Teilen Syriens eingesetzt hatte, verkaufte er sein gesamtes Hab und Gut, um Geld für einen Flug nach Europa zu bekommen. Ihm war klar, dass es in seiner Heimat keine Sicherheit mehr für ihn und seine Familie gab.
Schon Abdulsalams Vater saß drei Jahre lang im Gefängnis, nun war es genug. Um in Sicherheit, Freiheit und ohne Angst leben zu können, besorgte er sich Pässe und wartete auf einen Flug Richtung Europa. „Es ist ein Glück für uns, zusammen in einem Flugzeug gewesen zu sein! Und nicht nur das, auch dass wir überhaupt geflogen sind, ist fast schon ein Wunder“.
Abdulsalam macht eine Pause, bevor er weiterspricht. „Die Polizei in meiner Heimat ist oft korrupt. Sie verdient an den Schleppern und dem vielen Geld, das sie damit machen, mit. Wir haben gehofft, nach Deutschland zu kommen, denn ich habe einen Bruder in Detmold, der schon vor zwölf Jahren aus Syrien geflüchtet ist. Denn Kurden haben es in Syrien nicht leicht. Wir sind gezwungen, arabische Namen zu tragen, unsere Herkunft zu verleugnen. Eigentlich ist mein kurdischer Nachname „Sofi“. Doch tragen darf ich ihn nicht. Als unsere Kinder geboren wurden, wollten wir ihnen kurdische Vornamen geben. Es hat ganze zwei Jahre gedauert, bis es erlaubt wurde!
Wir wurden immer wieder vom Geheimdienst abgeholt und befragt, warum wir das wollten, was die Namen bedeuten, es war einfach schlimm. Das kurdische Volk existiert gar nicht in ihren Augen, soll nicht existieren… Für die islamischen Kämpfer sind wir, obwohl wir fast alle Moslems sind, „Ungläubige“, da wir beispielsweise keine Kopftücher für unsere Frauen verlangen. Wir wünschen uns so sehr, als Volk anerkannt zu werden!“, sinniert er und fährt fort. „Wir waren unendlich erleichtert, als das Flugzeug abhob und wir wussten, dass es nach Deutschland ging.
In Deutschland angekommen, wurden wir sofort von der Polizei festgenommen. Sie brachten uns schließlich zur Flüchtlingsunterkunft Hof Reith in Schlüchtern. Unsere Kinder hatten Heimweh, vermissten ihre Zimmer, ihr Spielzeug. Wir Erwachsene mussten uns mit den verschiedenen Kulturen, dem Krach und den Streitigkeiten in den Auffanglagern auseinandersetzen, aber all das war nichts, war eine Million Mal besser, als das Leben im kriegszerstörten Syrien!“ Zwischenzeitlich hat die Familie einen b.a.w. gesicherten Aufenthaltsstatus. „In Steinau haben wir jetzt eine Wohnung, in der wir uns sehr wohl fühlen“, sagt er.
Abdulsalam spricht schon sehr gut Deutsch, macht bald seine B2-Sprachprüfung. „Nun wünsche ich mir, wieder in meinem Beruf arbeiten zu können. Da ich im Krankenhaus ein Praktikum absolviert habe, hoffe ich darauf, angestellt zu werden. Es hat mir sehr gefallen. Meine Frau ist gelernte Laborantin und arbeitet in einem Seniorenheim in Bellings. Sie hat einen unbefristeten Vertrag und hofft, übernommen zu werden. Unser ältester Sohn (18) macht eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker und fühlt sich dort sehr wohl. Die Mittlere (15), war Klassenbeste in Syrien und besucht hier die Realschule. Unser Jüngster (10) besucht die Grundschule und lernt eifrig.
Es ist für uns wichtig, so schnell wie möglich die deutsche Sprache zu beherrschen. Wir haben schon einige sehr nette deutsche Familien kennengelernt! Deutschland und seine Kultur sind ganz neu für uns gewesen, doch wir fühlen uns immer heimischer hier, wollen bleiben und uns das aufbauen, was wir in Syrien verloren haben!“
Foto: Hanswerner Kruse